Geboren in der Familie eines Notars, wuchs Leopold Wolfgang Rochowanski in einem gutbürgerlichen Milieu auf. Nach dem Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaft in Wien war er seit 1913 als Redakteur des „Illustrierten Wiener Extrablatts“ und seit 1917 als Berichterstatter und Theaterkritiker für ausländische Zeitungen (Berlin, Prag und Paris) in der „Central-Correspondenz Wien“ tätig. Zunächst aber galt sein Interesse der zeitgenössischen Mundartdichtung aus seiner schlesischen Heimat, dessen erstes Ergebnis der von ihm 1912 (als Erstes Jahrbuch) in Freudenthal herausgegebene Sammelband Hämetgsang darstellt. Angeregt vom „Bund oberösterreichischer Mundartdichter“, beabsichtigte er den „Bund schlesischer und mährischer Mundartdichter“ zu gründen, dessen Programm mit dem der Oberösterreicher übereinstimmen sollte: Erhaltung und Pflege der Mundart in Wort und Lied, in Haus und Schule, „Mundartforschung in volkstümlichen Sinne“, Herausgabe eines Mundartwörterbuchs, sowie eine vielfältige praktisch-organisatorische Tätigkeit: von Vorleseabenden bis zur Schaffung einer „Sammelstelle für Mundartdichtungen und Handschriften, zugleich auch Bezug- und Versandplatz für Bücher in mährischer und schlesischer Mundart“. (Aus: Zum Geleit.) Aufschlussreich sind die von den einzelnen Autoren selbst verfassten, bzw. von Rochowanski zusammengestellten biografischen Medaillons. Die Anthologie enthält Beiträge (Gedichte, Sagen, Geschichten) von Engelbert Adam, Emilie Adler, Hermann Bauch, Theodor Ehrlich, Eduard Frieben, Karl Wilhelm Fritsch, Viktor Heeger, Marie Krause, Rudolf Krill, Josef Lowag, Josef Lowag jun., Alois Franz Lowag, Anselma Maria Lowag, Karl Fritz Martini, Hans Maschke, Rudolf Moche, Marie Oberdieck, Josef Schmid-Braunfels, Julius Springer, Ottokar Stauf von der March, Ernst Trull u.a. Mit den organisatorischen Plänen hängt noch ein als „Flugblatt“ veröffentlichtes (sehr dilettantisches) Gedicht von Leopold Wolfgang Rochowanski zusammen, dessen Ertrag der Künstlerfürsorge zugewendet werden sollte: Die Gedenktafel. Ein Mahnen an die Zeitgenossen (1915), in dem er auf das Elend mancher Künstler, die erst nach dem Tode Anerkennung finden, und auf die aufopfernde Hingabe ihrer Frauen hinweist.
Nach diesen Episoden, die bereits seine organisatorische Fähigkeit als Herausgeber bekundeten, und nachdem er ab 1913 als Redakteur für österreichische und ausländische Blätter tätig gewesen war, schrieb Rochowanski unter dem Einfluss des Expressionismus eine Reihe von größeren Dichtungen, Novellen und Dramen. Im Epos Der Phantast (1918) verwendet er die typische Diktion des alle Anderen als schwächlichen Pöbel verachtenden titanischen Ichs, das mit den Elementen, der Erde, dem Feuer, der Luft, eins wird. („Seht mich an! / Ich reiße die Sterne von eurem Leinwandhimmel, / schlage sie aneinander, / dass sie in leuchtenden Tropfen / die schwarzen Räume zerschneiden, / während unten eure Glotzaugen / wie Irrlichter glosend verbrennen. ... Ich liege unter der Sonne / nackt auf der Erde / und bilde mich selbst zur Erde um.“)
Der Band Nackte Inspirationen (1919) enthält Künstlernovellen, die das Verhältnis der Künstler zu ihren Frauenidolen und Modellen schildern, wobei neben dem konventionellen Blickpunkt (Verbindung von Sozialem und Moralischem) und der realistischen Form auch die rein expressionistische Einstellung und Sprache vertreten ist. Zwischen 1917 und 1922 entstanden expressionistische Erzählungen, die unter dem Titel Die phantastische Schaubude herausgegeben wurden. Auch diese ziemlich dunklen Texte sind sozial gefärbt und gegen den Spießbürger gerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg und Anfang der 20er Jahre verfasste Leopold Wolfgang Rochowanski einige Dramen, die oft märchenhafte Züge tragen oder der Sternheimschen Groteske und Absurdität verpflichtet sind.
