Eduard Kaan


Unvollendet
Pseudonym
Eduard Dorn
Geburtsdaten
30.08.1826
Iglau
Sterbedaten
14.07.1908
Wien

Ob Eduard Dorn (eigentlich Eduard Kaan) ein Mährer war oder nicht, ist nicht hundertprozentig festzustellen, denn in den Iglauer Matriken ist seine Familie nicht auffindbar. Die meisten zur Verfügung stehenden Quellen zu seiner Bio- und Bibliographie führen meistens als Geburtsort Wien an (Kosch, DBE, Czeike, Eisenberg: Wien, Brümmer, Kürschner), das „Handbuch österreichischer Autoren und Autorinnen jüdischer Herkunft“ und „Biographia Judaica“ von Renate Heuer führen Iglau an. Leider gibt es auch keine Eintragungen über seinen Aufenthalt oder den Aufenthalt seiner Eltern in Iglau. (Státní okresní archiv, Jihlava)

Aus denselben Gründen bleibt auch die Lebenszeit Dorns bis 1846 schleierhaft, bis er als Schauspieler am Theater in der Josefstadt in Wien debütierte. Er wurde jedenfalls am 30. August 1826 als Sohn eines Kaufmanns geboren und taucht in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts in Wien auf. Bis 1866 trat Dorn an verschiedenen bedeutenden Bühnen auf, wie z.B. 1851/52 am Burgtheater, wo er Darsteller von jugendlichen Liebhabern und Helden war und wo er zu seinem Benefiz in eigener Posse Ein Bräutigam aus der Hölle spielte, oder drei Jahre am Hofburgtheater, weiter aber auch in Deutschland (1864-66). 1867 ließ er sich als Schriftsteller in Wien nieder, wurde künstlerischer Leiter des Josefstädter Theaters und trat als Schauspieler nicht mehr auf.

Dorn wechselte mehrmals innerhalb Wiens den Wohnort: 1876: Kirchengasse 10, Wien, Neubau; 1893: Lindengasse 17, Wien VII.; zuletzt: Gumpendorfer Straße Nr. 94, Wien VI. Er starb am 14. Juli 1908 und wurde auf dem Hietzinger Friedhof begraben.

Eduard Dorn war ein großer Förderer des Wiener Volksstücks (Czeike) in der Tradition Johannes Nestroys und Ferdinand Raimunds und verfasste selber zahlreiche Schauspiele und Volksstücke. Außerdem brachte er insbesondere die Werke Anzengrubers zur Aufführung, wie z.B. 1879 das Schauspiel „Ein Faustschlag“, das „als eines der ersten Stücke in Österreich den Kampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ (Kosch: Deutsches Theaterlexikon) behandelt, und regte Anzengruber zur Abfassung des Volksstücks „Das vierte Gebot“ an, das nach Dorns intensiven Bemühungen, nach umfangreichem Briefwechsel mit dem Zensurinstitut und nach zahlreichen Streichungen doch am 29. Dezember 1877 unter dem Titel „Das Volksstück“ uraufgeführt werden konnte. Nach der damaligen Kritik erreichte das Stück keinen großen Erfolg; darauf musste es bis 1890 warten, als es erneut im Volkstheater inszeniert wurde. Dorn hat auch das englische Sensationsdrama Ein dunkles Geheimnis für die deutsche Bühne bearbeitet. (Eisenberg/Groner)

In seinen eigenen Lokalstücken, die er ausnahmslos unter dem Pseudonym Eduard Dorn publizierte, „die sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreuten“ (Killy) und von denen einige nahezu 100 Aufführungen erreichten, zeigte er „wenngleich in überdeutlicher Schwarzweißzeichnung, [...] echte Sympathien für die ursprünglich Wiener Art, brachte Redlichkeit, Arbeitsamkeit des einfachen Menschen aus dem Volk in stets erneuter Darstellung und bejahte die wahre ´Ordnung, die aus einem guten Herzen kommt´.“ (ÖBL)

