Johann Georg Gettner
- Geburtsdaten
- Nikolsburg
- Sterbedaten
- 07.12.1696
- Basel
Gebiete
Nikolsburg-Region
Nikolsburg
Von den Schauspielern der berühmten Eggenbergischen Hoftheatertruppe in Krumau, die sich Fürst Johann Christian von Eggenberg (1641-1710) hielt und die so wesentlich ist für eine rechte Beurteilung des Theaterlebens zwischen Wanderbühne und höfischer Repräsentationskultur im 17. Jahrhundert, blieb beinah nur der Steirer Johann Valentin Petzold (um 1648 - um 1720) in Erinnerung, der als Komödienbauer ‚Kilian Brustfleck’ sein Publikum unterhielt. In den ersten Jahren und Jahrzehnten ihrer Zusammenarbeit aber war sein Vorgesetzter als künstlerischer Leiter des Ensembles, Johann Georg Gettner (auch: Göttner), der als ‚Pickelhäring’ die zentrale komische Rolle in den Spielen auf dem Schlosstheater verkörperte, weitaus erfolgreicher und dieser stand auch bei seinem Brotherrn als Verfasser mehrerer Komödien in höchstem Ansehen. Es ist gut möglich, dass Petzold vieles seines späteren Erfolgs nicht zuletzt seinem Trauzeugen Gettner zu verdanken hatte, dessen Schauspielkunst er aus nächster Nähe studieren konnte und dessen kleineren literarischen Arbeiten er erfolgreich nachahmte. So kreierte Petzold denn auch seinen ‚Brustfleck’ erst nach der zeitweiligen Trennung von Gettner und seiner Truppe, die ab 1691 auf der Wanderschaft ihr Glück suchen musste.
Von den künstlerischen Anfängen Gettners ist kaum etwas bekannt. Aus Nikolsburg gebürtig, scheint er eine durchaus ansprechende Ausbildung genossen zu haben. Eine Auflistung der Verdienste Gettners betont 1687 seine Kenntnis der artes liberales, der freien Künste (die in der Artistenfakultät als Propädeutik für die höheren Fakultäten gelehrt wurden), und seine daraus resultierende ‚erudition’. Tatsächlich zeugt der bislang einzige ihm zuordenbare (in der Forschung allerdings noch nicht beachtete) Text aus seiner Feder, ein Dedikationsgedicht zum Namenstag und zur Rückkehr Kaiser Leopolds (1640-1705) nach seiner Vermählung mit Claudia Felicitas (1653-1676), von einer nicht zu übersehenden Gelehrsamkeit, die im panegyrischen Barockschwulst hinlänglich zur Schau gestellt wird. Die „von den Mährischen Parnasso gebohrene“ Donau-Syren, 1673 zu „allen Kayserl. wohl ergehen / unverwelcklichen Nachruhm und aller underthänigst:gehorsambsten Ehren auffgesetzt / und durch ein einfältiges Hürten=Gespräch allerfeurlichst besungen. Von Beeder Kayserl. Mayest. Unsterblicher Nahmen ewiger Anbetter. Johann Georg Gettner“, besingt in prätentiösen Tönen die Verbindung des Kaisers mit der Tiroler Erzherzogin. In einer allegorischen Rahmenhandlung wird zunächst des vorangegangenen Todesfalls (der spanischen Infantin Margarita Teresa, der ersten Frau Leopolds) gedacht: Silvanus, ein Schäfer aus den „Marich-Wäldern“, sucht