Der Facharzt, Regierungsrat, Dichter und Zeichner Carl Bayer wurde am 7. Juni 1854 in Polná als Sohn des jüdischen k.k. Notars Carl Bayer geboren. Nach dem Abitur am Gymnasium in Deutsch Brod ging er nach Prag, um an der dortigen Universität Medizin zu studieren. 1879 promovierte er zum Doktor. Nach dem Studium blieb er in Prag, wohnte am Wenzelsplatz 17 (Kürschner, 1909) und arbeitete als Demonstrator am dortigen pathologisch-anatomischen Institut. In den Jahren 1879-1887 wurde er Assistent an der chirurgischen Klinik und unternahm eine mehrmonatige Studienreise, während der er medizinische Erfahrungen an ausländischen Kliniken sammelte. Im Jahre 1886 verteidigte er seine Habilitation an der Prager Universität und wurde 1892 zum ordentlichen Professor für Chirurgie ernannt. Bayer war in der Chirurgie ein anerkannter Fachmann, wobei sein Spezialgebiet die Regeneration der Lymphdrüsen war (Er gilt als Erfinder des Z-Schnittes und des Verfahrens zur Verlängerung verkürzter Sehnen.) und beteiligte sich an der Leitung mehrerer medizinischer Einrichtungen. Von 1887 bis 1918 war er Vorstand der chirurgischen Abteilung des deutschen Kinderspitals in Prag und in den Jahren 1892-1929 war er Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Spitals der Barmherzigen Brüder in Prag. Gleichzeitig führte er in Prag bis 1929 eine Privatpraxis und leitete mehrere Jahre bis 1918 das von ihm im Jahre 1906 mitbegründete Sanatorium des Roten Kreuzes in der Korngasse. Bayer gab über 130 wissenschaftliche Publikationen, darunter zwei Lehrbücher über Chirurgie, heraus und war korrespondierendes Mitglied der Societé de Chirurgie Paris.
Carl Bayer war in seiner Zeit auch ein erfolgreicher Schriftsteller. Er schrieb vor allem Gedichte und kurze Dramenstücke. Es ist belegbar, dass er am 27.11.1907 in Prag sogar eine Vorlesung mit seinen eigenen Dichtungen im Klub deutscher Künstlerinnen hielt. 1871 erschien in Wien seine Posse in drei Akten und einem Vorspiel mit dem Titel Drei Paar Stiefel, das „in Pest mit großem Erfolg 14 Mal en suite aufgeführt“ wurde, wie es in der Einführung zu der gedruckten Fassung heißt.
Mühlberger (S.148) reiht Bayer im Kapitel über die Neuromantik in seiner Darstellung „Die Dichtung der Sudetendeutschen in den letzten 50 Jahren“ neben Otto Berger oder Adolf Bondi zum Böhmischen Kreis und äußert sich folgendermaßen zu seinen Werken: „Einige Sammlungen haben die Fülle einigermaßen zusammen zu halten versucht […].“ (Mühlberger)
In der Gedichtsammlung Bunte Blumen mit dem Untertitel Neue Gedichte, die 1904 in Berlin herausgegeben wurde, sind lyrische und epische Gedichte enthalten, die aus der ärztlichen Praxis stammende oder der Natur entnommene Themen und Motive bearbeiten. Bayer wendet sich in einem pathetischen Ton an den Leser oder an eine fiktive, oft mythologische Figur; wichtig sind für ihn Werte wie Natur, Glaube, Treue, Liebe und Heimat. Er benutzt viele Fremdwörter und stark symbolhafte Begriffe, was der Behauptung Mühlbergers entsprechen würde, Bayer sei ein Neuromantiker. „Der Dichtung Bayers fehlt gänzlich der dramatische Pulsschlag, es ist eine lose Reihe von Bildern, [...].“ (Neubauer, Karl in: Deutsche Arbeit, 1904/05) Karl Neubauer bezeichnete in seiner Rezension der Bunten Blumen in der „Deutschen Arbeit“ „die besten Stücke der Sammlung“ als „ein paar einfache volksliedartige Weisen“, die oft in „betrübende Banalitäten“ umschlagen. Die Formenwahl ist sehr verschieden, Bayer bedient sich der Form des Sonetts, andere Gedichte sind in freien Rhythmen geschrieben. In der Sammlung erscheinen öfters Balladen mit einem sich in jeder Strophe wiederholenden Refrain, die manchmal auch ironisch oder sogar stark satirisch sind. Das Ende der Sammlung bildet ein dramatisches Epos in Versen, Urias Fluch, eine aus der Bibel entnommene und bearbeitete Geschichte, die an manchen Stellen den Reim und jegliche epische Handlung verliert. „Es [Der Fluch Urias] entspricht dem Inhalte nach den letzten Akten von Meißners heute fast vergessenem Trauerspiele ´Das Weib des Urias´, [...].“ (Neubauer) Die Themen, deren sich Bayer in seinen Dichtungen bedient, sind meistens und fast ausschließlich Liebe, Sehnsucht und verschieden variierter Tod, der aber gleichzeitig Hoffnung bedeutet. Er nimmt auch zu politischen Ereignissen, besonders zu Kriegskonflikten, Stellung. Deutlich findet sich bei ihm auch die Verbindung seiner Tätigkeit mit dem Christentum, da ihm die Dichtung als Heilmittel erscheint. Oft benutzt Bayer bildhafte Metaphern und Motive aus der griechischen und christlichen Mythologie.