Den ersten durchgreifenden Erfolg errang er mit dem vom Kapellmeister Franz Roth vertonten Stück Börse und Arbeit, ein satyrisches Original-Zeitbild mit Gesang in 6 Bildern, welches 1868 in ununterbrochener Reihenfolge an 73 Abenden in dem Josefstädter Theater aufgeführt wurde. (Brümmer) Nachdem das Josefstädter Theater renoviert wurde, eröffnete es der damalige Direktor, Johann Fürst, am 30. September 1871 eben auch mit einem Volksstück von Dorn, dem Achtundvierziger. Das Volkstück war für Fürst ein bevorzugtes Genre, wovon die Verträge mit den Verfassern wie Kaiser, Mirani, Gottsleben, Bittner, Elmar, Costa, Bayer oder Stix zeugen, zu denen schließlich auch Dorn gehörte. Diesen schätzte der Direktor besonders, weil er ihm am 30. Dezember 1873 anlässlich der 50. Aufführung seines Stückes Rosza Sandor, eines Charakterbildes aus dem ungarischen Räuberleben in 4 Abteilungen und 8 Bildern, mit Gesang und Tanz und mit Musik von Carl Kleiber (hrsg. im Verlag Franz Kratz Wien 1873), das schon bei der 20. Aufführung 21 000 Gulden einbrachte, „einen wertvollen Brillantring“ (Bauer, S. 124) schenkte. Auch Vater Radetzky (1874) wurde erfolgreich 29mal aufgeführt, Das letzte Aufgebot (1875) 30mal und Nach Philadelphia (1876) 33mal. (Bauer, S. 124)

Dorn war bis 1876 der künstlerischer Leiter des Josefstädter Theaters. Aber als in der Saison 1876/77 die finanzielle Situation „nicht zufriedenstellend“ war, verließ der Direktor und Regisseur Fürst das Theater. Am 16. August 1877 übernahm das Theater der Ehemann der Besitzerin, Anton Perl, und weil er und seine Frau wohlhabende Händler waren, „schienen die finanziellen Grundlagen für das Theater sehr günstig“ zu sein. (Bauer, S. 125) Mit der Führung hatte er aber keine Erfahrungen und deshalb überließ er sie „dem sehr tüchtigen Regisseur Eduard Dorn“. „Dorn stellte den Spielplan klug zusammen, und solange er am Theater wirkte, waren die Ergebnisse recht gut.“ (Bauer, S. 125) Zwischen Perl und Dorn kam es aber bald „zu so ernsten Zerwürfnissen, dass sich Dorn veranlasst sah, das Feld zu räumen und seine Stellung aufzugeben“ (Bauer, S. 127), wonach die künstlerischen Leistungen des Theaters zurückgingen.

