Paul Zifferer wurde am 9.3.1879 in Bistritz am Hostein in Nordmähren geboren. Er stammte aus einer einflussreichen ortsansässigen jüdischen Familie, deren Erfolgsgeschichte im Jahr 1786 begann, als Joseph Zifferer (schätzungsweise 1718–1778) nach Bistritz kam und die dortige Brennerei der örtlichen Herrschaft abkaufte. Hundert Jahre später, im Jahr 1886, schenkte die inzwischen reich gewordene Familie Zifferer der Stadt das sogenannte Gemeindehospital als Zeichen der Dankbarkeit.
Als junger Mann verließ er Mähren, um in Wien und in Paris Jurisprudenz und Philosophie studieren zu können. Nach Erlangung der Doktorwürde war er als Sekretär des Grafen Foucher de Careil in Wien tätig, nachher arbeitete er in Paris bei dem Senator Baron de Caze. Er reiste durch Europa und Amerika. Er schrieb Artikel für verschiedene deutsche und französische Zeitschriften, bei der „Neuen Freien Presse“ arbeitete er als Feuilletonredakteur und verfasste auch Kritiken für die „Zeit“ (z.B. eine Kritik zur Aufführung von Strindbergs Königin Christine 1910). Da er seine Jugendjahre in Paris verbrachte, wurden die französischen Schriftsteller Flaubert und Zola zu seinen Vorbildern. Sein Jugendwerk, das sind vor allem Übersetzungen ins Französische und ins Deutsche. 1910 erschienen Flauberts Werke (bis zum Jahre 1838, übersetzt und eingeleitet von P.Z.), 1911 die Übersetzung der Novelle Die Geisterfalle von Rachilde. 1912 erschien in Berlin sein Bühnengedicht Die helle Nacht, in dem die Kritik die „Bildhaftigkeit der Gestalten“ und „die Montmartrestimmung vermählt mit wienerischer Sentimentalität“ zu finden behauptete. Das Gedicht wurde für den Reichtum seiner Dichtersprache hochgeschätzt.
1911 schrieb Zifferer die Rahmenerzählung Das Kleid des Gauklers. Es ist eine Erzählung, die mehrere, an sich scheinbar unabhängige Geschichten, wiedergibt, die voll Humor, Selbstironie und „Ironie bis zur Auflösung“(Hofmannsthal) sind. Sie beginnt wie ein Märchen und schildert burleske Lebensgeschichten der Menschen aus Österreich. Ein Gaukler wird hier als ein Spiegel eines jeden Menschen gesehen, er muss seine eigenen Kleider verkaufen, die jedem wie geschnitten passen, und jeder spielt darin hervorragend seine eigene Rolle. Alle sind daher Geschöpfe des Gauklers, ohne sich dessen bewusst zu sein. Zifferer schont keinen, ironisch und bis zur Absurdität übertrieben werden hier Beamte, Bürger und Künstler dargestellt, jede Figur trägt einen negativen Charakterzug, der alle anderen verdeckt und überblendet, was sie zu einem Typus macht. Zifferer war mit Hugo von Hofmannsthal eng befreundet, wovon ihre achtzehnjährige (1910-1928) Korrespondenz zeugt (vgl. Hilde Burger (Hrsg.): Hugo von Hofmannsthal. Paul Zifferer. Briefwechsel. Wien 1983), und wie Hofmannsthal war auch Zifferer ein „typischer Vertreter im Kleid des Gauklers der alten Monarchie“. 1912 erschien der Napoleon Almanach, in dem Zifferers Bewunderung für den Kaiser der Franzosen zum Ausdruck kommt.
Den Ersten Weltkrieg verbrachte Zifferer in Albanien als Kriegsberichterstatter, in dieser Zeit war die Korrespondenz zwischen beiden Freunden unterbrochen. Ab 1917 war Zifferer als Herausgeber der von Hofmannsthal gegründeten „Revue d'Autriche“ tätig. Diese Revue beinhaltete Artikel, die ins Französische übersetzt wurden, und ihr Ziel war es, das Ausland über den Weg Österreichs zu informieren. Es befinden sich in der Revue Beiträge von Vertretern verschiedener Nationen der Monarchie. Mit dem Ende des Krieges verstummte die Revue. 1916 erschien Zifferers erster Roman Die fremde Frau. Es ist eine Heimatgeschichte, die auf den Erinnerungen des Autors an seine Kindheit basiert, die er in Mähren verbracht hatte. Die bilderreiche Sprache und Gestaltung der Figuren gefielen Hofmannsthal. Nach dem Krieg, 1919, erschien ein anderer Novellenband Das Feuerwerk, eine Rahmenerzählung. Der Autor schildert seine Erlebnisse aus Albanien während des Ersten Weltkriegs, seine damalige Lage erinnerte ihn an diejenige der Jünglinge von Ephesos. In demselben Jahr ging Zifferer nach Paris, um dort die Stelle des Presseattachés am 16.10.1919 anzutreten (im gleichen Jahr war er bei den Friedensverhandlungen in St. Germain zugegen). Er wurde als „attaché spécial“ geführt, weil er sich um Presseangelegenheiten und um Angelegenheiten, die zum Ressort eines Kulturattachés gehören, kümmerte (er förderte österreichische Künstler in Frankreich; bemühte sich, in Frankreich Freunde für die Salzburger Festspiele zu gewinnen,...). Er widmete sich aber weiter der Literatur: 1923 erschien sein zweiter Roman Die Kaiserstadt, der aber zu den weniger gelungenen gezählt wird, Hofmannsthal und Schnitzler kritisierten den Roman.