Trost im ‚Trauer-Garten’ der Geschichte, in dem ihm die Tugend als höchster Wert und Basis jeglicher weltlichen Herrschaft gezeigt wird. Seine Betrachtungen aber werden unterbrochen durch seine Schäfergenossen Cypriander und Montanus, die ihm vom bevorstehenden Freudenereignis berichten. Überwältigt von der Nachricht singt Silvanus nun als erster ein kunstvolles Loblied auf das Herrscherpaar. Gettners zeittypisches, in Wien gedrucktes Werklein geizt nicht mit Bildungsgut: Indem er ein dichtes Netz an mythologischen und historischen Verweisen knüpft, unterstreicht der Autor in seiner Eloge die weltgeschichtliche Bedeutung, ja Einzigartigkeit des Ereignisses. Der Vergleich mit vergangenen Größen stellt dabei das Hochzeitspaar ein in einen Rahmen des ewigen Ruhms. Die eingeflochtenen lateinischen Sentenzen belegen darüber hinaus nicht nur den Kenntnisreichtum des Verfassers, sondern legitimieren im Allgemeinen den sittlichen Gehalt des Unternehmens. Gettner dürfte dem triumphalen Empfang des Kaiserpaars in Wien wohl persönlich beigewohnt haben, um sein Werk – vielleicht am 15. November, am Leopolditag – vorzutragen. Dies setzt freilich voraus, dass er sich schon zu dieser Zeit einen Namen in seinem Metier erworben hatte und über einen einflussreichen Gönner verfügte, der ihm den Auftritt ermöglichte. Vielleicht handelt es sich dabei schon um Johann Christian von Eggenberg. Immerhin residierte Claudia Felicitas in den Tagen vor der prachtvoll inszenierten Hochzeit am 15. Oktober, die – um das obligate Trauerjahr zu umgehen – im Grazer Dom stattfand, auf Schloss Eggenberg, dem Grazer Stammsitz der Eggenberger.
1675 gehört Göttner zumindest zu den ersten, die der Herzog in sein neu gegründetes Ensemble aufnimmt. Am 1. Mai 1676 wird er offiziell zum künstlerischen Leiter der Truppe ernannt, der ehemalige Innsbrucker Hofkomödiant Johann Christoph Pernecker ist für alle anderen Belange des Theaters verantwortlich. Angestellt allerdings ist Gettner zunächst für ein Jahressalär von 80 Gulden als Schreibkraft in der Hofkanzlei, auch wenn er dieser Tätigkeit, wie auch seine gleichfalls zu diesem Datum aufgenommenen Kollegen Johann Franz Manduk aus dem (damals?) bayerischen Ried und der Kärntner Johann Karl Samenhammer, wohl weniger Zeit widmete. Sie alle waren Angestellte des Fürsten, zumeist in mehreren Verwendungsbereichen, vor allem aber als Schauspieler tätig, die jederzeit entlassen, oder (etwa zu Norma-Zeiten) auch freigestellt werden konnten, um sich auswärts den Lebensunterhalt zu sichern. Einige weitere Theaterprofis wie Johann Wohlgehaben, Johann Friedrich Philipp Schwarz und Johann Esteretter fanden in den folgenden Jahren längerfristige Aufnahme im Ensemble, manche andere wie Andreas Elenson oder Johann Schuhmacher wurden nur kurzfristig engagiert.
