Bruno Nowak verbrachte Kindheit und Jugend in seiner Geburtsstadt Troppau, bis er 1920 sein Studium an der Deutschen Universität in Prag aufnahm. Sein Studium schloss Nowak 1925 mit einer Doktorarbeit über Die Entwicklung der Faustgestalt von ihren Anfängen bis Goethe ab. Nach Auskunft von Zeitzeugen (Hendrich, Oppenberg) war er schon früh aktiv und teils gewalttätig in den deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikt involviert, was mitunter polizeiliche Strafen nach sich zog. Seine nationalistische Haltung scheint sich während seiner Studienzeit noch verstärkt zu haben; auch gelangte er offenbar während des Studiums zu einer deutlich antisemitischen Gesinnung und begann mit nationalsozialistischen Ideen zu sympathisieren. 1926 trat er der ‘Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei’ (DNSAP) bei. (Zu Nowaks Hitlerverehrung vgl. Scholdt.)
Auf literarischem Gebiet versuchte sich Nowak schon als Schüler. Nach eigenen Angaben (Über das Volksspiel, S. 151) schrieb er bereits mit neunzehn Jahren sein für Laienbühnen gedachtes Dreiständespiel, das aus den drei Einaktern Der Bauer, Der Krieger und Der Priester besteht. (Die Titel der einzelnen Spiele nehmen auf den Nähr-, den Wehr- und den Lehrstand der altdeutschen Ständeordnung Bezug.) Die Stücke spielen im Dreißigjährigen Krieg und weisen deutlich nationalistische Züge auf. Beispielsweise geht es im Spiel Der Krieger um den ehemaligen brandenburgischen Soldaten Simplizius, der als Kriegsgefangener den Schweden einen Eid geschworen hat, nicht mehr gegen sie zu kämpfen, um damit sein Leben zu retten. Zu Passivität und Untätigkeit verdammt, wird er in seiner Dorfgemeinschaft als Verräter angesehen. Nach schweren Gewissenskonflikten und einem Streitgespräch mit dem jungen Klaas entschließt er sich, den Eid zu brechen und erneut in den Krieg zu ziehen. – In diesem Stück wird bereits das Verrätermotiv entfaltet, das auch in späteren Werken Nowaks eine Rolle spielen wird.
Schon bei diesen frühen Werken stand für Nowak die politische Funktion im Vordergrund:
Bei uns Sudetendeutschen war das Laienspiel, vor allem in der Form des großen Volksspieles, von besonderer Bedeutung. Bot es uns doch die Möglichkeit, in verhüllter Form zu unseren bedrückten Brüdern zu sprechen, denn alles, was nach ‘völkisch’ roch, wurde von den Tschechen verboten. [...] Bei den großen Freilichtaufführungen [...] konnte man Tausende Menschen aufrütteln, ohne daß die Tschechen sofort merkten, was dahintersteckte, und sie sofort mit Verboten kamen. So hat bei den Sudetendeutschen das Volksspiel eine wesentliche politische Aufgabe erfüllt und mit dazu beigetragen, das Volk, vor allem das vom Lande, wachzuhalten und aufzurütteln. (Über das Volksspiel, S. 152)
Bereits im Jahre 1921 erschien ein Gedichtband Nowaks unter dem Titel Zaubergarten; er blieb jedoch offenbar ohne weitere Resonanz (vgl. Hendrich, S. 323).
Nach dem Studium kehrte Nowak nach Troppau zurück. Er bekam eine Stelle beim „deutschen Kulturverband“, einem sudetendeutschen Schutzverein. Im Rahmen dieser Tätigkeit zog er als Wanderlehrer durch Orte im Sprachgrenzbereich und kümmerte sich um das Fortbestehen deutscher Schulen. Von 1931 bis 1935 lebte Nowak mit seiner Familie im Grenzdorf Tabor bei Troppau; 1935 übersiedelte er nach Berlin.
Das Dorf Tabor wird zum Vorbild für den fiktiven Ort „Schatzdorf” von Nowaks erstem Roman Das Dorf an der Grenze. Nowak veröffentlichte diesen Roman 1936 unter dem Pseudonym ‘Gottfried Rothacker’: „‘Roden’ und ‘Ackern’, so umreißt er selbst in seinem Namen sein Wollen und Arbeiten” (Oppenberg, S. 312). Dieses Pseudonym verwendete Nowak auch in seinen späteren Werken.
