Julius Krick: Stadt an der March

Alte Olmützer Geschichten
Jahr der Publikation
1941
Verlag
Laurenz Kullil
Publikationsort
Olmütz
Gattung
Kürzere Prosa (Novelle, Erzählung usw.)
Bibliographische Daten
Stadt an der March. Alte Olmützer Geschichten. Laurenz Kullil, Olmütz 1941.
Art der Veröffentlichung
Separate Veröffentlichung

Zu den Erzählungen, die in dem Band Stadt an der March enthalten sind, schreibt Julius Krick:

Die folgenden  Erzählungen sind in den letzten 20 Jahren, wohl den traurigsten meiner Geburtsstadt, zumeist als Jugenderinnerungen geschrieben worden.

Krick übergab diese Erzählungen der Öffentlichkeit erst zu dem Zeitpunkt „als auch die letzten der dem Leben nachgezeichneten Personen gestorben waren.“

Die erste Erzählung, Onkel Bumm, ist ein Rückblick in die frühesten Lebensjahre des Autors. In einem sehr unterhaltsamen Ton schildert Krick seine Kindheit und skizziert treffende Porträts seiner Nächsten, die des Öfteren an Karikaturen grenzen. In dieser ersten Erzählung erwähnt er auch mehrmals seinen jüngeren Bruder, der ebenfalls Schriftsteller geworden ist, jedoch im frühen Alter von sechsunddreißig Jahren an Tuberkulose starb. Bereits in dieser Erzählung macht sich Kricks Interesse für das Militär bemerkbar, welches auch daher rühren mag, dass „Olmütz eine der bekanntesten Garnisonstädte der alten Donaumonarchie war.“ Kricks Wunsch war es, wie er es in dieser ersten autobiographischen Erzählung erwähnt, in die Militärrealschule einzutreten, was er jedoch gegen den Willen des Vaters nicht durchzusetzen vermochte. Meister Klose und sein Geselle ist die nächste Erzählung, welche zum größten Teil in der Werkstatt eines Olmützer Buchbinders spielt. Bei der Beschreibung mancher historischen Geschehnisse legt Krick großen Wert auf eine präzise Detailmalerei (z. B. Kaisergeburtstag in Olmütz). Der große Wert von Kricks Erzählungen besteht eben darin, dass sie das alte Bild von Olmütz wieder hervorrufen und die einmalige Atmosphäre der alten Stadt erfassen. Eines der Spezifika dieser Atmosphäre war unter anderem die Rivalität zwischen der deutschen und tschechischen Bevölkerung, die sich nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches fortlaufend zuspitzte.

Drei von Kricks Erzählungen, unter dem Titel Alte Olmützer Gymnasialgeschichten zusammengefasst, schildern die Stimmung in Olmütz aus der Sicht eines deutschen Betrachters. Krick porträtierte in diesen Erzählungen echte Personen, was auch einer der maßgebendsten Gründen für die verspätete Herausgabe war. In der ersten, einführenden Geschichte Die Indianer werden als Kinder die Figuren vorgestellt, die als junge Gymnasiasten in den nächsten zwei Erzählungen die Träger des Geschehens werden. Die erste Erzählung ist eine Exposition zu den folgenden zwei, der letzte Absatz schickt die Handlung der nächsten Erzählung in Form eines Traumes voraus: „Steffi schlief später als sonst. Im Traum sah sie die Brüder, aber auch Erwin und Paul vor sich. Sir trugen ein schwarz-rot-goldenes Band um die Brust und es kam ihr vor als wären sie größer und älter…“ 