Schon seit der Heirat Herzog Johann Christians mit Maria Ernestine von Schwarzenberg 1666 sind einzelne Aufführungen auf Schloss Krumau belegbar; Anfang der Siebzigerjahre des 17. Jahrhunderts beginnen schließlich die Vorbereitungen für den Aufbau eines ständigen Theaters im so genannten Hirschensaal, das der Salzburger Maler Johann Martin Schaumberger mit Szenerien ausstattet, die 17 Verwandlungsmöglichkeiten erlauben. Ab 1675 ist ein regelmäßiger Spielbetrieb nachweisbar; die für Szenerie und Fundus nötigen Dinge wurden im nahen oberösterreichischen Freistadt besorgt, die passenden Spieltexte für die Saison von der Prinzipalin Anna Barbara Kühlmayerin (Khulmann) erworben. Manche Texte wurden auch von den Schauspielern selbst kopiert; so erhält Gettner 1676 für die Abschrift einiger Stücke neun Gulden ausbezahlt. Im selben Jahr werden er und Samenheimer unter nicht näher bekannten Umständen auch zu ‚poetae laureati’ ernannt und mit je 15 Gulden belohnt, eine Würdigung, die Johannn Christian kraft des 1625 an die Eggenberger verliehenen Palatinats selbst vornehmen konnte. Auch sonst verrät die Vielzahl an Belohnungen, Zulagen, Geldgeschenken, Beihilfen und Anerkennungen, die der Fürst gewährte, eine Beziehung zwischen ihm und seinen Hofkünstlern, die hinausging über das übliche Herr-Diener-Verhältnis. So erhält Gettner etwa zum Neujahrtag 1676 drei Gulden, und zum Weihnachtstag des folgenden Jahres unterstützt ihn der Fürst beim Kauf einer Flinte. 15 Gulden hatte er bereits im Februar 1677 zum Geschenk gemacht, als Gettner im nahen Marienwallfahrtsort Gojau/Kájov mit Sibylla Juliana Hofmann eine Tochter des ehemaligen Innsbrucker Prinzipals Johann Ernst Hofmann heiratet. Dessen Witwe Maria Ursula war (als verheiratete Blümel) mit ihren Töchtern nach Krumau engagiert worden, aber schon 1676 verstorben. Ihre zweite Tochter Anna Claudia Felicitas (als deren Patin die spätere Kaiserin Claudia Felicitas fungiert hatte) war wie ihre Schwester Ensemblemitglied und wurde 1682 die Frau Manduks.
Nach der Heirat hatte das Ehepaar Gettner zunächst ein Zimmer im Schloss bewohnt; als dieses aber für andere Zwecke benötigt wurde, zogen sie unter der Zusicherung, dass ihnen die Miete bezahlt würde, in die Stadt. Tatsächlich erhält Gettner 1679 sechs Gulden für die Miete und zwei für den Kaminkehrer ausbezahlt. Doch scheint die Wohnung nicht entsprochen zu haben und die Gettners suchten sich eine andere Bleibe, die allerdings 13 Gulden jährlich kostete. Da Gettner sich seinen Kollegen gegenüber, die in den Musikerzimmern auf dem Schloss umsonst logieren konnten, benachteiligt fühlte, richtet er im April 1680 ein Gesuch an den Fürsten, in dem er daran erinnert, dass er unentgeltlich in der Kanzlei aushelfe, und verspricht, dass er seinem Herrn bis zu seinem Tod dienen und nicht mehr um eine Lohnerhöhung bitten wolle, sofern der Fürst die Mietkosten übernimmt. Der Antrag wurde ihm offensichtlich gewährt: 1680 erhält er den gewünschten Betrag, in den folgenden Jahren 12 Gulden und 30 Kreuzer. Auch sein Jahresgehalt hatte sich inzwischen beträchtlich erhöht, immerhin bekommt er 1681 bereits 166 Gulden und dazu noch 220 Gulden „Cost Geldt“. Nur Perneckers Dienste wurden höher belohnt; der „Comoedi baur“ Petzoldt zum Vergleich, in diesem hochkarätig besetzten Ensemble damals sicher noch nicht in einer exponierten Rolle, erhielt laut Rechnung insgesamt lediglich 110 Gulden. Anders als Petzold machte sich der Ensembleleiter zu dieser Zeit ja nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Stückelieferant verdient: 1678 honoriert der Herzog Gettners Leistungen als Komödienautor mit 12 Gulden und auch 1681 scheint Gettner als Verfasser eines Stücks auf, das er der glücklichen Rückkehr seines Herrn aus dem bayerischen Bad Adelholzen widmet und das sogleich zur Aufführung gelangt; neun Gulden sind diesmal der Lohn. Um welche Stücke es sich dabei genau handelte, ist allerdings nicht bekannt.