Sein letzter Roman Der Sprung ins Ungewisse schließt diese Art von Triptychon der Romane über den österreichischen Menschen und wurde als eine Art „Abrechnung mit dem Amerikanismus“ bezeichnet. In Zifferers Werk kommt oft die österreichische Stimmung der Enttäuschung nach dem Krieg, der Österreich in die Position eines „Verliererstaates“ stellt, zum Ausdruck. 1927 wurde Zifferer von der Französischen Republik der „Ordre des Palmes Académiques“ verliehen und am 20.2.1927 wurde er zum Chevalier der Ehrenlegion und am 17.7.1928 zu deren Offizier ernannt. Karl Kraus stellte die Verleihung der Ehrenlegion als eine Falschmeldung der Presse dar und Zifferer wurde zur Zielscheibe der Satire in seiner Heimat. 1928 erkrankte er an Krebs und kehrte aus Frankreich nach Österreich zurück, wo er nach 5 Monaten am 14.2.1929 starb. Zwei Tage später wurde er am Hietzinger Friedhof begraben.
(Vlasta Jiranová, Olmütz)
Neben Paul Zifferer betätigte sich auch seine Schwester Ida Waldek (1880–1942) literarisch, im Hause Zifferer fanden Debatten über Kunst, Literatur und Ästhetik statt. Die weitverzweigte Familie Zifferer brachte auch einen Architekten hervor: Donat Zifferer (1845–1909) war ein engagierter Freimaurer, 1895 wurde er als Vertreter der Liberalen in den Wiener Gemeinderat gewählt. Donats Ehefrau Rosa Schüler war politisch aktiv und machte sich später als Frauenrechtlerin in Österreich einen Namen.
Herausgebertätigkeit:
Jaime, der Sammler. G. Flaubert. 1910.
Revue d`Autriche 1917-1918.
Beiträge in Zeitschriften und Zeitungen:
Literaturblatt der Neuen Freien Presse: Reclam Bücherei (14.6.1908), Der neue Sudermann (13.12.1908), Die neuen Bücher Raoul Auerheimers (12.6.1910), Von Leidenden und befreiten, von Edm. Jaroljnek (18.9.1910), Ein neues Buch von K.H.Bartsch (16.10.1910), Das Tagebuch einer russischen Familie, von Ossip Dymow (22.1.1911), Stefan Zweig: Erstes Erlebnis; Raoul Auerheimer: Der gußeiserne Heiland (3.12.1911), Das versunkene Wirtshaus (Novelle, Osterbeilage 1912), Das neue Buch von Arthur Schnitzler, Masken und Wunder (19.5.1912), Altdeutsche Novellen von Leo Greiner (2.3.1913), Die Blumen der Tänzerin Rosita (Novelle, Osterbeilage 1913), 1813 in Liedern, ein Zyklus von Ernst Lissauer (27.4.1913), Sonette von A. Wildgans (18.5.1913), Der Tod in Venedig, von T. Mann (8.6.1913), Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Saint-Simon (31.8.1913), Erinnerung an Burkhard (5.10. 1913)
Neue Freie Presse: zwischen 1908 und 1919 erschienen da 212 Feuilletons (Themen: neue lit. Erscheinungen, gesellschaftliche Ereignisse, …) Der Leidensweg in Saint-Germain, Nr. 19678, 6.6.1919
Die Zeit: Über das französische Elektra-Gastspiel von Suzanne Després in Wien (17.4.1909)
Nachlass:
Briefe, die er an Hofmannsthal geschrieben hatte, liegen im Freien Deutschen Hochstift als Dauerleihgabe der Stiftung Volkswagenwerk.
Brenner-Archiv Innsbruck. Nachlass Walter Schlorhaufer (M40)
- Hermann Bahr an Paul Zifferer, 1 Brief (1927)
- Thomas Mann an Paul Zifferer, 1 Postkarte (1926)
- Arthur Schnitzler an Paul Zifferer, 1 Postkarte (1922)
- Stefan Zweig an Paul Zifferer, 1 Brief (1913)
Deutsches Literaturchiv Marbach
- Bestandssignatur A: Schnitzler, Zugangsnr. HS.NZ85.0001.02271,1-5, Briefe von Arthur Schnitzler an Paul Zifferer
- Bestandssignatur A: Andrian, Zugangsnummer HS.NZ78.0002.01463, Briefe von Paul Zifferer an Leopold Andrian
- Bestandssignatur A: Andrian, Zugangsnummer HS.NZ78.0002.01775, Briefe von Paul Zifferer an Hugo von Hofmannsthal