Wilhelm Szegeda
- Geburtsdaten
- 10.10.1887
- Czernowitz bei Brünn
- Sterbedaten
- 07.07.1939
- Brünn
Gebiete
Brünn-Region
Brünn
Czernowitz bei Brünn
Wilhelm Szegeda war der Sohn des Redakteurs und Hausbesitzers Franz S. (geb. 30. Juli 1855 in Brünn-Obrowitz) und dessen Ehefrau Antonia (geb. 28. Dezember 1865 in Brünn-Kröna), Tochter des Baumeisters Josef Hennemann und dessen Frau Maria, geb. Matejcík. Die Großeltern väterlicherseits hießen Stanislav und Anna Szegeda, geb. Nolder.
Szegedas Eltern, Franz und Antonia Szegeda hatten am 28. Mai 1883 in der Kirche St. Magdalena zu Brünn geheiratet.
Der Ehe entstammten sechs Kinder, von denen jedoch nur der an dritter Stelle geborene Szegeda das Erwachsenenalter erreichte. Seine zumeist sehr früh verstorbenen Geschwister hießen Franz Eugen Alexander (geb. 24. November 1883), Adelhaid (geb. 9. Dezember 1884, gest. 10. Dezember 1896), Rudolf Wilhelm (geb. 5. April 1888, gest. 11. August 1888), August Adolf (geb. 13. August 1889, gest. 1. Dezember 1889) und Friedrich Adolf (geb. 14. Februar 1891, gest. 31. Dezember 1892).
Szegeda besuchte die Lehrerbildungsanstalt in Brünn. In seinem Abschlußjahr, 1907, verfaßte er seinen ersten Roman mit dem Titel Nationalhaß. In ihm spiegelt sich die Situation des damaligen Brünner Umfeldes, die starken nationalen Spannungen zwischen der durch Zuzug schnell wachsenden tschechischen Einwohnerschaft und den Deutschen, die sich gegen den Verlust ihrer jahrhundertealten Majorität aufbäumten, wider.
Szegeda unterrichtete zunächst an der Volksschule seiner Geburtsstadt Czernowitz und gründete dort eine deutsche Volksbücherei. Nach der Bürgerschullehramtsprüfung für die humanistisch-historische Fachrichtung wechselte er 1913 an die Bürgerschule der kleinen Bezirksstadt Pohrlitz (bei Nikolsburg). Im gleichen Jahr veröffentlichte er seinen ersten Lyrikband Sturm- und Herzensglocken, der, wie seine Prosa, deutsch-nationale Züge trägt.
Am Ersten Weltkrieg nahm Szegeda als Soldat teil, zuletzt war er Leutnant im Infanterie-Regiment Nr. 8. Er kämpfte an der russischen Front, wurde mit der Tapferkeitsmedaille in Bronze und Silber sowie dem Karl-Truppenkreuz ausgezeichnet.
Nach dem Kriegsende kehrte er nach Pohrlitz zurück und stellte dort rasch unter Beweis, daß er für die Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung nicht nur als ein Mann des Wortes, sondern auch der Tat eintrat. So stand er seit 1919 an der Spitze des Bezirkslehrervereins, der sich u. a. zum Gewerkschaftssystem bekannte. Als die Tschechen im gleichen Jahr das Gebäude der deutschen Schule konfiszierten, um daraus eine tschechische Lehranstalt zu machen, initiierte Szegeda den Verein „Deutsches Haus“ für den Bau eines neuen Schulgebäudes auf Kosten der Deutschen und setzte diesen Bau auch in die Tat um. Das im November 1920 publizierte Lyrikbändchen Heimat und Minne erschien zu Gunsten des Vereins.
