Leopold Wolfgang Rochowanski: Rändlaleut
Das Buch ist eine lockere Zusammestellung von Erzählungen, die sich um die Familie von Franzla Fläschner und die armen Bewohner einer Gebirgsstadt konzentrieren. (Der Titel Rändlaleute bezieht sich auf den sozialen Status dieser Menschen, es sind Leute vom "Rand der Strasse".) Das Buch weist starke autobiographische Momente auf, es trägt die folgende Widmung: "Meiner schlesischen Mutter lege ich diesen Kranz aus Erinnerungen aufs Grab." Die beschriebene Stadt lässt sich als Rochowanskis Geburtsstadt Zuckmantel aufschlüsseln. Der Stil ist für Rochowanski ungewohnt realistisch, wenn auch ausgesprochen unkonventionell, die Leute und Landschaft werden mit Wärme und poetischer Kraft geschildert. Das Buch erschien 1946 unter dem Titel Die unendliche Straße neu.
Wenn meine Erinnerung darin spazieren geht, braucht sie sich nicht zu ermüden, denn jene Stadt dort oben in Schlesien ist wirklich klein zu nennen, sie besteht eigentlich aus einer einzigen Strasse. Es gibt schon einige Hintergässchen, aber sie sind so bescheiden Zuflüsse, dass man sie nicht gleich bemerkt. Gar mancher Fremder, der auf der Landstrasse daherkam, in diesen Ort hineinschritt und nicht bald innehielt, war plötzlich am anderen Ende wieder draussen und schaute sich mit der erstaunten Frage um: wo ist denn eigentlich die Stadt? (7)
Eine einzige Strasse war gewiss nicht viel, aber dafür spielte sich dort der ganze Verkehr ab. Bei diesem Wort muss allerdings die Phantasie sofort zurückgedrängt oder noch viel abgedrängt werden und zwar hinüber ins verträumte Idyllische. Fast jedes Haus war im BEsitze eines Kaufmanns und daher grenzte Geschäft an GEschäft. Zu gewissen Stunden des Tages lehnte wohl in jeder Ladentür der Inhaber, hielt seine Pfeiffe oder blosse Ausschau. Musste ein BEwohner der Niederstadt in die Oberstadt oder einer von dieser nach jener, dann begann sich eine Girlande von Grüssen und Fragen an der Häuserreihe entlang zu winden und manche Blume der zuneigung oder Heiterkeit wurde eingeflochten. (8-9)
Auf dem Mittelteil, der eigentlichen Strasse, die zwischen den engbrüstigen Bürgersteigen trotz ihrem buckligen Charakter recht grossartig tat, kam selten ein Gefährt daher, das die Verborgenen an die Fenster zog. Kühe spazieerten vorbei und prahlten mit ihren Eutern, rauchende Düngerwagen zogen knarrend den Feldern zu, den die Bewohner verschwendeten ihre Verdauungsarbeit noch nicht an die gefässige Kanäle. [...] So sass unter den alten Giebelhäusern die Stille wie eine gütige Fee und ihr atem tropfte wie ein sanfter Balsam in aller Gemüter. (10-11)
LM?
Seine Prosa Rändlaleut wurde unter dem Titel Die unendliche Straße 1946 neu herausgegeben.