Heinrich Ferdinand Möller: Der Graf von Waltron, oder die Subordination
Schauspiel in 5 Aufzügen.[Das Werk wird auch Walltron genannt.
Weitere Ausgaben: Prag und Dresden 1776. Sulzbach 1776. Frankfurt am Mayn 1776. Nachdruck: Frankfurt und Leipzig 1776; 2. und 3. verbesserte Auflage: Leipzig 1777. Nachdruck: Würzburg 1777; Neue Auflage: Ein Originaltrauerspiel. Kurzböck, Wien 1778; Neue, verbesserte Auflage: Tobias Goebhardt, Frankfurt u. a. 1778; Neue verbesserte Auflage: Leipzig 1791. (Einige Nachdrucke.); Übersetzungen: Hrabě Waltron, aneb: Subordinacj: wogenská činohra w 5 gednánjch, zčeštělá od J.N.Š. [Jan Nepomuk Štěpánek]. Špinka, Praha 1840; Le comte de Waltron ou la subordination. Tragédie en cinq actes. L. Cellost, Paris 1781.]
Das Prosa-Trauerspiel spielt in einem Kriegslager, von früh morgens bis ein Uhr mittags. In der Exposition wird Graf Waltron als ein ehrlicher Mann und tapferer Soldat vorgestellt, der seine Heldentaten als Pflicht bezeichnet und der „der Ehre, und nicht des Eigennutzes wegen“ (Waltron, I,6) dient, der aber auch heißes Blut hat und oft sein Temperament nicht zügeln kann. Im Zorn vergreift sich Waltron an seinem Vorgesetzten Graf von Bembrock, der zugleich sein Schwager ist, und wird zum Tode verurteilt, obwohl ihn für eine frühere Heldentat (er hat den Prinzen aus der Schlacht gerettet) eine Beförderung erwartet. Während die Offiziere und sogar Waltron selbst das Urteil für gerecht halten, protestiert seine Frau, die Gräfin Waltron, dagegen:
Mit dem leidenschaftlich vorgetragenen, unbedingten Anspruch der Gräfin auf Glück (und auf das Leben des Gatten) wird als Gegenmodell zur auf Harmonie und Mitleiden beruhenden Männerwelt der Soldaten eine Sturm-und-Drang Konzeption entworfen, die letztlich aber schwärmerisch bleibt und keine wirkliche Alternative zum stoisch-männlichen Entwurf bildet. (Zitiert nach Krah, S. 222)
Aber auch die stoische Männerwelt erweist sich, obwohl sie sich den harten Anordnungen unterwirft, eher als empfindsam-zärtlich. Selbst das Opfer von Waltrons Ausschreitung, Graf von Bembrock, bedauert Waltron seufzend: „Ein Mann, dessen vortreffliche Eigenschaften und seltenen Verdienste sich die Achtung, die Liebe eines jeden empfindsamen Herzens erworben.“ (Waltron, II,1) Mit feuchten Augen bekennen auch andere, dass sie Waltron lieben. Der Feldmarschall lässt auf Waltrons Todesurteil eine Träne fallen, aber seine Ehre gebietet ihm, dass er „den Meinigen weniger nachsehe, als anderen“ und er beteuert, dass er „keine Klausul des Gesetztes überspringen will“, obwohl ihn „der Verlust seines eigenen Sohnes nicht mehr schmerzen könnte.“ (Waltron II,3) Den Höhepunkt bilden Waltrons Abschiedsrede, die dramatische Verzögerung und dann der Protest seiner Gattin. Waltron will nicht kriecherisch um Nachsicht bitten und die Reaktion seiner Frau ist der von Minna von Barnhelm nicht unähnlich: „Ha Barbar! um deinen Stolz nicht zu kränken, willst du dein Weib, dein eigenes Blut unglücklich machen?“ (Waltron, III,4) Sie bezeichnet nicht nur ihren Mann als Barbaren, sondern auch die anderen, die wähnen, rationell zu handeln und sich auf die Pflicht und Ordnung berufen und will, als sie nicht mehr auf Rettung hoffen kann, zusammen mit ihrem Mann sterben. Die Tragödie endet überraschend nicht mit der Hinrichtung des Haupthelden, weil sich in letzter Minute herausstellt, dass Waltrons Beförderung noch vor seiner Freveltat erfolgte und dass in Folge dessen der von ihm angegriffene Oberst Graf von Bembrock nicht mehr sein Vorgesetzter war. Den Gesetzen wird Genüge getan, die Gesetze der Gesellschaft werden also nicht von dem Glücksanspruch der Frau außer Kraft gesetzt. Das Drama endet trotzdem nicht mit einem klaren Happy-End. Gleich nach der Begnadigung wird das Lager vom Feind attackiert, das Leben aller steht auf dem Spiel. Möller gelang es, aus einem Schauspiel, das eher die Form eines weinerlichen Lustspiels hat, ein weinerliches Trauerspiel zu machen. Trefflich charakterisiert Möllers Dramatik Erich Schmidt (1880): „Er ist [...] zahm im tragischen, breiig im rührseligen, sucht Ueberraschungen, streut edle Regungen mit vollen Händen aus, strebt nach „Schlagern“ und „Abgängen...“ Trotzdem war das Drama ungewöhnlich erfolgreich, wurde mehrmals herausgegeben und von Möller sogar neu bearbeitet. Von den späteren Dichtern ließ sich Heinrich von Kleist in seinem Drama Prinz von Homburg von dem Schluss des Waltron inspirieren. Die Dramatikerin des Biedermeier Charlotte Birch-Pfeiffer setzte das leicht veränderte Stück Möllers wieder in Szene.
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