Seit den Anfängen des Ensembles spielen die Eggenbergischen Hofkomödianten nicht nur auf dem Krumauer Schloss, sondern begleiten Johann Christian zur Unterhaltung und zu Repräsentationszwecken auf seinen Reisen, etwa an den kaiserlichen Hof nach Wien. Aber auch selbstständige Reisen des Ensembles mit Genehmigung des Fürsten lassen sich nachweisen, zumal während den Norma-Zeiten nach familiären Todesfällen. So finden wir die Truppe bereits 1678 in Linz (wo sie in den Achtzigerjahren beinah regelmäßig während des Bartholomäi-Markts Gastspiele gibt), 1679 in Salzburg und Graz und im Jahr der massiven Türkenbedrohung 1683 u.a. in München und Ansbach. Neben diesen eigenständigen Produktionen der Eggenberger Truppe unterstützte der Fürst auch Einzelreisen seiner Komödianten, 1679 etwa Gettners Linzbesuch, im Jahr darauf dessen ‚Vergnügungsreise’ in die mährische Heimat. 1684 kommt Gettners Tochter Anna Ernestina in Krumau zur Welt, die in die Fußstapfen ihrer schauspielernden Eltern treten sollte. Als Patin fungierte, wie schon der Name belegt, die Krumauer Herzogin höchstpersönlich. Wie sehr der Vater Anna Ernestinas auch vom Herzog geschätzt wurde, belegt ein bemerkenswertes Ereignis: am 7. April 1687 wird während eines Wienaufenthalts der „Hoff:Poët“ Gettner als „von Göttersberg“ mit einem ausführlich beschriebenen Wappen in den Adelsstand erhoben - auch hierzu ermächtigte den Krumauer Herzog das ererbte Palatinat. Die näheren Umstände für dieses Zeugnis außergewöhnlicher Wertschätzung sind nicht bekannt; der Adelsbrief hebt „nebst seinen Vollbrachte[n] Studiis“ vor allem „die Ehrbahrkheit, Redlichkheit, aufrichtig[en] Wandel, Adeliche guette Sitte[n], Tugendt und Vernunfft“ des Nobilitierten hervor, erwähnt, dass er für seine emsige Gelehrsamkeit ja bereits den Dichterlorbeer besitze, jahrelang treue Dienste geleistet und zudem versprochen habe, dies auch fürderhin zu tun. Offenbar wollte Johann Christian von Eggenberg seinen getreuen Hofdichter, dem er als Symbol seiner Kunst einen einhörnigen Pegasus ins Wappenschild setzen ließ, noch enger an das Krumauer Theater binden.
Dieses war im Jahr zuvor endgültig vom Hirschensaal in ein von Giovanni Maria Spinetta und Jacopo Maggi neu errichtetes Gebäude im fünften Schlosshof verlagert worden. Lange allerdings wurde dieses Theater mit dem großzügigen Bühnenraum nicht vom hofeigenen Ensemble bespielt. Denn den Schauspielern wurden in den folgenden Jahren immer öfter längere Aufenthalte außerhalb Krumaus bewilligt, um dort ihrem Lebensunterhalt nachzukommen, so etwa suchen sie im März 1690 um eine Spielerlaubnis in Prag an. Zur Fastenzeit 1691 ist die Truppe wieder in Krumau versammelt – ein letztes Mal im Angestelltenverhältnis. Sei es, dass der Fürst aufgrund seiner Ernennung zum ‚Wirklichen Kaiserlichen Rat’ im selben Jahr nicht mehr Zeit und Interesse genug für eine eigene Schauspieltruppe aufbringen konnte, sei es, dass die Vorliebe des Wiener Hofs für italienische Schauspielkunst deutsches Haustheater nicht mehr à la mode erscheinen ließ oder waren die Schauspieler selbst nicht mehr zufrieden mit ihrer Anstellung: Mit den beiden Empfehlungsschreiben vom 3. April 1691 für Gettner und Samenheimer findet das z.T. 16-jährige Dienstverhältnis der Hofkomödiantentruppe wohl sein faktisches Ende; zugleich deutet sich in der doppelten Vergabe eine zumindest zeitweilige Teilung der Truppe an (wie sie wohl auch schon in den Jahren zuvor praktiziert worden war). Gettner, der laut