Als aktivistischer Kritiker bemühte sich Rochowanski in den 20er Jahren die neuen Anschauungen auch theoretisch darzulegen und auf verschiedene Bereiche der darstellenden Kunst anzuwenden. Der schmale Band Der tanzende Schwerpunkt (1923, mit Zeichnungen von Anton Hanak) ist einer neuartigen Auffassung des Tanzes gewidmet, der „unsymmetrisch, ungraziös, eckig“ sein sollte, ursprünglich und natürlich. Zugleich plädiert er für eine neue Musik, die ebenso wie der Tanz nur „von Zeitbewussten geboren wird“. Als Beispiele zeigt der Band Abbildungen von Kreationen der Schule Elisabeth Duncan, Hilda Hager, Ellen Tels sowie einiger avantgardistischen Tänzerinnen. Rochowanskis Versuch, eine theoretische Grundlage für die Einbeziehung des Tanzes in den Strom der expressionistischen Kunst zu schaffen, ist auch vom Sprachlichen her als ein Programm des Aktivismus zu lesen. Die in dem Band abgedruckten Zeichnungen von Anton Hanak (1875 – 1934), dem Bildhauer und Zeichner des Wiener Jugendstils, sind Ausdruck eines tieferen Interesses Rochowanskis für den Künstler. In demselben Jahr (1923) gab er einen Teil von Hanaks Tagebuchaufzeichnungen im Band Der brennende Mensch – Aus den Tagebüchern Anton Hanaks heraus. Die Tagebuchauszüge sind von Rochowanskis verbindenden Worten begleitet und der Band ist mit zahlreichen Reproduktionen von Federzeichnungen und Abbildungen von Plastiken des Künstlers ausgestattet.
Seit Beginn der 20er Jahre schrieb Leopold Wolfgang Rochowanski als Kunstkritiker für mehrere Zeitschriften ähnliche Manifeste, wie z. B. Die befreite Bühne (in: Der Merker, 1921), nach dem eine „freie Werkbühne“, die auf die übliche Ausstattung und Darstellungsweise verzichtet, geschaffen werden sollte, auch wenn noch keine adäquaten Dichtungen geschrieben worden sind, denn sonst „muß neuer Geist immer wieder von verstaubter Illusion gehemmt werden“ und der Dichter kann erst dann produktiv werden, wenn ihm „die neue Geistbühne“ zur Verfügung steht. Denn: „Die freie Werkbühne allein kann Mutter des neuen Geistes werden!“ Für alle diese Beiträge ist die beißende Verspottung des „alten Geistes“ und der bürgerlichen Kunstauffassung kennzeichnend. Gemeinsam mit Ludwig Steinmetz und Ludwig Sandor initiierte Rochowanski die Aktionsbühne „Der Bücherkasten“, er selbst soll auch als Tänzer aufgetreten sein.
Ebenso rege initiierte Rochowanski viele Kunstausstellungen avantgardistischer Künstler und gab Kataloge der österreichischen angewandten Kunst des 20. Jahrhunderts heraus, wie z. B. zur Wiener Keramik (1923) mit einer ausführlichen Einführung über die Geschichte dieses Kunstgewerbes oder einen Führer durch das österreichische Kunstgewerbe (1930). Die Kunst des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts blieb auch späterhin im Mittelpunkt seines Interesses, 1928 veröffentlichte er die bilanzierende Schrift Dreißig Jahre Jugendkunst. Das dürfte ihm dann zwischen 1938 und 1945 das Schreib- und Veröffentlichungsverbot eingetragen haben.
In den 30er Jahren beschäftigte sich Rochowanski erneut mit der Heimatkunde. 1936 gab er unter dem Titel Columbus in der Slovakei einen äußerst sachkundigen Reiseführer durch die Slowakei heraus, in dem er Geschichtliches mit dem zeitgenössischen Stand der Folklore, Architektur, Musik, des Theaters u.a. verbindet.
Auch der Heimatdichtung widmet er sich erneut in der Novelle Rändlaleut (1940), die 1946 unter dem Titel Die unendliche Straße neu herausgegeben wurde. 1949 erschien der Band Die holden Finsternisse, betitelt nach Goethes Bezeichnung von Schattenbildern. Das Buch enthält Silhouetten von Goethes Zeitgenossen, zu denen Rochowanski kleine Medaillons verfasste. Es sind anekdotische Skizzen, in denen Goethes literarische Reflexion seines Umgangs dargestellt wird. Unvollendet blieb der satirische Roman Der Spitzkinn, nach Mühlberger deuten Fragmente auf ein „bedeutsames zeitkritisches Werk“ hin.
Bald nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, gründete Rochowanski in Wien den Agathonverlag, den er bis 1948 leitete und in dem er literarische Almanache herausgab. Im Agathon Almanach auf das Jahr 47 des 20. Jahrhunderts veröffentlichte er verschiedene Materialien zum Wiener Expressionismus in Literatur und Kunst. 1946-1947 gab er die Kunstzeitschrift Die Schönen Künste heraus und später redigierte er die Zeitschrift Die literarische Welt.
(Lucy Topoľská)