Ella Hruschka: Ferdinand Raimund

Bilder aus einem Dichterleben in 4 Akten und Vorspiel
Unvollendet
Jahr der Publikation
1907
Verlag
Wigand
Publikationsort
Berlin/Leipzig
Gattung
Drama
Bibliographische Daten
Ferdinand Raimund. Bilder aus einem Dichterleben in 4 Akten und Vorspiel. Wigand, Berlin/Leipzig 1907.
Art der Veröffentlichung
Separate Veröffentlichung

Eine große Hochachtung erlangte Hruschka mit dem Stück Ferdinand Raimund, das im Raimund-Theater in Wien 1906 uraufgeführt und ein Jahr später nach dem Erscheinen im Berliner Verlag Wigand mit dem niederösterreichischen Landesautorenpreis ausgezeichnet wurde. Schon der Titel deutet darauf hin, dass Hruschka eine treue Verehrerin Raimunds und seiner Wiener Volksstücke und vor allem seiner Zauberstücke war und dass sie hiermit dieses seinerzeit überaus populäre Genre erneuert auf die Bühne bringen wollte. Hierfür spricht auch die Aussage Mühlbergers, der im ersten Kapitel Erstarrung und erste Lösungsversuche seiner Studie Die Dichtung der Sudetendeutschen in den letzten 50 Jahren (Kassel-Wilhelmshöhe 1929) erklärt: „Ella Hruschka (1854-1912) wollte den Zauber der altwiener Zauberkomödie wachrufen; sie erzählt von der Bühne herab Leiden und Leben Raimunds [...].“ (Mühlberger, S. 26) Der Wiener Kritiker und Feuilletonist Max Kalbeck urteilt über dieses sozusagen Opus im ähnlich klingenden lobenden Ton:

Lassen Sie mich Ihnen herzlich danken für die große Freude und den reinen Genuss, den ich von der Lektüre Ihres ´Ferdinand Raimund´ gewonnen habe. Es ist Ihnen gelungen, in diesen poetischen, von dramatischem Leben bewegten Szenen ein ebenso treues als fesselndes Bild des Dichters und seiner Zeit gegeben zu haben. Die Charakterstudie der Hauptperson ist so sorgfältig und fein ausgeführt, dass ich Ihrer Dichtung auch abseits von der Bühne einen großen Erfolg verspreche. (Literarische Silhouetten)

Hruschka schildert Raimund als einen sehr begabten, liebevollen und zum Teil depressiven Mann, der zum Opfer seiner hasserfüllten und neidvollen Zeit geworden ist. Nach einem einführenden Gedicht wird das unzählige Personal vorgestellt, es sollen nämlich die Jahre zwischen 1790 und 1836 behandelt werden, d. h. der ganze und wirkliche Lebensweg Raimunds. Das Stück besteht also aus fünf Momenten: im Vorspiel wird das Kind Ferdinand geboren und durch märchenhafte Wesen mit dem Besten für das Leben ausgerüstet. Ganz im Sinne von Raimunds Zauberstücken erscheinen außer den Feen das Schicksal, das der Held an seinem Todesende wiedertrifft, und der Genius der Poesie. Der erste Akt stellt die Schauspieler und Schauspielerinnen aus dem Leopoldstädter Theater vor, dem Wirkungsort Raimunds, aus deren Unterhaltung der Neid auf Raimunds Erfolge ersichtlich wird. Es kommt zu einer Liebeserklärung zwischen Raimund und Toni Wagner, die aber durch Tonis Eltern zerstört wird. Im zweiten Akt erfährt man, dass Ferdinand Raimund seine Kollegin Luise Gleich geheiratet hatte, aber diese Ehe ist unglücklich. Es kommt zu einem Bruch zwischen den Eheleuten, aber Raimund wird erneut durch den Genius der Poesie besucht und bekommt seine ersten Impulse zum Schreiben. Im dritten Akt, wo es zur Aufführung eines Stückes von Raimund kommt, wird der Neid seiner Kollegen und Vorgestellten eklatanter und führt zum Rückzug des Haupthelden in ein Haus in der Nähe Wiens. Der vierte Akt schließt das Leben Raimunds, das er doch mit Toni verbringt, mit einem Hundebiss ab, durch den er sich mit Tollwut angesteckt fühlt und Selbstmord verübt. Die Glaubwürdigkeit der einzelnen Geschehnisse wird durch die aus Raimunds Tagebüchern und Briefen übernommene Zitate bezeugt. Im Stück wird bei Personen aus den Dienerschichten der Wiener Dialekt gebraucht, formal erscheinen bei den Zauberfiguren und bei Raimund selbst gereimte Aussagen; die Liebesszenen zwischen Raimund und Toni sind zugespitzt pathetisch. Die Sprache ist im Allgemeinen sehr flexibel und im spannenden Stil gebraucht, sodass sich der Leser bzw. Zuschauer schnell und bequem durch die Geschichte geführt fühlt.

3. Auflage: 1911