Referenz „in die Sechzehen Jahr vor einen Comoedianten undt Hoff Poëten, auch vorhero in Cantzley-Diensten“ am Herzogshof tätig gewesen ist, wird am 26. Juni 1691 offiziell aus dem Dienst entlassen; er erhält noch eine Abfindung von 50 Gulden, ab Juli fehlen dann Ausgaben für Schauspieler und Theatralia in den Eggenbergischen Rechnungsbüchern – mit einer wesentlichen Ausnahme: der ‚Komödienbauer’ Petzold, dessen Komik offensichtlich weiterhin den Zuspruch des Krumauer Herzogs findet, wird auch nach der Entlassung der Hofschauspieler (die sich weiterhin bei ihren Auftritten ‚Fürstlich-Eggenbergische Hofcomoedianten’ nennen dürfen) bis zu Johann Christian von Eggenbergs Tod 1710 unterstützt.
Die Truppe scheint sich zunächst nach Salzburg gewandt zu haben, wo Samenheimer als Prinzipal Ende August um eine Spielbewilligung ansucht. Im folgenden Jahr finden sich die Eggenberger in Wien, wo ihren „Comoedien in teutscher Sprache“ allerdings die italienischen Produktionen des Arzt-Komödianten Giovanni Danese-Tabarino vorgezogen werden; erst im August bewilligt ihnen der Kaiser bis Michaeli, also Ende September, zu „representiren“. Ab 10. Oktober hat Andreas Elenson die Spielerlaubnis und es scheint, dass gegen Ende des Jahres sich beide deutschen Truppen aus ökonomischen Erwägungen vereinen; immerhin kennt man sich bereits aus der Frühzeit des Krumauer Hoftheaters. In Wien freilich gibt es zunächst keine Möglichkeit, aufzutreten – 1693 ist hier nach dem Tod der Kurfürstin von Bayern, Maria Antonia, ein Trauerjahr. Die Norma-Zeit verbringt die ‚vereinigte Wiener Kompanie’ anscheinend in Prag, wo sie nicht allzu erfolgreich bis Mitte November im ‚Alten Gericht’ spielt, dann aber keine weitere Spielerlaubnis erhält. Um überhaupt weiterreisen zu können, ist eine Weisung der um Hilfe gebetenen Krainer Landschaft an den „General Einnember“ nötig, „daß er dem Fürstlich Eggenbergischen Commedianten zu Prag, Johan Georg Gettner, zu sein, und seiner Compagnia herein raiß, Fünf und Sibenzig Gulden ambtswehrung Per wexl alhie nach Prag übermachen lasse“. Möglicherweise zieht Gettner mit einem Teil der Truppe nach Laibach und vereint sich erst später wieder in Wien mit den „Teutschen Comoedianten“ Samenheimers und Elensons, die im Frühjahr die kaiserliche Bewilligung erhalten, im Mai und Juni 1694 „mit Producir- und Exhibirung deren Comoedien ihren Nuzen und Fromben zu suechen“. Wie ein (positiv beschiedenes) Spielgesuch Gettners an den Augsburger Stadtrat vom April 1695 belegt, ist die Truppe im selben Jahr bereits in Graz, Laibach und Salzburg aufgetreten. In Augsburg, wo diese von Innsbruck kommend im Juni eintrifft, führt ihre erfolgreiche Tätigkeit im ‚Almosenstadel’ zu Querelen mit den hiesigen Meistersingern, die die Spieltage zu Wochenbeginn für sich beanspruchen, und der Truppe unter Elenson, die, mittlerweile wieder getrennt, in Konkurrenz steht zu den Eggenbergern. Ende September wird „Getner et Consortes“ auf Druck der Meistersinger eine weitere Spielerlaubnis verweigert. Im Frühling des nächsten Jahres sind sie zunächst in Ansbach, im Juni wieder in Augsburg, nachdem sie in Nürnberg monatelang hingehalten wurden und letztendlich doch nicht spielen durften. Dann ziehen die Eggenbergischen Komödianten Richtung Schweiz, machen in Memmingen, Lindau und St. Gallen Station, werden im calvinistischen Zürich abgewiesen und erhalten schließlich in Basel am 11. November (nach dem alten Kalender) für drei Wochen eine Spielgenehmigung.