Die Hauptfigur des Romans Das Dorf an der Grenze ist der Lehrer Ortwin Hartmichel, welcher, nachdem er drei Jahre als Arbeitsloser im Deutschen Reich lebte, eine Stelle im Grenzdorf Skopolnica zugewiesen bekommt. Dieses Dorf hieß früher ‘Schatzdorf’ und wird zur Hälfte von Deutschen, zur anderen Hälfte von Tschechen bewohnt. Die Tschechen versuchen den deutschen Einfluss im Dorf zu verringern und die Deutschen materiell und moralisch zu schwächen, wobei sie teils mit Bestechungen, teils mit Gewalt operieren. Hartmichel bemüht sich mit Erfolg, seine zunächst verwahrlosten Schüler zur Ordnung zu erziehen. Bald dehnt er seine Tätigkeiten über den Kreis der Schule aus und versucht auch den erwachsenen Deutschen durch diverse Aktivitäten Selbstbewusstsein zu geben und ihnen in ihrer wirtschaftlich schwierigen Situation zu helfen. Hartmichels Bemühungen führen zu Konflikten mit den Tschechen. Es kommt zu gewaltsamen Eskalationen, bei denen auch Deutsche getötet werden. Nach vierjährigen Auseinandersetzungen mit dem Lehrer gelingt es den Tschechen, Hartmichel in eine Schlägerei zu verwickeln. Hierfür wird er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt und zudem aus Schatzdorf ausgewiesen. Die Bewohner Schatzdorfs werden nach Hartmichels Ausweisung weiteren, härteren Schikanen ausgesetzt, doch wird ihr wieder erstarktes Selbstbewusstsein dadurch nicht gebrochen. — Die Inhaltswiedergabe lässt erkennen, dass der Roman eine massiv antitschechische Tendenz besitzt. Um diese mit Überdeutlichkeit zur Schau zu stellen, operiert Nowak mit den Mitteln simpelster Schwarzweiß-Malerei. So wird dem deutschen Dorf Schatzdorf die „Fratze“ Skopolnica entgegengestellt, und während zahlreiche deutsche Dorfbewohner ausführlich charakterisiert werden, bleiben die wenigen im Roman auftretenden Tschechen typisiert und schemenhaft und sind allesamt verschlagen oder habgierig. Die undifferenzierte Darstellung ‘der Tschechen’ eskaliert in einem Passus, in dem Skopolnica personifiziert wird:
Je klarer und reiner aber das deutsche Gesicht Schatzdorfs wurde, desto unheildrohender schien mir der Schatten des lauernden Ungeheuers Skopolnica zu wachsen. Noch wagte es keinen offenen Angriff. Der war ihm zu gefährlich. Vielleicht könnte es einmal auf Stein beißen und sich ein paar Zähne ausbrechen. Dann bekäme die lähmende Furcht vor ihm eine Lücke und die stumpfe Gleichgültigkeit einen Stoß. Das wäre der erste Schritt zu einer Niederlage. Das weißt du so gut wie ich, Skopolnica. Langsam und vorsichtig enthülle ich meinen Brüdern dein schreckliches Gesicht. [...] Ich zeige meinen Brüdern, daß du nicht unverwundbar bist, wie du gern glauben machen möchtest, sondern daß auch du nur aus Fleisch und Knochen bestehst. Aus viel Fleisch und Knochen freilich. Du hast ja mehr als genug zu fressen gehabt, und an der Not der Deutschen hast du deinen Wanst gemästet. [...] Ich hasse dich, Skopolnica! So groß auch meine Liebe zu Schatzdorf ist, so heiß ist mein Haß gegen dich. (Das Dorf an der Grenze, S. 89f.)
Dass Nowak die geschilderte Auseinandersetzung um Schatzdorf nur als Exempel verstanden wissen will, wird deutlich, wenn er Hartmichel sagen lässt:
Mir war der Kampf um Schatzdorf nur ein Bruchstück des gewaltigen Kampfes zweier Völker im Osten. (Das Dorf an der Grenze, S. 69; vgl. etwa auch Langenbucher, S. 394, Mulot, S. 368 u. Orłowski, S. 13)
Der Roman Das Dorf an der Grenze wurde in der nationalsozialistisch geprägten deutschen Presse in zahlreichen Besprechungen gefeiert. Er wurde ein großer kommerzieller Erfolg; bis 1940 wurden 200.000 Exemplare dieses Romans gedruckt (Richards). Dies erlaubte es Nowak, in Berlin ein Leben als freier Schriftsteller zu führen. Er schrieb - wie schon in den Vorjahren - zahlreiche Zeitungsartikel mit nationalistischer und oft antitschechischer Tendenz. Zeugnis dieser Agitationsbestrebungen gibt auch das 1936 veröffentlichte Buch Sudetendeutschtum, welches eine bunte Mischung von (vorwiegend literarischen) Zitaten ‘sudetendeutscher’ Autoren, Zitaten über ‘die Sudetendeutschen’, historischen Exkursen und Ausführungen zur Situation der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei (Wirtschaft, Sprache, Schulwesen) bietet. Das Buch stellt eine bedenkliche Vermengung von Fiktion und Faktographie dar, wobei die angeführten ‘Fakten’ oft nicht belegt werden. Die einseitige Parteinahme für die Sudetendeutschen bekundet sich etwa in folgender Behauptung:
