Anna Astl-Leonhard (geb. Vogel) wurde am 12. Juli 1860 in Brünn geboren. Sie war das älteste Kind des hiesigen Realschulprofessors Hilarius Vogel (1828-1897). Vogel unterrichtete dort Deutsch, Geschichte und Geographie. Außerdem publizierte er einige Fachstudien und vaterländische Gedichte. Im Jahre 1870 wurde ihm eine Lehrstelle an der k. k. Oberrealschule in der Wiener Landstraße angeboten, so dass die Familie nach Wien umzog. Anna absolvierte hier die höheren Klassen der Bürgerschule und besuchte dann auf Wunsch ihres Vaters die k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt zu St. Anna. Hier blieb sie jedoch nur zwei Jahre und wandte sich dann einer Bühnenlaufbahn zu, nachdem sie endlich diesen Bildungsweg bei ihrem Vater durchgesetzt hatte.
Nach einem Jahr des Schauspielstudiums wurde Annas Talent einer Probe unterworfen: Sie bekam von Heinrich Laube (1806-1884) ein Engagement als Elevin für das Wiener Stadttheater. Kurz danach verlobte sie sich mit einem Professurskandidaten, dem es gelang, seine Partnerin von der Theaterlaufbahn abzulenken und stattdessen zur Schriftstellerei zu bringen. In ihrer neuen professionellen Laufbahn erlebte Anna Enttäuschungen und Kränkungen, dazu blieben ihrer Liebesbeziehung Konflikte nicht erspart, so dass es bald zur freiwilligen Trennung kam. Im Oktober 1894 vermählte sie sich in Wien mit dem Chefredakteur Hugo Astl-Leonhard (1870-1900), der auch literarisch tätig war (z. B. der Roman Schach, 1900). Ihr Gatte begang nur wenige Jahre nach der Heirat infolge hochgradiger Nervosität Selbstmord (am 31. März 1900).
Nach Hugos Selbstmord verfiel Anna in eine tiefe Melancholie und ihre finanzielle Lage verschlechterte sich. Im Mai 1904, nachdem sie eine Zeit lang verschwunden gewesen war, erschien in dem Neuen Wiener Tagblatt (13.5.1904) ein Beitrag, in dem von ihrer bedauerlichen Lage berichtet wurde. Am Ende des Monats (31.5.1904) wurde in demselben Blatt eine von ihr niedergeschriebene Erklärung publiziert, in der sie sich gegen Gerüchte wehrte, die in der letzten Zeit in der Presse erschienen waren. Im Jahre 1906 ließ sie sich firmen. Infolge der Wohnungsnot endete sie schließlich im Lainzer Versorgungsheim. Anna Astl-Leonhard verstarb am 29. April 1924 in Wien, im Alter von 63 Jahren.
Was ihre literarische Tätigkeit anbelangt, war Astl-Leonhard vor allem als Prosaistin tätig und bevorzugte die literarische Kurzform der Novelle. Von ihren längeren Prosawerken können wir den Familien- und Gesellschaftsroman Das Recht der Lebenden (1894) erwähnen. In diesem Werk schilderte sie "die Schicksale moderner Menschen, die für die wahren oder auch nur angemaßten Rechte des Herzens, der Sinne, des Blutes, sowie der individuellen Selbstbestimmung eintreten und siegen oder untergehen". (In: Mährisches Tagblatt (23.11.1894). 15. Jahrgang. Nr. 269, S. 7.) Neben diesem Text verfasste sie noch weitere Romane wie z. B. Der letzte Akt (1901) oder Unrecht Gut (1903). Wie bereits gesagt, konzentrierte sich Astl-Leonhard vorwiegend auf das Schreiben von Novellen, die in gedruckten Bänden - z. B. Irrende Seelen (1894) oder Frau Lear. Sein Kind. Hangen und Bangen (1896) - oder in verschiedenen zeitgenössischen Druckschriften - z. B. Der größere Schmerz (1889) im Deutschen Volksblatt, Auf Umwegen(1891) in der Wiener Mode, Ungleiche Kräfte (1907) in der Reichspost oder Träumereien (1913) im Wiener Montags-Journal - veröffentlicht wurden. Einmal betrat sie auch das dramatische Feld - mit ihrem Familiendrama Das Kuckucksei (1891). Außerdem publizierte sie mehrere Feuilletons in verschiedenen Zeitungen. Aus den Titeln und Beschreibungen der Werke lässt sich herauslesen, dass sich Astl-Leonhard in ihren Texten mit (zwischen-)menschlichen Schicksalen und Beziehungen und mit der Stellung des Menschen in der Gesellschaft beschäftigte.
(Bearbeitet von Radek Flekal auf Grundlage der Sekundärliteratur und der zeitgenössischen Presse)
Die aus Brünn stammende Schriftstellerin Anna Astl-Leonhard (*1860, geb. Vogel) zog mit 10 Jahren nach Wien um und besuchte dort u. a. eine Lehrerinnenbildungsanstalt, doch dann entschied sie sich für eine Bühnenlaufbahn. Unter dem Einfluss ihres ersten Verlobten wandte sie sich später der Schriftstellerei zu. 1894 heiratete sie den Chefredakteur Hugo Astl-Leonhard, der auch schriftstellerisch tätig war und sich 1900 umbrachte. Nach dessen Tode wurde Anna melancholisch und geriet dann allmählich in eine existentielle Krise. Sie starb mit 63 Jahren in Wien.
Anna Astl-Leonhard widmete sich vorwiegend der Prosa: Sie verfasste einige Romane (z. B. Das Recht der Lebenden, 1894) und eine Menge von Novellen und Erzählungen (z. B. Frau Lear. Sein Kind. Hangen und Bangen, 1896; Ungleiche Kräfte, 1907). Außerdem publizierte sie das Familiendrama Das Kuckucksei (1891) und mehrere Feuilletons in verschiedenen Zeitungen. In ihren Werken beschäftigte sie sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen und Schicksalen.
Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (6. Auflage). Band 1. Reclam, Leipzig 1913, S. 83.
(Das Recht der Lebenden). In: Mährisches Tagblatt (23.11.1894). 15. Jahrgang. Nr. 269, S. 7.
(Die Schriftstellerin Astl-Leonhard). In: Neues Wiener Tagblatt (13.5.1904). 38. Jahrgang, Nr. 133, S. 7.
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. Verlag Carl Pataky, Berlin 1898, Bd. 1, S. 20.
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. Verlag Carl Pataky, Berlin 1898, Bd. 2, S. 393.
(Schriftstellerin Frau Astl-Leonhard). In: Neues Wiener Tagblatt (31.5.1904). 38. Jahrgang, Nr. 150, S. 9.