Die Gedichtsammlung Wege des Lebens ist die nächste Gedichtsammlung, die 1910 in Prag erschienen ist. Die Melodie spielt hier die wichtigste Rolle. In der „Deutschen Arbeit“ wurde 1909 eine Rezension auf diese Sammlung abgedruckt, die mit den Initialen H.A.S. unterschrieben ist, die den Band als „ein Echo der Minnesängerweisen“ „voll unmittelbaren Naturempfindens“ bezeichnet. Die Aussage des Rezensenten, dass die Gedichte „mit einer innigen Heimatliebe vereint“ seien, entspricht der damaligen positiven Kritik. Bayer war aber nie ein Dichter im nationalen Sinne; seine Liebe zur Heimat weist auch nie chauvinistische Töne auf.
Eine ähnliche Einstellung findet sich auch in der Sammlung Stillbesonnt, erschienen 1912 in Prag, die genauso positiv aufgenommen wurde: „[...] die Basis seiner Gedichte ist eine ernste Menschlichkeit.“ (H.A.S. in: Deutsche Arbeit, 1911/12, S. 455) In der privatgedruckten Einkehr von 1914 überwiegt dagegen Didaktik und Hymnik. (August Sauer in: Deutsche Arbeit IX, 717; XI, 455; XIII, 717) Die Sammlung wurde Christian Freiherrn von Ehrenfels zugeeignet.
1916 wurde bei dem k. und k. Hof- und Universitätsbuchhändler Robert Lerche in Prag das Buch Klang der Zeit. Gedichte herausgegeben. Diesmal konzentriert sich Bayer auf Reisesonette und Balladen, die er im Rahmen einer Vorlesungsreihe im Frauenhilfsverein des Roten Kreuzes in Böhmen vorgetragen hatte. Deshalb findet man auch auf der ersten Seite die Widmung: „Ihrer Durchlaucht Frau Fürstin Ida Lobkowitz, Präsidentin des Frauenhilfsvereins vom Roten Kreuze in Böhmen“ und die Anmerkung, dass der Ertrag für das Buch diesem Verein zufallen sollte. Diese Sammlung ist in drei Abteilungen aufgeteilt: Aus dem Schwertes Zeichen sind schon einige Gedichte früher in den „Katholischen Schulblättern“, im „Prager Tagblatt“ und in der „Sammlung gemeinnütziger Vorträge“ erschienen. Es folgen weiter die Adriasonette, die während des Osteraufenthaltes an der Adria 1914 entstanden und im Märzheft 1915 der „Katholischen Schulblätter“ erschienen sind. Den dritten Teil bilden schließlich die Balladen. Die Gedichte sind voll Trauer, thematisieren den Krieg, aber gleichzeitig die Hoffnung auf eine kriegslose Zukunft. Es werden Motive aus der Bibel aufgegriffen, hauptsächlich aus der Offenbarung Johannes´ und aus den Volksmärchen.