Einige Stücke Dorns erschienen im Selbstverlag, einige wurden in der Reihe Neues Wiener Theater oder Wiener Theater-Repertoir herausgegeben. Das Festspiel Für Kaiser und Vaterland!, das in Wien 1892 erschien, wurde zur Feier der Enthüllung des Radetzky-Monumentes in Wien herausgegeben und behandelt die Zeitspanne vom 12.3.1849, dem Vorabend der Schlacht bei Novara, durch die der Feldmarschall Radetzky in seinem 83. Lebensjahr Sardinien eroberte, bis zur Vermählung des Kaisers Franz Josef II. am 24.4.1854. Dorn schildert Radetzky als einen verdienstvollen, ehrenhaften und von seinen Soldaten für seine Menschlichkeit geliebten General einerseits, und als einen treuen und ergebenen Diener des Kaisers andererseits. „[...] dann werdet Ihr – ich bin es überzeugt – die Rechte Eures Kaisers und Eures Vaterlandes, sowie die Ehre Eurer Waffen bis in den Tod beschützen!“ (Für Kaiser und Vaterland!, S. 22) Die Ehrung Radetzkys im zweiten Akt, die im Wiener Invalidenhaus stattfindet, wird höchst pathetisch mit musikalischer Begleitung durch die Volkshymne geschildert. Ansonsten weicht die technische Bearbeitung des Stoffes nicht von anderen Stücken Dorns ab. Hans Wiener und Sohn oder Millionenschwindel ist ein Original-Zeitbild mit Gesang. Es ist in 3 Akte und 6 Bilder gegliedert und die Musik erarbeitete der Kapellmeister Carl Millöcker. Wie viele andere Publikationen Dorns ist auch dieses im Verlag von Franz Kratz erschienen, der in demselben Gebäude siedelte wie das Josefstädter Theater. In einem Dörfchen im Hochgebirgstal der Wildalpen Steiermarks spielt das Stück Der Wurzelgräber von Wildalpen, eine Bauernposse mit Gesang in einem Aufzuge. Veilchendame, das als ein Volksstück mit Gesang bezeichnet wird und zu dem wieder Millöcker Musik schrieb, erschien im Verlag von Franz Kratz in Wien 1871. Das letzte Aufgebot spielt in der Festung Mantua in Tirol in der Zeit vom 1809 bis 1810. Eine völlig unmotivierte Handlung weist das einaktige Genrebild Des Pfarrers Geburtstag auf, das der Autor 1892 im Selbstverlag in Wien erschienen ließ. Der gütige Pfarrer vom steirischen Dorf Johnsbach namens Gottlieb Werner feiert seinen 80. Geburtstag. Die ganze Geschichte beträgt diesen einen Tag, während dessen alle Dorfbewohner, seine Schulkinder eingeschlossen, gratulieren kommen. Der Pfarrer schafft inzwischen noch eine Liebesgeschichte zwischen seinem Schutzkind Gretel und ihrem geliebten Hanns zum Besten zu klären, wonach der Tag mit einer rührenden sentimentalen Glückwunschsszene endet.

In der Tradition Molières geht die Posse Eine Million! vor, die 1870 in dem Theater in der Josefstadt mit vielem Beifalle gegeben wurde. Billige komische Kunstgriffe wie betrunkene Personen oder ständige Verkleidung zur Verwirrung potentieller Heiratswerber, die schwarz-weiß gemalten nomen-omen-Figuren, unterstreichen nur die Oberflächlichkeit der Handlung, wobei aber natürlich der Zweck der Gattung eingehalten bleibt, nämlich zu unterhalten, wovon die hohe Besucherquote dieses und ähnlicher Lustspiele Dorns zeugt. Eine Million! bringt in einem Akt die Schauspielerin Adele und ihren Verlobten Felix auf die Bühne, die die Heiratskandidaten um Adeles Hand loswerden wollen, ob es der ältliche, lebenslustige Bonvivant Baron Zickwitz auf Prittwitz ist, der pedantische, steife und eitle Professor Marabou, der konservative Geizhals namens Pelzfuß oder endlich der zärtliche und zerbrechliche Jude Wolf-Bär-Lämmel. Das Testament, durch das Adele eine Million Gulden erben soll, besagt nämlich, dass es nur unter der Bedingung vollzogen werden kann, wenn Adele einen von den vier Freunden des Verfassers, Gottlieb Jakob Goldhand, heiraten wird. Durch schlaue Verkleidungsszenen schaffen es Adele und Felix, dass alle nacheinander auf die Erbschaft lieber verzichten.

