Bereits 1896 zog die Familie nach Prag, so dass Brand im Umfeld der sog. Prager deutschen Literatur behandelt wird. Aus der Kindheit des Dichters ist wenig bekannt, seine Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen auf der Prager Kleinseite, sein Vater war Koch und Gastwirt, seine Mutter verdiente ihr Geld als Zugehfrau und Wäscherin. Brand besuchte 1911-1915 die Deutsche Handelsakademie in der Fleischmarktgasse. Etwa im Herbst 1913 lernte er Franz Werfel, im Frühling 1914 Johannes Urzidil kennen und fand durch sie Eingang in den Literatenkreis im Café Arco. Zweiundzwanzigjährig starb er an Tuberkulose.
Brand zählt bis heute zu den klassischen Fällen der „vergessenen Dichter“. Noch 1964 konnte Johannes Urzidil in seinem Essay Brand schreiben: „Manche behaupten, Brand habe nie gelebt, er sei eine Erfindung von mir, ein bloßer Deckname für meine eigenen frühzeitigen Dichtungsversuche.“ Brand beschäftigt seitdem die literaturwissenschaftliche Nachwelt eher als bezugsreiche Person im Umkreis der Prager deutschen Literatur, denn als Dichter. Seine fiebernde, hektische Existenz, sein im Voraus verlorener Wettlauf mit dem Tode, sein Dahinsiechen in ärmlichen Verhältnissen, sein in der Lyrik verkörperter Todesschrei, sein Drang zum Schreiben, der einzigen Möglichkeit, den eigenen Tod zu überleben, inspirierten Franz Werfel zur Erzählung Kleine Verhältnisse (1927), deren Hauptheld Albert Tappert - laut Urzidils Nachwort von 1955 - dem Prager Dichter nachgebildet sei und zu seinem letzten Manifest der expressionistischen Generation in der Gestalt des Vorworts zu der 1921 von Johannes Urzidil aus dem Nachlass Brands herausgegebenen Sammlung Das Vermächtnis eines Jünglings, das Werfels expressionistische Werk- und Lebensphase abschließt.
Johannes Urzidil wurde vom Schicksal des gleichaltrigen Dichterfreundes zur Erzählung Das Vermächtnis eines Jünglings innerhalb des Erzählungszyklus Prager Triptychon (1960) und zum Essay Brand in der Essaysammlung Da geht Kafka (1965) inspiriert. Franz Kafka beschäftigte der Tod des Dichters, in dem er wohl die Prophezeiung des eigenen nahenden Todes sah. Der Tod eines jungen Mannes, der 1916 in einen literarischen Dialog mit Kafka getreten war, indem er in seiner kurzen Erzählung Die Rückverwandlung Gregor Samsas den Wanzenkadaver im menschlichen Körper auferstehen ließ. Auch den tschechischen Dichter Antonín Macek bewegte die Krankheit des jungen Dichters, er druckte zwei Prosatexte Brands in seiner Zeitschrift Svět ab und dedizierte Brand seine Elegie an Karl Brand (Prager Tagblatt, 8.10.1916).