Szegeda übernahm auf deutscher Seite die Leitung der Pohrlitzer Gemeindewahlen am 21. März 1920 und wurde selbst als Stadtrat in das kommunale Parlament gewählt. Zudem leistete er organisatorische Mitarbeit im Volksrat der Landeshauptstadt Brünn. Seit Oktober 1921 vertrat er die Volks- und Bürgerschullehrerschaft im Bezirksschulausschuß. Da er der Sozialdemokratischen Partei angehörte, erregte er den Unwillen der deutschnationalen Zeitung „Südmährerblatt“. Seine Ehre wurde jedoch vom Nikolsburger Lehrerverein an gleicher Stelle mit Nachdruck verteidigt. Unter anderem hieß es in der Folge 66, erschienen am 22. Oktober 1921: „Es ist ja bekannt, daß fast alle völkischen Werke in Pohrlitz auf Szegedas Einflußnahme zurückzuführen sind. [...] er hält die Deutschen in Pohrlitz zu einer nationalen Einheit zusammen und hat sich somit unvergängliche Verdienste um das Deutschtum erworben“.
Am 30. November 1924 heiratete Szegeda in der Brünner Kirche St. Thomas die 1892 geborene Maria, Tochter des ortsansässigen Kaufmanns Franz Bartuschek und dessen Frau Filipine, geb. Koudela.
Einen großen Teil seiner freien Zeit widmete er auch nach der Eheschließung dem Verein „Deutsches Haus“, dessen Obmannsstellvertreter er war und dem Pohrlitzer Turnverein, den er als sogenannter „Dietwart“ (d. h. Volkswart) vertrat. Über Pohrlitz hinaus bekannt war er zudem als Redner bei festlichen, aber auch bei traurigen Anlässen.
Die meisten literarischen Werke Szegedas, sowohl seine Romane als auch die Lyrikbände, entstanden in den zwanziger Jahren und weisen zuweilen deutliche deutsch-nationale Tendenzen auf. Da viele von ihnen mehrere Auflagen erfahren haben, kann man Szegeda durchaus zu den beliebten Autoren dieser Jahre zählen. Zuweilen wurde er sogar als „der“ Dichter für das „schöne deutsche Südmährerland“ bezeichnet.
Er publizierte jedoch auch Schriften, die mit seiner Lehrtätigkeit in Verbindung standen, wie das zweibändige Werk Lebens- und Arbeitsbilder sudetendeutscher Lehrer (o. J.) oder Die deutschen Elternräte (o. J.), zu deren Begründern und Förderern er zählte.
Darüber hinaus war Szegeda sehr um die Wahrung und die kontinuierliche Vermittlung der deutschsprachigen Literatur in den böhmischen Ländern, vornehmlich in Mähren, bemüht. Davon zeugt sein 1924 publizierter Essay Südmährisches Schrifttum und die 1927 von ihm herausgegebene Anthologie Sudetendeutsches Schrifttum.
Zum Schuljahresanfang im September 1930/31 wurde Szegeda mit der Leitung der Pohrlitzer Bürgerschule betraut und im darauffolgenden Jahr zum provisorischen Direktor ernannt.
Wenn er sich auch stets intensiv für den Erhalt der deutschsprachigen Kultur und Tradition in seiner Heimat einsetzte, so war er andererseits auch immer um Ausgleich und Völkerversöhnung bemüht.
Davon zeugt besonders die 1934 erstmals im Selbstverlag publizierte Tschechoslovakische und deutsche Literaturgeschichte der böhmischen Länder und der Slovakei mit ihren hauptsächlichen Vertretern. Initiiert wurde diese Literaturgeschichte vom Obmann des Reichsverbandes deutscher Bezirksschulinspektoren, Franz Wißgott. Szegeda zeichnete als Verfasser und Herausgeber.
Wahrscheinlich als Lehrbuch für den Unterricht konzipiert (in seinem Nachwort führt Szegeda an, ein Hauptzweck seines Werkes sei es, den Schülern die bedeutendsten Vertreter der sudetendeutschen Dichtkunst näherzubringen), erschien die Literaturgeschichte zu einer Zeit, als die Spannungen zwischen den Deutschen und den Tschechen auch im - im Vergleich zu Prag - moderateren Mähren bereits stark ausgeprägt waren.
