Ludwig Winder: Hugo. Tragödie eines Knaben


Jahr der Publikation
1924
Verlag
Rikola Verlag
Publikationsort
Wien, Leipzig, München
Gattung
Roman, Kürzere Prosa (Novelle, Erzählung usw.)
Bibliographische Daten
Hugo. Tragödie eines Knaben. Rikola Verlag, Wien, Leipzig, München 1924.
Art der Veröffentlichung
Separate Veröffentlichung

Das Buch von Ludwig Winder Hugo. Tragödie eines Knaben erschien im Jahr 1924 und besteht aus drei Teilen bzw. aus drei Erzählungen. Der erste Teil heißt Turnlehrer Pravda, die zweite Erzählung trägt den Titel Frau König und der dritte Teil ist Das Haus Szell genannt. Alle drei Erzählungen schildern die Jugendjahre des jüdischen Knaben Hugo Bandler. Sein nicht wirklich schönes Aussehen und seine jüdische Abstammung verursachen, dass er sich in der Gesellschaft minderwertig fühlt. Ludwig Winder entwickelte in diesen Erzählungen wieder seine – bereits im vorangehenden Buch Die Jüdische Orgel – angestimmte Thematik des hässlichen Menschen. Das Werk gehört noch zu der Epoche des Expressionismus. Es kommen hier Themen wie Homosexualität, Selbsthass, Vater-Sohn-Konflikt und die Suche nach einer anderen, neuen Identität vor.

Die erste Erzählung beginnt in dem Moment, in dem der jüdische Knabe Hugo elf Jahre alt ist. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung wird er nicht nur von seinen tschechischen Mitschülern ausgestoßen, sondern auch von dem Turnlehrer Pravda, der Hugo überhaupt nicht wahrnimmt. Hugo verträgt diese Situation schlecht. Er fühlt sich hässlich und ungeliebt. Dass der Lehrer den drei anderen Mitschülern große Aufmerksamkeit widmet, macht ihn noch trauriger. Zwei von diesen Knaben sind der blonde, hübsche Pytlik und der große Bauernsohn Havlas.  Wenn der erste Turnunterricht anfängt, fordert der Lehrer Pravda von den Schülern einen Turnanzug. Diejenigen, die sich den Turnanzug nicht leisten können, bekommen einen kostenlos. Dies betrifft jedoch nicht Hugo und den Schüler Hanak. Die beiden gelten als Außenseiter. Hugo kann diese Schande nicht ertragen und bittet seine Eltern um einen Turnanzug. Er glaubt, dass er dank der angepassten Kleidung von den Schülern und vom Lehrer wahrgenommen wird. Der Anzug hilft ihm jedoch nicht, da der Lehrer auf Hugos schmutzigen Hals aufmerksam macht. Hugo ist wütend und beginnt den Lehrer zu verfolgen. Dabei bemerkt er, dass die drei vorher erwähnten Schüler den Lehrer jeden Abend besuchen. Hugos Wut und Enttäuschung werden immer größer. Er beginnt den Turnlehrer und die Mitschüler zu verfolgen. Da er sehr neugierig ist und wissen will, wie der Besuch der Knaben bei dem Lehrer verläuft, macht er ein Loch in den Vorhang. Infolgedessen erfährt er, dass die Knaben vor dem Lehrer nackt stehen. Anschließend erzählt er dem Lehrer alles und sagt ihm, dass er die Wahrheit kennt. Der Lehrer verlässt deswegen die Stadt.  

Die zweite Erzählung geschieht ein paar Jahre später. Hugo ist gerade sechzehn Jahre alt, wenn er in die Stadt B. umzieht, in der er anfängt, das Gymnasium zu besuchen. Seine Mutter sucht ihm bei der Witwe Rosa König eine billige Unterkunft. Frau König ist nicht viel älter als er. Hugo wohnt mit dem Realschüler Heß in einem Zimmer zusammen und findet ihn unsympathisch und arrogant. Frau König behandelt Heß trotz seines schlechten Charakters wie einen Prinzen. Hugo bemerkt bald, dass Frau König in Heß sehr verliebt ist. Sie lässt sich von ihm alles gefallen und macht alles, was er wünscht. Hugo beginnt eifersüchtig zu sein, wobei er sich vornimmt, Frau König mehr Beachtung zu schenken. Sein Bemühen weckt in ihr allerdings kein Interesse. Sie ist weiterhin nur in Heß verliebt. Eines Tages fällt Frau König in Ohnmacht. Hugo kümmert sich mit großer Liebe um sie. Eines Nachts legt sie sich aber ins Bett von Heß. Hugos Verzweiflung ist groß. Aus diesem Grund packt er seinen Koffer und verlässt morgens um sechs Uhr unbemerkt das Haus.

In der letzten Erzählung findet Hugo die Unterkunft bei einem Vorstandsmitglied des Freitischvereins, Herrn Szell. Hier fühlt er sich zuerst sehr wohl. Herr und Frau Szell führen ein harmonisches Leben und nehmen den verstörten Hugo bei sich auf. Im Haus wohnen noch zwei weitere junge Männer, Braß und Kittel. Später beginnt Hugo Frau Szell und den Schüler Braß zu verdächtigen, ein Verhältnis zu haben. Dabei erinnert er sich an Heß und Frau König und wird immer verstörter und abweisender. Frau Szell, die sich mütterlich um ihn kümmert, meidet er. Er hat vor Frau Szell Angst und fühlt sich wieder verraten. Er leistet lieber Herrn Szell Gesellschaft. In einer Nacht hört er jedoch das Rauschen von Röcken auf dem Korridor. Er kann nicht mehr schlafen, wobei er immer blasser und kränker wird. Als er eines Nachts das Rauschen wieder hört, sieht er Herrn Szell in einer leidenschaftlichen Umarmung mit dem Dienstmädchen Paula. Daraufhin verachtet er auch Herrn Szell. Eines Abends, als Herr und Frau Szell auf einem Ball sind, holen Kittel und Braß Hugo zum Kartenspielen und Champagnertrinken zu sich. Auch Paula ist anwesend und Hugo erfährt, dass sie und Braß ein Verhältnis haben. Hugo bleibt nur noch Kittel übrig. Er sucht seine Freundschaft, wird aber von ihm abgelehnt. Seine Bestürzung treibt ihn hinaus in die kalte Winternacht, wo er von den Szells gefunden wird. Frau Szell will ihm helfen, doch für Hugo verschwimmt sie zu einem Schlammkoloss, einem Berg aus Schlamm. 

(Marie Chudějová, Studentin)

 

Neuauflage im Igel-Verlag Literatur, Paderborn, 1995 darin u. a. die Erstdrucke: Legende vom häßlichen Menschen, Der große Nachbar, Die Befreiung, Die Betrogenen, Der Vater, Fritta, Die Bibliothek, Der Genesene, Abschied, Walter Patrick Lee, Alois Soukup, Jaroslav Vlach.

Mit einem Anhang hrsg. von Dieter Sudhoff