Brands gesamtes literarisches Schaffen von 1914 bis 1917, das in der posthum erschienenen, von Johannes Urzidil herausgegebenen Auswahl Das Vermächtnis eines Jünglings (Hrsg. von Johannes Urzidil mit einem Vorwort von Franz Werfel. Ed. Strache Verlag, Wien/Prag/Leipzig, 1921), der einzigen Buchpublikation Brands, zum großen Teil versammelt ist, fällt in die Periode des literarischen Expressionismus. Brands Gedichte und kurze Erzählungen haben Eingang in expressionistische literarische Zeitschriften gefunden, die Aktion, den Sturm, den Brünner Menschen, in expressionistische Anthologien Die Dichtung, Das Aktionsbuch und in Literaturbeilagen der Prager Blätter, der Prager Presse und des Prager Tagblatts. Seine Sammlung rezensierten Rudolf Fuchs, Otto Pick und Kurt Kersten. Brands Werk ist so gut wie vollkommen dem rasanten literarischen Stil seiner Zeit verbunden, der baldige Tod vereitelte gewaltsam die Möglichkeit, über den Expressionismus hinauszuwachsen. Darüber hinaus betrat Brand mit seinen Erstlingen die literarische Bühne, als der Expressionismus seinen schreienden, pathetischen, aktivistischen Höhepunkt erreicht hatte. Die um 1914 bereits stark kodifizierte Auswahl an formalen Mitteln des Stils und der Poetik war dermaßen prägend, dass es einem unentwickelten, sich in dichterischen Erstlingen erst suchenden Talent eines „poeta minor“ ermöglichte, sich hinter ihnen zu verstecken, durch den „Duktus der Generation“ die eigene Schaffenspotenz zu ersetzen. Fast ausnahmslos pflichtet Brand in seinen Gedichten der expressionistischen Poetik bei, bar eigener literarischer Erfahrungen und eines eigenen literarischen Stils, voller Begeisterung über die Zugehörigkeit zu einer fest umrissenen Dichtergeneration, lehnt er sich epigonenhaft an das Lauteste und Augenfälligste in Form und Thema der expressionistischen Dichtung an: An apokalyptische Schreckensbilder, eine ausnahmslos negativ geschilderte Realität, die Ich-Dissoziation, die klagenden und schreienden Generationsaussagen.
Ohne die massive Unterstützung der expressionistischen Poetik erscheint Brands dichterische Leistung eher fragwürdig. Davon zeugen einige nicht-expressionistische Gedichte und fast alle Prosastücke, die ohne die Blende des explosiven Stils auf ein unerfahrenes, sich erst suchendes Talent hinweisen. Besonders augenfällig ist diese Tatsache in der Erzählung Die Rückverwandlung des Gregor Samsa. Paradoxerweise ist es der bezugsreichste (dank der literarischen Kommunikation mit Kafka) und gleichzeitig der schwächste Text Brands.
Vollkommen anders ist seine Novelle im Traum zu beurteilen, die vom Sterbebett eines Fieberkranken ausgehend, durch eine mystische, etwas an Meyrink und Leppin erinnernde, Stadt irrt und im Tode des tuberkulösen Jünglings mündet, dessen Figur sich am Ende mit der Ich-Gestalt des Erzählers überschneidet. Demnach scheint lediglich das Durchlebte, die Krankheit, die Flucht vor der rasenden Zeit, die Todesangst, der Tod Brands Domäne gewesen zu sein, sein eigenstes Thema, dass er unter Verwendung der expressionistischen Poetik fähig war, dichterisch zu gestalten. Franz Werfel erkannte es und schrieb in seiner Einführung mit dem Abstand eines bereits etablierten Künstlers: „Was aber zutiefst aus Vers, Szene und Prosa sprach, war lüglose Einfalt, Ungewitztheit und heißes Erlebnis jeder Zeile. Kunstwerke im hohen Sinn konnten so nicht entstehen...“
Karl Brand ist einer der bezugsreichsten „poetae minores“ des expressionistischen Jahrzehnts. Darüber hinaus kann er als ein Inbegriff des expressionistischen Dichters dargestellt werden, denn im Gegensatz zu anderen Expressionisten, die das Leiden an der kranken Welt global auffassten und es dann subjektiv auf das eigene Ich bezogen, geht Brand von seinem eigenen, konkreten Leiden aus und bezieht es auf die gesamte Gesellschaft und Menschheit. Karl Brand war durch den Tod wahrhaftig, unmittelbar bedroht, der Tod ist für ihn nicht mehr eine anonyme, drohende Größe, sondern er nimmt konkrete Gestalt in Form von Hustenanfällen, Fieber, Blutsturz und schnell vergehender Zeit an. Diese außerordentliche Position des nicht hervorragenden Dichters innerhalb seiner Generation meinte Johannes Urzidil, als er am Schluss seiner Erinnerung an Brand schrieb: „Vielleicht hat Brand - wenn man es streng nehmen will - als Person nicht ´gelebt´, hat nicht das erfahren, was man im vollen Umfang Leben nennt, aber den Tod, den hat er erfahren, und es gibt ein Sterben, das unsterblich machen kann.“
(Ingeborg Fiala-Fürst, Olmütz)