Julius Krick
Julius Krick wurde als erster Sohn des Bankbeamten Julius Krick in Olmütz geboren. In seiner Geburtsstadt besuchte er das Untergymnasium. Der Vater hatte für den Sohn die Beamtenlaufbahn vorgesehen und Krick sollte sich auf seinen zukünftigen Beruf in der Brünner Handelsschule vorbereiten. Er brachte jedoch für diese Berufsaussichten keine Begeisterung auf und überließ die vom Vater geplante Beamtenkarriere seinem Bruder Otto Emil Krick, der sich aber nach dem Tod des Vaters gleichfalls ausschließlich als Journalist und Schriftsteller betätigte. Julius Krick trat als Lehrling in die Buchhandlung E. Hölzel in Olmütz ein und wechselte dann in verschiedene Sortimentsbuchhandlungen. Sechs Jahre verbrachte J. Krick in Brünn bei G. R. Karafiat, acht Jahre betätigte er sich als Geschäftsführer in Troppau und schließlich landete er im Jahre 1907 bei A. Pichlers Witwe & Sohn in Wien. Es handelte sich dabei um einen großen Betrieb mit 200 Angestellten. R. Zimprich bemerkt in der Vorrede zu Kricks Werk Stadt an der March: „Was ihm an dieser Firma besonders gefiel, ist die Tatsache, daß sie vollkommen judenrein blieb.“ Man muss unbedingt berücksichtigen, dass diese Vorrede von Zimprich im Jahre 1941 geschrieben wurde, also zwei Jahre nach dem Tod von J. Krick und nach dem Ausbruch der nazionalsozialistischen Diktatur. Obgleich die Bemerkung von Zimprich auf eine radikale antisemitische Einstellung Kricks deutet, befinden sich im Werk keine direkten antisemitischen Aussagen und der Autor selbst äußert sich in seiner eigenen Vorrede vom Jahre 1939 nicht in dieser Richtung.
Die Vorrede von Julius Krick ist zwar deutschnational, was auch mit einer antitschechischen Einstellung zusammenhängt, aber eine solche Einstellung entsprach der allgemeinen Stimmung der aus Mähren stammenden Deutschen nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Krick äußert sich explizit zu der Nationalitätenfrage in der Vorrede folgendermaßen:
Der Zusammenbruch des Habsburgerreiches mit seinen Folgen hat, wie alle anderen deutschen Städte des heutigen Protektorates, auch Olmütz schwer betroffen; vielleicht am schwersten. Er hat nur vollendet, was die Preußenfurcht der früheren österreichischen Regierungen eingeleitet hatte, die Vertschechung.
Im ersten Weltkrieg stand Krick vom Jahre 1916 an bis zum Ende des Krieges im Feld. Die letzten Tage vor der Niederlage der Mittelmächte befand sich Krick in der Ukraine in der Nähe von Cherson. Nach der Rückkehr in die Heimat übernahm Krick bei seiner Firma die Leitung der naturwissenschaftlichen Abteilung. Auf diesem Posten blieb er bis zum Jahre 1932, als er sich in den Ruhestand zurückzog. Die letzten Lebensjahre widmete sich J. Krick ausschließlich seinem literarischen Schaffen. Außer dem Erzählungsband Stadt an der March ist die Kriegserzählung Tscherkeß verzeichnet, mit dem Untertitel Eine Geschichte aus den Tagen von Lutzk. Krick benannte diese Erzählung nach einem Beutepferd, das auf eine seltsame Weise mit dem Schicksal der Hauptfiguren verbunden ist. Krick ist auch Autor von zwei Romanen, Die Kalinowskis, welcher in der Ukraine spielt und Der Andere, dessen Handlung teilweise nach Amerika verlegt wurde.
Zu den Erzählungen, die in dem Band Stadt an der March enthalten sind, schreibt Julius Krick:
Die folgenden Erzählungen sind in den letzten 20 Jahren, wohl den traurigsten meiner Geburtsstadt, zumeist als Jugenderinnerungen geschrieben worden.