Nach durchaus erfolgreichen Vorstellungen, denen auch der Baden-Durlacher Markgraf Friedrich VII. Magnus regelmäßig beiwohnt, kommt es am 24. November zu einem tragischen Unfall. Die Eggenberger hatten – so der Chronist Samuel von Brunn – „den Doctorem Faustum, den Teufelskünstler“ auf die Bühne gebracht und der „Harlequin“ der Truppe war nach der Vorstellung in das Zunfthaus der Weber zu einem Umtrunk geladen worden. Als „dieser wohl bezecht heym gehen, und die treppen hinunder steigen wollte, thate er einen Misßtritt und fiel häuptlingen hinunder auf den Kopf, daß er biß auf die hirnschalen pleßirt worden, dieser ward in sein Logement getragen, verbunden, und in sein Bett gelegt, aber mornderist thot gefunden.“ Und grimmig moralisierend fügt der Chronist hinzu: „hierauß ist zu merken, daß sich nicht schimpfen lasse so gottlose Comoedien zu spielen“. Eine gerechte Strafe Gottes also für den sündigen Theatermann. Ein weiterer Kommentator des Geschehens, Daniel Scherer, schildert in seiner Stadtchronik denselben, offensichtlich Aufsehen erregenden Vorfall, im Detail etwas abweichend, teils auch genauer:
Im Monath Novembris haben Commödianten teutscher Nation von ohngefehr 10 Persohnen im Ballenhauß ein Theatrum aufrichten lassen, davon dero so genanter Bickelhäring dienstags, den 24. dito Nachts um 11 Uhren von der Webern Zunft [...] trunckener nach seinem Losament gehen wolte, ohnversehens die Stegen herabgefallen, arm und Beyn zerbrochen und die Zunge dergestalt verletzt, daß er kein Wort mehr reden kennen; und weil er auch die Hirnschale zerfallen, ist er den 26. dito darüber gestorben, und weil er Pabist war zu Allschweiler begraben worden.
Tatsächlich findet sich in den Allschwiler Totenmatriken für den 7. Dezember 1696 (gregorianisch gerechnet) ein Eintrag, der die Identität des zu Basel verstorbenen und hierorts katholisch bestatteten Pickelhärings lüftet: Es handelt sich um Gettner.
Das letzte Geleit gaben ihm vermutlich seine Schauspielkollegen, ehe sie eine Woche später wieder weiterzogen. Freiburg ist ihre nächste Station, dann aber verlieren sich die Spuren der Eggenbergischen Komödianten. Es scheint, dass sich die ehedem ansehnliche Truppe bald nach dem Tod Gettners getrennt hat; zumindest finden sich der zweite Prinzipal Samenheimer, dessen Frau und Gettners vierzehnjährige Tochter 1698 in der Stuttgarter Hofkomödiantentruppe Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg, die dieser sich bis Februar 1699 unter der Prinzipalschaft Jakob Kuhlmanns hielt. Die früh zur Waise gewordene Anna Ernestine Gettner freilich hielt die Familientradition aufrecht: mit dem aus Hamburg stammenden Dr. jur. Heinrich Rademin heiratete sie einen der (noch zu wenig bekannten) Gründungsväter des Wiener Theaters.
Christian Neuhuber, Graz