Die satyrische Zeitposse Moderne Grasel, zu der der Kapellmeister Franz Roth Musik schrieb und die ebenfalls am Josefstädter Theater gespielt wurde, erschien 1876 in der Publikationsreihe „Wiener Theater-Repertoir“ als ihre 313. Lieferung. Die komplette Rollenbesetzung im Josefstädter Theater ist in diesem Druck angeführt. Bestehend aus 8 Bildern und ergänzt durch Gesang spielen die ersten 7 Bilder im Jahre 1873 und das letzte 3 Jahre später in Wien. Es geht um eine witzige spielerische Spekulations- und Betrugsgeschichte, in der sich die ehemalig bankrotierten Freunde, die modernen Grasel, bzw. eine Bande von derben, unehrlichen Menschen, Rabe, Humbug, Fuchs u.a. zusammentun, um ein „internationales Fruktifizirungs-Raten-Renten-Industrial-Agrikultur-Bank-Insitut“ zu eröffnen, um die Kunden ums Geld zu bringen. Das Spiel gelingt aber nicht, alle werden enttarnt und verhaftet. Nur der Frauenschwärmer Eduard Fuchs, der auch als ein Heiratsbetrüger ertappt wird, wird durch die Heirat mit der verwitweten, reichen aber rasanten und strengen Fleischselcherin Kunigunde Blunzerl bestraft. Bei ihm versuchen die anderen, nachdem sie nach einer 3jährigen Strafe aus dem Gefängnis entlassen werden, erneut ihr Glück, aber die Menschen sind inzwischen belehrt und gehen auf das Spiel nicht mehr ein. In diesem Stück, wie in allen anderen von Dorn, treten typisierte Charakter auf, Personen niederen Standes sprechen Dialekt, wobei es schon in den Regieanweisungen ausführliche Informationen über die Figuren gibt. Die böhmische Familie, die sich leicht ums Geld bringen lässt, wird dadurch charakterisiert, das sie zu viel trinkt und zu einer „politischen, freiheitlich gesinnten und stolzen Nation“ gehört; die schwäbische Köchin Vroni Reitlinger, die sich in Wien um eine Stelle bewirbt, ist dumm und geschwätzig, u.ä.m. Man kann bemerken, dass Dorn ohne Hintergrund von allgemeinen nationalen Klischees ausgeht, die oft Grund zum Streit zwischen den einzelnen Figuren wird; er stilisiert sie künstlich – oft nur durch die Sprache, ihre Ausdrucksweise und das Kostüm -, wie es in seiner Zeit üblich war, und bringt sie ins Spiel, nur um durch sie komische Effekte zu erzielen. Eine beliebte Figur, die fast in allen seiner Bühnenstücke vorkommt, ist der immer jammernde Jude, der aber ein listiger Geschäftsmann ist und dem Gelächter aller ausgeliefert ist. Für seinen Geschäftserfolg ist er bereit alles zu tun, Verrat zu verüben oder sogar unkoschere Würste zu essen und sie selber zu verkaufen.

Einige Stücke Dorns versuchen, Leben bekannter realer Persönlichkeiten zu schildern. So bedient er sich der Biographie von der legendenhaft gewordenen Gestalt des ungarischen Räubers Rosza Sandor. Das schon erwähnte Charakterbild, war ein enormer Hit, ein großer Bühnenerfolg, und vielleicht wählte Dorn deshalb eine weitere populäre Figur der österreichischen Geschichte. Der liberale ehrgeizige Offizier → Wenzel Fr. Cäsar Messenhauser (1812-1848), der in Proßnitz geboren wurde und Gedichte, kurze Prosawerke (Erzählungen, Märchen, Novellen) und auch Dramen schrieb, hatte freiheitliche Bestrebungen, begrüßte die Febraur-Revolution in Paris und trat für Freiheit des Wortes, Gleichberechtigung aller Völker der Monarchie, so auch der Juden, auf. Nach der Belagerung Wiens durch den Fürsten Windischgrätz wurde Messenhauser angeklagt, er habe die Kapitulation gebrochen, verurteilt und am 16. November 1848 in Wien standrechtlich erschossen. Sein Leben ist ein literarisch dankbarer Stoff; von den anderen Verarbeitungen sei beispielsweise das fünfaktige Drama von Fritz Telmann (Verlag der „Waage“: Wien 1904) oder der Wiener Roman von Karl Rosner mit dem Titel „Der deutsche Traum“ (2.-5. Auflage: J. Cotta´sche Buchhandlung Nachfolger: Stuttgart und Berlin 1916) erwähnt. (Kłanska in: Lexikon deutschmährischer Autoren) Dorns Volksdrama mit dem Titel Messenhauser ist in 8 Bilder geteilt und spielt in der Zeit vom 12.10.1848, Messenhausers Ernennung zum Oberbefehlshaber der gesamten Nationalgarden bis zu seiner Hinrichtung am 16.11.1848. Außer Messenhauser treten auch andere reale Persönlichkeiten auf, wie der General Josef Bem, Chef der Mobilgarde, aber auch viele fiktive Figuren. Messenhauer wird als ein gerechter und ehrenvoller Soldat, vernünftiger und menschlicher Befehlshaber und liebender Mann geschildert, der schon während der Belagerung Vorahnungen des bösen Endes ausspricht: „Mir ist, als stieg ich in mein Grab!“ (S. 33) Die letzte Szene, in der sich Messenhausers Verlobte Pauline von Lubomirsky nach der Hinrichtung auch das Leben nimmt, gibt dem ganzen Stück noch mehr an Tragik. Der Jude Moses Mandelkracher hat dieselbe Funktion wie in allen anderen Stücken Dorns, wird zur Zielscheibe von allen, zeigt sich aber am Schluss als ein pflichtbewusster und dankbarer Held und Patriot seines Landes. Im eigentlichen Sinne geht es um eine Funktionsfigur, an der nur gezeigt werden soll, dass Messenhauser auch ein Freund des jüdischen Volkes war.

