Moritz Epstein wurde in einer jüdischen Familie, über die nichts mehr ermittelt werden kann, am 29. März 1844 im Trebitscher Ghetto geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist ebenfalls nichts zu erfahren. Seit 1868 war er als Journalist in Wien tätig. Er wurde Redaktionsmitglied bei den Blättern Morgenpost, Neues Fremdenblatt, Illustriertes Wiener Extrablatt, Deutsche Zeitung, Presse, Mitredakteur der Neuen Freien Presse und später auch beim Neuen Wiener Tagblatt, wo er 15 Jahre lang als Redakteur arbeitete. Längere Zeit war er auch Wiener Korrespondent für die Feuilleton-Rubrik der Frankfurter Zeitung. Außerdem schrieb er auch für namenhafte Prager deutsche Zeitungen.
Als Journalist war Epstein in Wien ein angesehener Fachmann und hatte Ämter in verschiedenen journalistischen Standesvereinigungen inne. Er war auch jahrzehntelang im Ausschuss und später im Vorstand des 1859 gegründeten Schriftstellervereines Concordia und Mitglied der Pensions-Anstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller. Obwohl die Arbeit im Zeitungswesen seine Hauptbetätigung war, arbeitete er außerdem als Gymnasialprofessor und war Initiator des Wiener Lessing-Denkmals, die aber wegen des 1. Weltkrieges und der folgenden Inflation verschoben wurde.
Sein dramatisches Schaffen umfasst hauptsächlich Lustspiele und zwar meist Einakter mit einem typisierten Figurenrepertoire, knappen Regieanweisungen und einem immer fest gegebenem Ort der Handlung. Zu den bekannteren Stücken gehört Der Tanzboden, der zum ersten Mal im Brünner Stadttheater am 2.2.1876 aufgeführt wurde. Die Geschichte weicht von den klassischen Komödienmustern nicht ab:
„Zwei Liebende können sich erst im letzten Moment auf einem Ball erklären, weil die Sitte sie zu vielen Pflichttänzen zwingt und eine Kette von Zufällen sie an einer Begegnung hindert.“ (ABJ)
Die ganze Geschichte geht der Tradition der Gattung gemäß gut aus.
Man findet auch längere Stücke, wie z. B. Wege zur Ehe, die in gedruckter Form dem Publikum 1879 vorgelegt wurden. Es kommen immer die gleichen Figuren vor, sei es ein Liebespaar, das nach dem klassischen Komödienmuster verschiedene Hindernisse oder Problemsituationen bewältigen muss, um zusammenzukommen, seien es Diener oder Dienstmädchen, die trotz ihres eigenen Liebeskummers sich für das Glück ihrer Herrschaft einsetzen, seien es die Mütter oder Tanten der Heldinnen oder Freunde der Helden, die Strategien ausspinnen, um die Geschichte zum guten Ende zu bringen. Die Belehrung betrifft den für die Liebe notwendigen glücklichen Ausgang, wobei der rückschließende, zusammenfassende Satz nicht fehlen darf:
„Es gibt so viele Wege zur Ehe, und doch ward Ihr in Gefahr, alle zu verfehlen.“
Das ganze Stück weist auch viele Figuren auf, die für die Handlung ohne Funktion sind, aber zur momentanen Unterhaltung des Publikums dienen. Epstein beherrscht sowohl eine vornehme Sprache als auch den Dialekt. Er kennt sich in den verschiedenen Milieus der damaligen Gesellschaft aus und passt die Ausdrucksweise der jeweiligen Umgebung unauffällig an.
Ein späteres Stück mit dem Titel Gestörte Flitterwochen wurde 1878 gedruckt. Laut dem Vorwort der gedruckten Fassung, das dem Verleger zuzuschreiben ist, ist es früher entstanden und erst nach dem Erfolg von Tanzboden publiziert worden.
„Der Verfasser hat dieses kleine Lustspiel schon vor Jahren geschrieben. Er wurde damals zu dieser bescheidenen Arbeit durch den Verkehr mit einigen jungen Kaufleuten angeregt, deren seltsame Anschauungen über die Bedeutung, die dem wichtigsten Schritte des Mannes innewohnt, auf ihn überraschend wirkten. Den Mut, das kleine Lustspiel zu veröffentlichen, gewann der Verfasser jedoch erst, nachdem eine spätere Arbeit seiner Feder, die dramatische Kleinigkeit Der Tanzboden, veröffentlicht worden war, und es eine freundliche, den Autor ermutigende Aufnahme gefunden hatte.“
Weiter werden vom Verleger die Beweggründe der Kaufleute, die hier die Figurenkonstellation bilden, zu ihrem Handeln erläutert und die Haupttypen beschrieben, und zwar dass:
„Junge Kaufleute ihre Eheschließung gern verschweigen, weil sie geschäftliche Nachteile befürchten. So hat der Kaufmann Heinrich heimlich Lisette geheiratet, Schwiegervater Lazarus Hopfenstock befürchtet, dass seine Tochter einem Bigamisten in die Hände gefallen ist [...].“ (ABJ)
Am Ende kommt es aber doch wieder zu einer Versöhnung.