Die ausgleichende und keineswegs irredentistische Haltung Szegedas wird durch ein Foto des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk unterstrichen, das die Rückseite des Vorsatzblattes schmückt. Wesentlich ist zudem, daß Szegeda zwar von den „böhmischen Ländern“ spricht, zugleich aber, wohl als demonstrative Anerkennung der neuen Staatsformation, die Dichtung des seit 1919 dazugehörenden slowakischen Annex aufnimmt. Der Autor versuchte so, kulturell miteinander zu verklammern, was bereits wieder auseinanderstrebte.
Szegedas Band nimmt unter den einschlägigen Werken bis heute eine Sonderstellung ein, denn erstmals, so schrieb der Autor in seinem Vorwort, erschienen deutsche und tschechische Dichter nebeneinander in einer Literaturgeschichte. Sie sollte ausdrücklich dazu beitragen, daß sich „beide Hauptvölker in den böhmischen Ländern“ mit gegenseitiger Achtung und Wertschätzung begegneten.
Das Werk umfaßt 142 Seiten. Den ersten Teil leitet der „Auszug aus der tschechoslovakischen Literatur“ (Seite 8 bis 67) mit der Darstellung von 118 Dichtern ein. Daran schließt sich auf den Seiten 68 bis 73 „Die slovakische Literatur“ (19 Dichter) an. Das anschließende „Namensregister (Tschechoslovakischer Teil)“ bildet eine deutliche Zäsur. Darauf folgt mit 60 Seiten Umfang die „Kurze Literaturgeschichte der Deutschen in den historischen Ländern“ mit der Darstellung von rund 200 Literaten. Im Nachwort merkte Szegeda an, dieser Teil sei weit ausführlicher geraten als ursprünglich geplant. Dennoch wolle er keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Nach einem allgemeinen, zwei Seiten umfassenden Schlußwort setzt der deutsche Teil des Namensregisters den endgültigen Schlußpunkt.
Bereits der Aufbau zeigt, daß Szegeda die tschechische und slowakische Dichtung deutlich von der deutschen abgrenzte. Dennoch muß man seine Literaturgeschichte durchaus als eine Weiterentwicklung all jener Werke verstehen, die ausschließlich die Dichtung einer Nation oder einer Sprache darlegten.
Auch wenn Szegeda sein Werk zuweilen als „Lexikon“ bezeichnete, so handelt es sich eher um eine Mischform aus einem auf einzelnen Artikeln fußenden Lexikon und einer im Fließtext verfaßten Literaturgeschichte. Daher ist die Darstellung auch nicht alphabethisch, sondern nach Epochen geordnet. In kurzen Sätzen wird der jeweilige historische Rahmen geschildert, in die die Biographien eingebettet sind. Sie selbst werden oft durch einen überleitenden Satz miteinander verbunden. Am variierenden Umfang der einzelnen Darstellung läßt sich die Bedeutung ablesen, die Szegeda dem jeweiligen Literaten zumaß. Zuweilen finden sich interpretatorische Ansätze, Kritik übte er jedoch nicht.
Im Vorwort schrieb Szegeda, er wolle den Zusammenhang zwischen Geschichte und Literatur herausarbeiten. Aus diesem Grunde habe er in den ersten Teil seiner Darstellung tschechische Persönlichkeiten aufgenommen, die zwar keine Dichter waren, deren theoretische Schriften jedoch das literarische Leben beeinflußten und die deshalb mit der Kulturgeschichte des tschechoslowakischen Volkes innig verbunden seien. Für den der deutschsprachigen Literatur gewidmeten Teil läßt sich solches nicht konstatieren.
Szegedas Literaturgeschichte präsentierte sowohl die Vertreter der Prager Literatur, als auch die aus dem eher ländlichen oder kleinstädtischen Bereich. Letzteren widmete er, zumindest im Teil über die deutschsprachige Literatur, die längeren Abschnitte.