Krick übergab diese Erzählungen der Öffentlichkeit erst zu dem Zeitpunkt „als auch die letzten der dem Leben nachgezeichneten Personen gestorben waren.“
Die erste Erzählung, Onkel Bumm, ist ein Rückblick in die frühesten Lebensjahre des Autors. In einem sehr unterhaltsamen Ton schildert Krick seine Kindheit und skizziert treffende Porträts seiner Nächsten, die des Öfteren an Karikaturen grenzen. In dieser ersten Erzählung erwähnt er auch mehrmals seinen jüngeren Bruder, der ebenfalls Schriftsteller geworden ist, jedoch im frühen Alter von sechsunddreißig Jahren an Tuberkulose starb. Bereits in dieser Erzählung macht sich Kricks Interesse für das Militär bemerkbar, welches auch daher rühren mag, dass „Olmütz eine der bekanntesten Garnisonstädte der alten Donaumonarchie war.“ Kricks Wunsch war es, wie er es in dieser ersten autobiographischen Erzählung erwähnt, in die Militärrealschule einzutreten, was er jedoch gegen den Willen des Vaters nicht durchzusetzen vermochte. Meister Klose und sein Geselle ist die nächste Erzählung, welche zum größten Teil in der Werkstatt eines Olmützer Buchbinders spielt. Bei der Beschreibung mancher historischen Geschehnisse legt Krick großen Wert auf eine präzise Detailmalerei (z. B. Kaisergeburtstag in Olmütz). Der große Wert von Kricks Erzählungen besteht eben darin, dass sie das alte Bild von Olmütz wieder hervorrufen und die einmalige Atmosphäre der alten Stadt erfassen. Eines der Spezifika dieser Atmosphäre war unter anderem die Rivalität zwischen der deutschen und tschechischen Bevölkerung, die sich nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches fortlaufend zuspitzte.
Drei von Kricks Erzählungen, unter dem Titel Alte Olmützer Gymnasialgeschichten zusammengefasst, schildern die Stimmung in Olmütz aus der Sicht eines deutschen Betrachters. Krick porträtierte in diesen Erzählungen echte Personen, was auch einer der maßgebendsten Gründen für die verspätete Herausgabe war. In der ersten, einführenden Geschichte Die Indianer werden als Kinder die Figuren vorgestellt, die als junge Gymnasiasten in den nächsten zwei Erzählungen die Träger des Geschehens werden. Die erste Erzählung ist eine Exposition zu den folgenden zwei, der letzte Absatz schickt die Handlung der nächsten Erzählung in Form eines Traumes voraus: „Steffi schlief später als sonst. Im Traum sah sie die Brüder, aber auch Erwin und Paul vor sich. Sir trugen ein schwarz-rot-goldenes Band um die Brust und es kam ihr vor als wären sie größer und älter…“
Die zweite Erzählung, Die gefährliche Schleife, knüpft mit einem zeitlichen Abstand an die erste Geschichte an. Im Zentrum des Interesses steht eine Gruppe von Gymnasiasten, welche in einer Olmützer Kneipe eine Bismarckfeier abgehalten und dabei schwarz-rot-goldene und schwarz-rot-weiße Schleifen aufgehängt hatten. Die Feierlichkeit wird von der Polizei entdeckt und die Beteiligten sollen strengst bestraft werden, was jedoch die Professoren des k.k. Gymnasiums verhindern können. Krick sympathysiert natürlich als Deutscher mit den rebellierenden Gymnasiasten, deren Kampf für ihr Staatsrecht er als vollkommen berechtigt empfindet. Auf die Vorwürfe reagiert der Anstifter der Rebellion mit dem Argument: „Wenn die Tschechen aber ihr Staatsrecht verlangen, ist das vielleicht etwas anderes?“ Dabei äußert sich Krick zwischenzeitlich beinahe bewundernd zu der Zusammengehörigkeit der tschechischen Studenten: „Die halten zusammen wie Kletten […]. Schüler, Professoren und Direktor stehen zu einander. Wenn einer etwas ausgefressen hat, helfen ihm zehn andere aus der Patsche.“ Krick stellt die Auseinandersetzungen zwischen den deutschen und tschechischen Studenten in Olmütz als einen offenen Kampf dar, in dem eine freundschaftliche Beziehung zwischen den Angehörigen der zwei Parteien nicht in Frage kommt. Im Rahmen dieses nationalen Kampfes werden die Auseinandersetzungen innerhalb des deutschen Studententums vergessen. „Punkt 1 der Beschlüsse war: keine Keilerei zwischen Realschülern und uns. Zum verdreschen sind die Tschechen da.“ Man muss jedoch bei solchen Passagen in berücksichtigen, dass die Einstellung der tschechischen Bevölkerung zu der deutschen in Olmütz durchaus nicht freundlicher gewesen war.