Im Vorwort zu der Ausgabe Eine Auswahl seiner Gedichte aus dem Jahr 1924 spricht der Literaturhistoriker August Sauer Bayer Los aus und nennt ihn einen „ernstre[n] und düstre[n] Vorläufer von Widmanns ´Maikäferkomödie´“. Er beschreibt Bayers Gedichtsammlung als „noch stiller [als alle vorherigen Sammlungen], noch idyllischer, noch erinnerungs- und traumumsponnener, noch resignierter“. Am Schluss dieser Sammlung steht ein Epilog über Bayers beruflichen Werdegang von Prof. Dr. Carl Springer, einem Schüler Bayers, der seinem Lehrer eine tiefe Religiosität zuschreibt: „Ein Pfeiler seines Charakters ist seine tiefe Religiosität, Bayer ist gläubiger Katholik, der auch die äußeren Formen des Ritus streng beobachtet.“ Dies ist auch in seinem ganzen Werk deutlich.
In der Sammlung Wendekreise. Horazsche Sonette. Letzte Mahd aus dem Jahr 1925, die in drei Abschnitte unterteilt ist, kommen meistens Gedichte ohne Titel vor. Der erste Teil nennt sich Wendekreise und stellt einen Versuch mit Gedichten mit „vorn gereimten Versen“ dar (eine Art gereimter Anapher), von denen einige schon früher im „Prager Tagblatt“ erschienen sind. Der zweite Teil Horazsche Sonette wurden dem Andenken Bayers Freundes, Eugen Holzner gewidmet. Zur Gestaltung äußert sich der Autor im Vorwort: „Zu diesen Sonetten hatte mich das dazu geschaffene Versmaß außer dem für unsere Zeit sehr aktuellen Inhalt einzelner Strophen der Übersetzung Horazscher Oden von Hermann Fleischer bewogen.“ In diesen Teil wurden auch einige Strophen aus Fleischers Übersetzung übernommen. Der letzte Teil trägt den Titel Letzte Mahd. Aus Bayers dramatischen Schaffen ist das Dramolett Abisag (König Davids Tod) zu nennen, das nach einem Motiv Vrchlickýs erarbeitet sein soll. Abisag ist ein Teil der in Berlin erschienen Sammlung Gedichte (1902). (Petra Knápková)
Aufsätze und Beiträge in Zeitungen/Zeitschriften:
Gedichte (Das kranke Kind, Willkommen!, Apriltag). In: Deutsche Arbeit (1901/02), S. 965-966.
Juninacht. In: Deutsche Arbeit (1902/03), S. 739.
Auf meinen Gängen. In: Deutsche Arbeit (1902/03), S. 464.
Lenzerbarmen. In: Deutsche Arbeit (1902/03), S. 464.
Frühlingsbraut. In: Deutsche Arbeit (1902/03), S. 465.
Ein Rosenkranz (Morgenröte, Düstre Gluten, Der Tugendpreis, Duft) [Gedichte]. In: Deutsche Arbeit (1904/05), S. 726.
Bei Mantua... In: Deutsche Arbeit (1905/06), S. 414.
Durch die Blume. In: Prager Tagblatt (1907), Nr. 269.
Treppenförmige Osteotomie des Trochanter major bei winkeliger Toxankylose. In: Prager Medizinischer Wochenschrift (1907), Nr. 43.
Konrad – Der Zweifler. In: Bohemia (1907), Nr. 356.
Die Mutter. In: Deutsche Arbeit (1907/08), S. 49.
Anhaltender Schmerz als Indikation zur Freudschen Rippenknorpelreflexion. In: Prager Med. Wochenschrift (1908), Nr. 7-11.
Aphorismen zur Kinderchirurgie. In: Zentralblatt für Kinderheilkunde XIII, 1 (1908), Nr. 2.
Ein Waldmärchen. In: Bohemia (1908), Nr. 11.
Ein Konzert. Der Frühling kommt. In: 25 Jahre deutscher Arbeit. Frühlingsheft der deutschen Vereine Prags. Deutsches Kasino. Festschrift (30. und 31.5.1908).
Souvenir. In: Deutsche Arbeit (1908/09), S. 49.
Der Vivisektor. In: Deutsche Arbeit (1908/09), S. 506.
[Rez.] In: Die schöne Literatur, Beilage zur Jahresernte (1927), S. 120, 275, 469, 560.
[Rez.] In: Die schöne Literatur, Beilage zur Jahresernte (1928), S. 43, 45, 201, 590.