Die biblische Legende über die Sintflut überarbeitete Dorn unter dem volksetymologisch umgedeuteten Titel Die Sündfluth, in dem sehr bunt und bildhaft die Beweggründe Gottes zur Weltüberschwemmung geschildert werden und der ausweglose ewige Kreis des Lebens thematisiert wird, wobei das Motiv des Brudermordes ausschlaggebend ist. Dieses dramatische Märchen in 15 Bildern, das 1876 in Wien in gedruckter Form erschien, wurde reichlich mit einer im Chor gesungenen Musik, Tänzen und zwischendurch auch mit sog. lebenden Tableaus ausgestattet. Die Konzeption der Vorstellung auf der Bühne rechnete nämlich mit notwendigen kurzen Pausen zwischen den jeweiligen Szenen, damit die Bühne umgebaut werden konnte, und ließ Zwischenvorhänge mit gemalten thematischen Bildern platzieren, die z.B. den Brudermord darstellten oder Noah´s Einzug in die Arche, dessen Verarbeitung durch ein Bildnis von G. Doré inspiriert wurde.

Die symbolhafte Handlung wird in das fiktive Jahr 1576 gesetzt. Sie weist ein umfangreiches Personal auf, das in zwei bzw. vier Reiche aufgeteilt ist: das dämonische Höllenreich beherrscht der Fürst Leviathan, nach der religiösen Überlieferung ein alles verschlingendes biblisches Seenmonster, das hier mit dem Satan gleichgesetzt wird. Diesem steht das Reich Gottes gegenüber, vertreten durch den Erzengel Gabriel. Auch das irdische Leben wird in zwei Welten geteilt. Erstens geht es um das gebirgige Land der unwissenden und unschuldigen Menschen, die sich durch Hirtenzüchtung ernähren und zweitens um das sündhafte Land in einem idyllischen Tal, das einerseits von Hululu, dem Herrscher des Kainreiches, und andererseits von dem Sultan von Enoch beherrscht wird. Durch die symbolische Darstellung des Kainreiches und seines Systems wollte der Autor sicher Kritik an der Staateinrichtung üben, die durch eine tyrannische Diktatur repräsentiert wird. Leviathan beauftragt seine Tochter Eblis, die Schlange aus dem Paradies, Noahs Schwäger Philos und seine unschuldige Tochter Ada, die eben aus dem Gebirgsland in das Kainreich ankamen, um die Weisheit kennen zu lernen, die Menschen zu erforschen und die Quelle der Bosheit zu erkennen, zur Sünde zu verführen. Mit der Maske von Leda, der Anführerin der Amazonen, geht sie entschlossen ihrer Aufgabe nach, die Menschen, die ihrer Meinung nach „eitel, frech, stolz, grausam, feige, verzerrt, erbärmlich, undankbar bis zum Wahnwitz sind“ (S. 23), in die Hölle zu stürzen. Durch verschiedene Listen erreicht sie schließlich, dass Ada zur Braut des gnadenlosen Hululu erwählt wird und durch das sündige und luxuriöse Leben sich verführen lässt, sodass Philos sie bei einem Kriegsfeste verflucht und mit dem Dolch ersticht. Seine schreckliche Tat bewegt ihn dazu, dass er symbolisch am Baume der Erkenntnis Jehova anfleht, die Menschheit zu vernichten und sie dann neu und erkenntnislos zu schaffen, denn auch sein eigenes Verlangen nach Erkenntnis stieß ihn in den tiefsten Abgrund der Sünde. „Der Trieb nach Erkenntniß stieß auch mich gewaltsam unter jene Menschen – bei denen ich – Weisheit lernen wollte – und erfahren musste, dass Thorheit und Laster nur allein sie ergötzen!!“ (S. 36) Antwort ist ein 40tägiger Regen und die weltvernichtende Sintflut, die nur Noah und seine Gefährten, die jeglicher Verführung widerstehen konnten, überleben. Das letzte Wort hat aber doch Eblis mit ihrem Abschlussmonolog über die Unmöglichkeit, den Menschen zu bessern und bereitet dadurch auf ihr ständiges nicht-endendes Wiederkommen vor.