Das Olmützer k.k. Gymnasium steht auch im Mittelpunkt der dritten Erzählung, Majalis, in der die deutschen Gymnasiasten und Professoren die Gepflogengheit der alten Olmützer Universität, jedes Jahr eine Feier am 1. Mai zu veranstalten, erneuern. Das Anknüpfen an diese alte Tradition wird von Krick als ein Akt der Selbstbestätigung des deutschen Studententums in Olmütz dargestellt, der Zug durch die Stadt wird als „Propagandamarsch“ definiert. Obgleich zwischen der zweiten und dritten Erzählung nur einige Jahre liegen, sind die politischen Veränderungen in Olmütz deutlich zu merken. Während in der zweiten Erzählung, die ungefähr um das Jahr 1885 spielt, nur das öffentliche Tragen einer schwarz-rot-goldenen Schleife, deren Farben diejenigen der deutschen Burschenschaften im Jahre 1848 waren und später der sudetendeutschen Bewegung, ein durchaus gefährliches und von der Polizei verfolgtes Verfahren war, werden in Majalis die deutschen Schleifen öffentlich verteilt und verkauft. Am Ende der Feierlichkeit wird statt der Nationalhymne der Schlachtgesang des deutschen Heeres, die Wacht am Rhein gesungen: „Und stärker und stärker wurde der Gesang. Es gab keinen Unterschied mehr in der Gesellschaft, es war kaum einer da, der die ‚Wacht am Rhein‘ nicht aus ganzem Herzen mitgesungen hätte.“ Man muss anmerken, dass die Erzählung zwar in den 90-er Jahren des 19. Jh. spielt, Krick jedoch die letzten Korrekturen im Jahre 1939 machte, als die Lage der Deutschen in Olmütz eine völlig andere war.
Die letzte Erzählung des Bandes, Hauptmann Mathes, schließt den Band chronologisch ab. Der Handlungszeitraum dieser Erzählung ist bereits der erste Weltkrieg. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt allerdings nicht auf der Schilderung der Kriegsgeschehnisse. Der Krieg erfüllt eher die Funktion einer Kulisse, vor der sich der Dialog zweier aus Olmütz stammender Offiziere abspielt. Das Thema des Gespräches ist der Untergang der Olmützer Fabrikantenfamilie Schatschek, welcher retrospektiv ausführlich geschildert wird.
Das Buch Stadt an der March fand in erster Linie bei den deutschen, in Mähren lebenden Lesern unerwarteten Beifall. Es ist unerlässlich, dieses Buch mit Rücksicht auf die damalige politische Stellung der deutschen Bevölkerung in Olmütz zu interpretieren. Alle Kommentare, die zu Kricks Buch nach dem Jahre 1939 abgegeben worden sind, sind mit Vorbehalt zu lesen, da sie zumeist versuchen, aus Stadt an der March ein Propagandabuch zu machen. Dieses Buch ist jedoch eher als ein historisches Dokument zu verstehen, welches sich mit dem Nationalitätenproblem in Olmütz vom Standpunkt eines deutschen Bürgers auseinandersetzt.
(Marie Beránková, Olmütz)
Krick wurde als Sohn eines Bankbeamten geboren. Gegen den Wunsch seines Vaters brach er sein Studium an der Brünner Handelsschule ab und begann sein Lehrlingsstudium in der Buchhandlung E. Hölzel in Olmütz und war später in verschiedenen Sortimentbuchhandlungen tätig. 1907 übersiedelte er nach Wien, wo er bei A. Pichlers Witwe & Sohn arbeitete, ab 1918, nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, als Leiter der Naturwissenschaftlichen Abteilung. 1932 ging er in den Ruhestand und in seinen letzten Lebensjahren widmete er sich seinem literarischen Schaffen.
Krick betätigte sich v. a. als Buchhändler. Daneben war er Autor von zahlreichen Erzählungen und zwei Romanen (Die Kalinowskis; Der Andere). Im Vergleich zu den Romanen, dessen Handlung teilweise oder völlig in fremden Ländern spielt, konzentriert sich Krick in seinen Erzählungen zumeist auf seine Jugenderinnerungen aus Olmütz (im Sammelband Stadt an der March, 1941). Seine Erzählungen zeichnen sich durch prägnante Porträts der Figuren und detaillierte Beschreibungen von Ereignissen oder Orten aus.
Karolína Cohen
Werke |
Jahr der Publikation |
---|---|
Stadt an der March | 1941 |
Hauptmann Mathes | 1981 |
Město na řece Moravě | 2010 |
Forschungsliteratur
Motyčka, Lukáš/Opletalová, Veronika (Hgg.): Literární procházky německou Olomoucí/Literarische Wanderungen durch das deutsche Olmütz. Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2012. |
Zimprich, Richard: Einführung. In: Krick, Julius: Stadt an der March. Verlag von Laurenz Kullil, Olmütz 1941. |
Lexikon deutschmährischer Autoren. Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2003. |