Der am 4. Dezember 1916 in Sternberg geborene Historiker Robert Müller-Sternberg stammte aus einer Lehrer- und Beamtenfamilie, die seit Generationen in Nordmähren beheimatet war. Er kam schon als Siebenjähriger nach Wien, besuchte dort das humanistische Gymnasium und ab 1934 studierte er in Wien Germanistik, Anglistik und Geschichte. Prägend war auch sein zweijähriger Aufenthalt in Riga. Im Zweiten Weltkrieg war er Hauptmann der deutschen Wehrmacht.
Nach dem Krieg im Jahre 1945 wurde er Sprachlehrer für Englisch an der Bayerischen Dolmetscherschule in Regensburg und 1946 kehrte er nach Österreich zurück. Da betätigte er sich als freier wissenschaftlicher Publizist und künstlerischer Schriftsteller. Er war akademisch tätig, später wurde er Dozent für deutsche und europäische Geistesgeschichte an der Ost-Akademie in Lüneburg.
Robert Müller-Sternberg verfasste zahlreiche Fachstudien, die Zeugnis seiner breiten Forschertätigkeit geben: W. H. Riehls Volkslehre, Zwischen Lübeck und Reval – Deutsche Geistesgeschichte im Osteseeraum, Die Dämonen – Wesen und Wirkung eines Urphänomens u.a.m. Er schrieb aber auch Belletristik: einen Roman, Novellen, Dramen und zahlreiche Essays. Er war Mitherausgeber der Zeitschriften Deutsche Studien, Ostdeutsche Monatshefte, Deutsche Monatshefte für Politik und Kultur.
In vielen seiner Betrachtungen setzt sich Robert Müller-Sternberg mit dem Thema Heimat auseinander. Davon überzeugt, dass den Begriff „Heimat“ vor allem die Menschen ausmachen, berichtet er über die Heimatreisen seiner Landsleute.
Geschichten aus dem Buch Im Prisma unserer Zeit beschäftigen sich mit den Geschehnissen und Problemen unserer Zeit in bestechend klarer Sprache, ohne dramatische Übertreibungen. In diesem Buch lässt der Autor auch seinen philosophischen Gedanken freien Raum, er beschäftigt sich beispielsweise mit dem Wesen der Tradition.
Der Ich-Erzähler in der Geschichte Das Bild des Großvaters wuchs bei seiner Großmutter in Normähren auf. Seinen Großvater sah er nie, dessen ganze Lebensgeschichte wurde ihm vermittelt. Der Großvater war auch nach dem Tod allgegenwärtig: in der Stube hängt sein altes Photo, er lebt in den Erzählungen seiner Ehefrau und in den Briefen, die er als junger Soldat vor langer Zeit an seine Ehefrau geschrieben hatte.
Die Kriegsgeschichte Die Nacht von Topkowo spielt im Februar 1943 an der Ostfront in Russland. Der Ich-Erzähler, ein Offizier, wird beauftragt, für den Korpsstab den Grund für die unterbrochene Verbindung zu erkunden. Als er seine Einheit verlässt, um in einem Nachbarndorf zum Telefon zu gelangen, steht die deutsche Division vor dem Gegenstoß mit dem Feind. Der Erzähler ist allein unterwegs, um ihn herum nur die schneebedeckte Landschaft und Stille. Unerwartet trifft er einen Russen. Dieser Russe zeigt ihm nicht nur den Weg, sondern er begleitet ihn bis zum Dorf und zurück. Unterwegs schöpft der Offizier Missvertrauen und erschießt den Russen aus Angst. Der hilfsbereite Russe leistete nicht nur Hilfe, vielmehr bewies er mit seiner Verhaltensweise, dass man auch mitten im Krieg menschlich sein kann.
Auch die Geschichte Es sollte kein Abschied sein behandelt ein Geschehen mitten im Krieg, diesmal eine im Krieg geschlossene Freundschaft: Ein alter Mann erinnert sich an die Kriegsjahre. Er lag damals verletzt auf einer Sanitärbahre am Bahnhof von Mogilew und wartete auf den Abtransport ins Krankenhaus. Unverhofft trat ein junger Soldat aus Thüringen an seine Seite. Pionier Reich, den er an der Ostfront kennen gelernt hatte, bedankte sich bei seinem Leutnant, dass er ihm bei Bolchow das Leben gerettet hatte. Nach einem Genesungsurlaub rückte Reich wieder an die Front. Am Bahnhof von Mogilew sah ihn der Leutnant zum letzten Mal, denn Pionier Reich unterlag einer neuen Verletzung, einem Lungenschuss, und kehrte nach dem Krieg nicht zurück.
Die Erzählung Das Konzert lässt in die Seele eines Vertriebenen namens Alfred Tamianka hineinsehen, der nach vielen Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrt, um dort zu konzertieren. Seine zwiespältigen Gefühle zeigt das Gespräch des vor dem Spiegel stehenden Geigenspielers Tamianka mit dem widerspiegelnden Selbstbildnis. Doch als Tamianka zu spielen beginnt, baut die Melodie seiner Geige eine Brücke. Die Musik beglückt alle, plötzlich verwischen sich die Unterschiede zwischen Westen und Osten. Die Kraft der Musik macht die Menschen verwandt.
Das Werk Müller-Sternbergs eignete sich kaum für den politischen Zeitgeist des deutschsprachigen Raumes, aus diesem Grund blieb es zum großen Teil unveröffentlicht. Es mag deshalb überraschend wirken, dass sein geringgeschätztes philosophisches Werk Die Dämonen ins Japanische übersetzt wurde.
Štěpánka Kuříková und Veronika Uhrová