Weniger umfangreich ist Epsteins episches Schaffen. Die Sammlung Erzählungen und Augenblicksbilder, die zum ersten Mal 1895 erschien und deren 2. Auflage gleich im nächsten Jahr (1896) gedruckt wurde, bietet eine Auswahl von kurzen, meist lustigen und unerwartet pointierten Erzählungen. Sie ist voll von pseudophilosophischen Diskursen und Lebensweisheiten, die Epsteins Neigung zu Bühnenstücken nicht verklären. Man trifft mehr oder weniger ausführliche Personen- und Ortbeschreibungen und Regieanweisungen an. Titel der einzelnen Erzählungen wie Ein politischer Zweikampf, Beim Irrenarzte und Journalistisches Stilleben deuten auf übernommene Figurentypen hin; wie in seinen Lustspielen geht es auch in Epsteins Erzählungen um Ärzte, Philosophen, Journalisten, Dichter und Abgeordnete, die mit irgendeiner Lebenssituation fertig werden müssen, wobei der Autor durch einfache Anspielungen seinen umfangreichen allgemeinen Überblick belegt und außerdem Wortverbindungen gebraucht (Aus dem Leben eines Sonderlings), die dies auch bezeugen. Ähnlich ist es auch bei dem letzten Titel der Sammlung Aus den Aufzeichnungen eines Pessimisten, der eine Zusammenstellung von kurzen, eine halbe Seite langen Geschichten ist, eigentlich von Anekdoten, Epigrammen und Parabeln, die formal das gleiche Muster verfolgen wie die ganze Sammlung. Es treten wieder typisierte Figuren ohne Namen auf, die entweder als positive Helden erscheinen oder mit Ironie lächerlich gemacht werden.
„Offenbar verachtet der Autor das gesellschaftliche Leben, er stellt auf eher traurige als humoristische Weise allerlei menschliche Schwächen dar, z.T. in Dialogform [...].“ (ABJ)
Unter Pseudonym erschien 1903 in Wien das Café Neufoundland mit einem Vorwort des Autors, in dem er die erzählten Geschichten für Geschichten seines Freundes ausgibt. Die vier Erzählungen dieser Sammlung, die „mit dem Ausdrucke aufrichtiger Verehrung“ Detlev von Liliencron gewidmet wurde, sind durch das Café Neufundland verbunden. Es geht nämlich um ein Lokal wahrscheinlich in Wien, deren weibliches Personal bei den männlichen Gästen sein Glück sucht. Die Geschichten spielen innerhalb mehrerer Jahre, angefangen mit der Studienzeit des Erzählers, als er im Café Neufundland seine ersten Liebeserlebnisse genießt, und der erwachsenen Zeit um 1900, als der Erzähler ein „dreister, selbstbewusster, welterfahrener Mann“ (S. 64) geworden ist. Das ganze Geschehen ist bildhaft erzählt mit vielen Vergleichen und mit Gebrauch von Beispielen aus der deutschen und Weltliteratur, mit vielen Zitaten aus bekannten Werken, wie Nietzsches Also sprach Zarathustra und unter einer auffallend romantischen Mischung von Gattungen. Innerhalb der einzelnen Kurzerzählungen tauchen außer Zitaten lateinische Redewendungen, Briefe an Freunde oder an die Familie oder auch meist erotische Gedichte auf. Romantisch im literaturgeschichtlichen Sinne sind auch die Themen bzw. Motive (Duell, eine schicksalhafte Dreieckbeziehung), aber mit komischen Ausklängen für die jeweiligen Geschichten, wobei die letzte tragisch endet, und zwar mit einem Abschiedsbrief an den Erzähler, in dem ihm eine der Heldinnen ihre Beweggründe zum Selbstmord erklärt.
Epsteins Werk, in dem entgegen der Erwartung keine jüdische Thematik oder Motivik vorkommt, ist nur zum Teil erhalten, teils kam es zu dessen Aufführung, teils erschien es im Buchhandel.
Moritz Epstein starb am 15. oder 17. November (die angeführten Quellen führen verschiedene Angaben an) 1915 in Wien und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in der israelitischen Abteilung beerdigt. (Petra Knápková, Olmütz)