Dorns Dramenstücke sind sehr lesbar, lebendig und voller Leidenschaften. Das komplette Bild der Handlung ergänzen ausführliche Szenenanweisungen und detaillierte Personenbeschreibungen, wobei man immer wieder auf Stützpunkte in der nonfiktionalen Welt stoßt. Das Liebesdrama Ehre für Liebe wird nach Genf bzw. ins Schloss Roland in der Nähe von Lyon versetzt. Dorn bedient sich hier einer kürzeren französischen Erzählung von einem tragischen Liebesdreieck und überführt sie frei ins Deutsche. Thema dieses Stückes ist die Ehre, die für die Liebe eingesetzt und notfalls geopfert werden muss. Die tugendhafte und treue Gräfin Helene de Roland wird von dem jungen Cäsar von Santrelle geliebt. Obwohl Cäsar Helene nicht gleichgültig ist, lehnt sie jegliche Anträge ab. Durch Zufall treffen sich die beiden nachts in dem Speisesaal, wobei sie von Helenes Gemahl, Henry de Roland, ertappt und ungerecht beschuldigt werden. Auch wenn Cäsar seine Ehre aufs Spiel setzt, um Helene zu retten, gelingt es ihm nicht, den Grafen zu überzeugen. Er kommt als Dieb vor Gericht und wird verurteilt. Henrys Rache an der unschuldigen Helene besteht in einer systematischen physischen und psychischen Vernichtung. Nach 6 Jahren treffen sich die beiden Liebenden zufällig in Genf wieder und wollen zusammen flüchten, was aber wieder durch Henry vereitelt wird. Die scheinbar einfache Handlung bekommt in den einzelnen Szenen schärfere Konturen, die Figuren erhalten einen sorgfältig durchgearbeiteten Charakter, werden nicht kitschig und bewegen den Zuschauer bzw. den Leser zutiefst. Das, was anfangs eine witzige und angenehme Geschichte zu sein schien, endet in einer dramatischen Liebestragödie. Cäsar gelingt es nach weiteren 3 Monaten ins Schloss Roland in Mönchverkleidung zu kommen und die sterbende Helene zu sehen. Der immer anwesende Henry überrascht sie erneut, worauf ihn Cäsar ersticht. Bevor er aber überführt wird, nimmt Helene den Dolch in ihre Hand, als sei sie es gewesen, und stirbt bei dem ersten und letzten Kuss von Cäsar. (Petra Knápková, Olmütz)

 

Bibliographie (Auswahl)

Die beiden Parteien. Schauspiel in 5 Akten. Wien 1850.

Edelmann und Bauer. Schauspiel in 5 Akten. Berlin 1853.