Wo immer in den Sudetenländern während ihres geschichtlichen Aufstieges etwas geschah an Leistung und Tat, was die Zeiten überdauerte, wo immer eine Stadt entstand oder ein Dorf aus wilder Wurzel, wo immer menschlicher Geist in den Sudetenländern den Reichtum der Erde erschloß, immer und überall waren die Deutschen maßgebend daran beteiligt. (Sudetendeutschtum, S. 13)
Angeregt vom NS-Lehrerbund schrieb Nowak das Kinderbuch Die Kinder von Kirwang, welches thematisch sehr eng an das Dorf an der Grenze angelehnt ist: Das sudetendeutsche Dorf Kirwang wird allmählich von Tschechen ‘unterwandert’; eine tschechische Minderheitenschule wird gegründet, und es wird Druck auf deutsche Eltern ausgeübt, ihre Kinder in diese zu schicken. Der neue Lehrer der deutschen Schule Leithoff wendet sich gegen diese Tschechisierungsbestrebungen, doch zunächst vergeblich: Die deutsche Schule von Kirwang wird aufgelöst, und die Kinder, die nicht die tschechische Schule besuchen wollen, müssen täglich zu Fuß in die deutsche Schule des Nachbardorfs gehen. Trotz dieser Schikanen und der hieraus resultierenden Widrigkeiten bleiben die meisten deutschen Einwohner Kirwangs ‘standhaft’, und sogar einige ‘abtrünnig’ gewordene deutsche Kinder wechseln von der tschechischen auf die deutsche Schule zurück. – Auch dieses Kinderbuch war erfolgreich. Nowak erhielt hierfür den „Hans-Schemm-Preis für das beste Jugendbuch des Jahres 1938” (vgl. Oppenberg, S. 314, Kaiser, S. 108 u. Strallhofer-Mitterbauer, S. 80f.), und bis 1940 wurden 32.000 Exemplare dieses Titels gedruckt (Richards).
1938 erschien Nowaks Buch Bleib stet!, eine Sammlung von 14 Erzählungen. Alle Geschichten handeln von ‘im Osten’ lebenden Deutschen, sind oft im bäuerlichen Milieu angesiedelt und dienen generell der Propagierung einer Blut- und Boden-Ideologie. Die Erzählungen exemplifizieren ‘typisch deutsche’ Charakterzüge wie Beharrlichkeit, Treue, Opferbereitschaft, Gottesfurcht (vgl. Mulot, S. 369f.). Wiederholt wird die angebliche Überlegenheit der deutschen Kultur und die ‘moralische Verwerflichkeit’ der Slawen thematisiert. So wird etwa in der Erzählung Der Knecht Jonas ein slowakischer Mühlenbesitzer als „Prachtkerl“ bezeichnet, allerdings nur, weil er die deutsche Überlegenheit anerkennt:
Nichts für ungut, Herr, aber ihr Deutschen habt es hinter den Ohren! Wo ihr seid [...], da hat der Slowake verspielt. (Bleib stet!, S. 18).
Und in der Geschichte Der Schwarzbäck stürzt die laszive, animalisch-sinnliche „böhmische Anna“ durch ihr ‘unmoralisches’ Verhalten zwei deutsche Männer ins Verderben. Einige Erzählungen, beispielsweise Und dein ist der Sieg!, thematisieren auch das Elend der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei und sind somit Variationen von Nowaks früheren Romanen.
1939, zeitlich sehr gut ‘passend’ zur Annexion der Tschechoslowakei an das Deutsche Reich, erschien Nowaks Buch Sudetenland und das deutsche Prag. Es handelt sich um eine Art Reiseführer durch sudetendeutsche Landschaften und Städte mit Ortsbeschreibungen und historischen Ausführungen. Behandelt werden Städte wie z. B. Troppau, Gablonz, Reichenberg, Leitmeritz, Eger, Iglau und Prag. Für sie alle versucht Nowak zu demonstrieren, dass sie entweder ‘immer schon’ deutsch waren oder ganz wesentlich durch Deutsche geprägt wurden. Das Buch lässt sich als eine Rechtfertigungsschrift für die deutsche Annexion lesen.
1940 stirbt Nowak erst 39-jährig in Berlin, nach Zimprich (S. 62) an einem „Nervenleiden” im Verbund mit einer Lungenentzündung (vgl. Oppenberg, S. 317, Eichler, S. 129).
1942 erschien das von Martha Rothacker [Nowak] herausgegebene Buch Vermächtnis, das bis dahin zumeist unveröffentlichte Gedichte, Prosatexte, Volksspiele, Aufsätze und Briefe Nowaks enthält; zudem enthält dieses Buch kurze biographische Darstellungen.
Im Deintegrationsprozess zwischen Deutschen und Tschechen stellt das Werk Nowaks einen traurigen Höhepunkt dar.
(Karsten Rinas, Troppau)