Um seine Intention, die Förderung einer Verständigung und eines Ausgleichs, nicht selbst zu widerlegen, blendete er den 1934 bereits heftig wütenden Nationalitätenkonflikt aus seinem Werk weitgehend aus. Seine Darstellungen und Artikel konzentrierten sich vornehmlich auf historische oder philosophische Aspekte der Literatur. Da der politische Aspekt dagegen keine tragende Rolle spielen sollte, nahm Szegeda in zahlreichen Artikeln bloße Aufzählungen von Werkstiteln vor, denen er ab und an einen inhaltlich erläuternden Satz beifügte. Die „nationale“ Frage in der Literatur wurde zwar auch behandelt, sie war jedoch nicht sein primäres Thema.
Daß Szegeda seine Literaturgeschichte vornehmlich an ein deutschsprachiges Lesepublikum richtete, zeigt sich auch daran, daß er im ersten, tschechischen Teil, die Werkstitel zunächst im Original nannte und dann eine Klammer mit der deutschen Übersetzung anfügte. Die Titel der deutschsprachigen Dichter wurden jedoch nicht ebenso ins Tschechische übertragen.
Erstaunlicherweise spielt in der gesamten Literaturgeschichte die für die böhmischen Länder besonders typische Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeit von Dichtern überhaupt keine Rolle. Und dies, obwohl gerade diese Dichter eine wichtige Funktion als kulturelle Bindeglieder zwischen den Kulturen innehatten.
Zudem findet sich nirgendwo ein Hinweis, ob diese in mehreren Auflagen erschienene Literaturgeschichte auch in tschechischer Sprache publiziert wurde.
Fest steht jedoch, daß Szegeda im darauffolgenden Jahr, 1935, eine Tschechoslowakische Anthologie veröffentlichte. Wie zahlreiche seiner deutschsprachigen Lehrerkollegen beschäftigte er sich zudem aktiv mit Heimat- und Volkskunde und deren Vermittlung, wie die 1935 erschienene Bezirkskunde von Nikolsburg belegt.
Im Januar 1938 erfolgte die offizielle Ernennung Szegedas zum Pohrlitzer Bürgerschuldirektor. Aufgrund einer schweren Erkrankung konnte er dieses Amt jedoch nur fünf Monate versehen. Im September 1938 erfolgte bereits seine endgültige Versetzung in den Ruhestand. Szegeda zog nach Brünn XII, Volsova 18. Dort starb er im Alter von nur 53 Jahren.
Er war Mitglied der dortigen Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst, gehörte darüber hinaus lange Jahre dem SDS (Schutzverband der deutschen Schriftsteller in der Ersten Tschechoslowakischen Republik), dem DSV (Deutscher Schriftsteller-Verband) und dem JSV für Mähren an. (Andrea Hohmayer, Frankfurt am Main)
Bibliographie
Selbständige Publikationen:
Um die Heimat (Roman). 1923, 4. Aufl. 1924. [nicht eingesehen]
Sonnwendfeuer (Roman). 1923. [nicht eingesehen]
Hexentanz der Liebe (Roman). 1927, 2. Aufl. 1928. [nicht eingesehen]
Ringende Liebe (Lyrik). 1927. [nicht eingesehen]
Beiträge für Zeitschriften/Zeitungen:
Aus meinem Leben. In: Altvaterbote (November 1925).
Sekundärliteratur:
Heimatortskartei Regensburg.
Südmährisches Jahrbuch 38 (1989), S. 29-32.
Brünner Heimatbote (Oktober 1987), S. 177.
Ein Foto ist abgedruckt im „Brünner Heimatboten“ (Okt. 1987), S. 177 und im Südmährischen Jahrbuch 38 (1989), S. 29.
(kremiert in Brünn am 11. Juli 1939)