Im Globus. Historisches Lustspiel in 5 Akten. Berlin 1855.

Ein Don Juan der modernen Welt. Schauspiel in 5 Akten. Wien 1857 [1854?].

Anno damals. Volksstück in 3 Akten. Wien 1858.

In Sünden. Schauspiel in 5 Akten. Wien 1860.

Börse und Arbeit. Satyrisches Original-Zeitbild mit Gesang in 6 Bildern; Lebensbild in 3 Aufzügen. (Musik: Kapellmeister Franz Roth) Wien Verlag von Franz Kratz 1870. [Uraufgeführt 1868 in Wien; 24.4.1870]

Eine Million! Schwank in einem Aufzug. Wien 1870.

Die Schrecken des Krieges. Melodrama in einem Aufzug. (Musik: Ignaz Dorn mit teilweiser Benützung Grottgers „Das Tahl der Thränen“) Berlin 1870. [Aufgeführt am 5.8.1870]

Direktor Shakespeare. Lustspiel in 5 Akten. Wien 1870.

Vor der Sündflut. Satirisches Drama in 5 Akten. Wien 1870.

Ein Achtundvierziger. 1870. Als Manuscript gedruckt. [Aufgeführt am 21.10.1870]

Kindereien. Ein Lebensbild in 3 Aufzügen. (Musik: Lechner) Wien 1870. [Aufgeführt am 13.1.1871.]

Veilchendame. Original-Volksstück mit Gesang, mit einem Vorspiel und in 6 Bildern. (Musik: Millöcker) Wien Verlag von Franz Kratz 1871. Als Manuscript gedruckt.

Der Zweck heiligt die Mittel. (Musik: Grünecke) 1872. Als Manuscript gedruckt. (Aufgeführt am 7.12.1872)

Aus Cayenne. Original-Volksschauspiel in 4 Aufzügen. Wien 1872. Neues Wiener Theater, Nr. 9. [Aufgeführt am 31.1.1872

Hans Wiener und Sohn oder Millionenschwindel. Original-Zeitbild mit Gesang in 3 Acten und 6 Bildern. (Musik: Kapellmeister Carl Millöcker) Wien Verlag von Franz Kratz 1872. Als Manuscript gedruckt.

Rozsa Sandor. Charakterbild aus dem ungarischen Räuberleben in 4 Abtheilungen und 8 Bildern, mit Gesang und Tanz (Musik: Carl Kleiber). Wien Verlag Franz Kratz 1873. Als Manuscript gedruckt. [Aufgeführt am 8.11.1873]

Vater Radetzky. Historisches Charaktergemälde aus dem Soldatenleben mit Gesang und Tanz in 4 Abtheilungen, 8 Bildern und 3 großen lebenden Tableaux. (Musik: Roth) Wien 1874. Neues Wiener Theater, Nr. 42. [Aufgeführt am 3.10.1874]

Vampyre [Blutsauger] des Volkes. (Musik: Kleiber und Millöcker) 1874. Als Manuscript gedruckt. [Aufgeführt am 28.12.1874]

Das letzte Aufgebot. Vaterländisches Volksstück mit Gesang in 10 Bildern. (Musik: Kleiber) Wien Verlag von L. Rosner 1875 [1876?]. Neues Wiener Theater, Nr. 49. [Aufgeführt am 2.10.1875)]

Der Gehenkte. (Musik: Kleiber) 1875. [Aufgeführt am 20.2.1875]

Messenhauser. Volksdrama in 8 Bildern. Wien 1876. Als Manuscript gedruckt. Wiener Theater-Repertoir, Lieferung 316.

Ehre für die Liebe. Liebesdrama in 5 Aufzügen mit Benützung einer Erzählung aus dem Französischen. Wien 1876. Als Manuscript gedruckt. Wiener Theater-Repertoir, Lieferung 314.

Moderne Grasel. Satyrische Zeitposse mit Gesang in 8 Bildern. (Musik: Kapellmeister Franz Rotz) Wien 1876. Als Manuscript gedruckt. Wiener Theater-Repertoir, Lieferung 313.