Die zweite Erzählung Die gefährliche Schleife knüpft mit einem zeitlichen Abstand an die erste Geschichte an. Im Zentrum des Interesses steht eine Gruppe von Gymnasiasten, welche in einer Olmützer Kneipe eine Bismarckfeier abgehalten und dabei schwarz-rot-goldene und schwarz-rot-weiße Schleifen aufgehängt hatten. Die Feierlichkeit wird von der Polizei entdeckt und die Beteiligten sollen strengst bestraft werden, was jedoch die Professoren des k.k. Gymnasiums verhindern können. Krick sympathysiert natürlich als Deutscher mit den rebellierenden Gymnasiasten, deren Kampf für ihr Staatsrecht er als vollkommen berechtigt empfindet. Auf die Vorwürfe reagiert der Anstifter der Rebellion mit dem Argument: „Wenn die Tschechen aber ihr Staatsrecht verlangen, ist das vielleicht etwas anderes?“ Dabei äußert sich Krick zwischenzeitlich beinahe bewundernd zu der Zusammengehörigkeit der tschechischen Studenten: „Die halten zusammen wie Kletten […]. Schüler, Professoren und Direktor stehen zu einander. Wenn einer etwas ausgefressen hat, helfen ihm zehn andere aus der Patsche.“ Krick stellt die Auseinandersetzungen zwischen den deutschen und tschechischen Studenten in Olmütz als einen offenen Kampf dar, in dem eine freundschaftliche Beziehung zwischen den Angehörigen der zwei Parteien nicht in Frage kommt. Im Rahmen dieses nationalen Kampfes werden die Auseinandersetzungen innerhalb des deutschen Studententums vergessen. „Punkt 1 der Beschlüsse war: keine Keilerei zwischen Realschülern und uns. Zum verdreschen sind die Tschechen da.“ Man muss jedoch bei solchen Passagen in berücksichtigen, dass die Einstellung der tschechischen Bevölkerung zu der deutschen in Olmütz durchaus nicht freundlicher gewesen war.

Das Olmützer k.k. Gymnasium steht auch im Mittelpunkt der dritten Erzählung, Majalis, in der die deutschen Gymnasiasten und Professoren die Gepflogengheit der alten Olmützer Universität, jedes Jahr eine Feier am 1. Mai zu veranstalten, erneuern. Das Anknüpfen an diese alte Tradition wird von Krick als ein Akt der Selbstbestätigung des deutschen Studententums in Olmütz dargestellt, der Zug durch die Stadt wird als „Propagandamarsch“ definiert. Obgleich zwischen der zweiten und dritten Erzählung nur einige Jahre liegen, sind die politischen Veränderungen in Olmütz deutlich zu merken. Während in der zweiten Erzählung, die ungefähr um das Jahr 1885 spielt, nur das öffentliche Tragen einer schwarz-rot-goldenen Schleife, deren Farben diejenigen der deutschen Burschenschaften im Jahre 1848 waren und später der sudetendeutschen Bewegung, ein durchaus gefährliches und von der Polizei verfolgtes Verfahren war, werden in Majalis die deutschen Schleifen öffentlich verteilt und verkauft. Am Ende der Feierlichkeit wird statt der Nationalhymne der Schlachtgesang des deutschen Heeres, die Wacht am Rhein gesungen: „Und stärker und stärker wurde der Gesang. Es gab keinen Unterschied mehr in der Gesellschaft, es war kaum einer da, der die ‚Wacht am Rhein‘ nicht aus ganzem Herzen mitgesungen hätte.“  Man muss anmerken, dass die Erzählung zwar in den 90-er Jahren des 19. Jh. spielt, Krick jedoch die letzten Korrekturen im Jahre 1939 machte, als die Lage der Deutschen in Olmütz eine völlig andere war.

Die letzte Erzählung des Bandes, Hauptmann Mathes, schließt den Band chronologisch ab. Der Handlungszeitraum dieser Erzählung ist bereits der erste Weltkrieg. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt allerdings nicht auf der Schilderung der Kriegsgeschehnisse. Der Krieg erfüllt eher die Funktion einer Kulisse, vor der sich der Dialog zweier aus Olmütz stammender Offiziere abspielt. Das Thema des Gespräches ist der Untergang der Olmützer Fabrikantenfamilie Schatschek, welcher retrospektiv ausführlich geschildert wird.

Das Buch Stadt an der March fand in erster Linie bei den deutschen, in Mähren lebenden Lesern unerwarteten Beifall. Es ist unerlässlich, dieses Buch mit Rücksicht auf die damalige politische Stellung der deutschen Bevölkerung in Olmütz zu interpretieren. Alle Kommentare, die zu Kricks Buch nach dem Jahre 1939 abgegeben worden sind, sind mit Vorbehalt zu lesen, da sie zumeist versuchen, aus Stadt an der March ein Propagandabuch zu machen. Dieses Buch ist jedoch eher als ein historisches Dokument zu verstehen, welches sich mit dem Nationalitätenproblem in Olmütz vom Standpunkt eines deutschen Bürgers auseinandersetzt.