Die Sündflut. Dramatisches Märchen in 15 Bildern, mit Musik, Gesängen, Tänzen und lebenden Tableaux. Wien 1876. Wiener Theater-Repertoir, Lieferung 319.

Nach Philadelphia. (Musik: Roth) 1876. [Aufgeführt am 30.9.1876]

Die Madonna des Juden. Volksstück in 4 Aufzügen. Wien Selbstverlag 1892. Als Manuscript gedruckt.

Für Kaiser und Vaterland! Festspiel in zwei Aufzügen. Wien Selbstverlag 1892.

Des Pfarrers Geburtstag. Genrebild in einem Aufzuge. Wien Selbstverlag 1892.

Der Wurzelgräber von Wildalpen. Bauernposse mit Gesang in einem Aufzuge. Wien Selbstverlag 1892.

Baron und Kunstreiter.

Der Schneider von Goisern.

Die Komödianten der Königin. Als Manuscript gedruckt.

Ein Bräutigam aus der Hölle. Posse.

Gerichtet. Als Manuscript gedruckt.

Kapellenblauer.

Zwei Väter.

 

Sekundärliteratur:

Allgemeine Deutsche Biographie. 55 Bde. Leipzig 1875-1912. (I 249, 33-34, 1427, 400; II – 286, 328).

BAUER, ANTON: Das Theater in der Josefstadt zu Wien. MCMLVII Wien/München.

Biographia Judaica. Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache. Hrsg. und bearb. von Renate Heuer. Frankfurt am Main/New York 1982-88. Bd. 1.

BRÜMMER, FRANZ: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 8 Bde. Leipzig 1913. (6. Auflage)

CZEIKE, FELIX: Historisches Lexikon Wien. 1993. Bd. 2.

Das geistige Wien: Künstler- und Schriftstellerlexikon. Hrsg. von Ludwig Eisenberg und Richard Groner. 2 Bde. Wien 1889-93.

Deutscher biographischer Index. München 1998.

Deutsches Biographisches Archiv. 2 Bde.

Deutsches Biographisches Archiv. N.F. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Mikrofiche Edition. München u.a. 1982-93.

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Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch. 3 Bde. Bern 1949ff.

Deutsch-österreichische Literaturgeschichte. Hrsg. von J.W. Nagl, J. Zeidler. 4 Bde. (Bd. 4 hrsg. von E. Castle). Wien 1899-1937. IV.Bd., S. 1171 und 1366.

Gesamtverzeichnis der deutschen Literatur 1770-1965. 2 Reihen.

GIEBISCH, HANS/GUGITZ, GUSTAV: Bio-, bibliographisches Literaturlexikon Österreichs. Wien 1964.

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Kleines österreichisches Literaturlexikon. Hrsg. von H. Giebisch. 1948.

KOSCH, WILHELM: Deutsches Theater-Lexikon: biographisches und bibliographisches Handbuch. Bern/München Francke 1951.

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Morgenpresse (15.7.1908).

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Österreichische Rundschau 16 (1908), S. 273.

Österreichisches biographisches Lexikon. 1815-1950. Hrsg. von Eva Obermayer-Marnach und Peter Csendes. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien 1952ff. Bd. 3.

RUDOLPH, MARTIN: Rigaer Theater- und Tonkünstler-Lexikon. 1890.

Sigilla veri. (Ph. Stauff´ Semi-Kürschner) Lexikon der Juden, -Genossen und -Gegner aller Zeiten und Zonen, insbesondere Deutschlands, A-Pokal (mehr nicht erschienen). Berlin 1929-31. Bd. 3.

Verzeichnis jüdischer Autoren. Vorläufige Zusammenstellung der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. 7 Bde. Berlin 1938-39. [ab Bd. 3: Vorläufige Zusammenstellung des Amtes Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP und der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums] Bd. 3.

WLASCHEK, RUDOLPH M.: Biographia Judaica Bohemiae. Dortmund 1997.

http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.d/d785882.htm