Lilli Recht wurde am 17. Februar 1900 in Olmütz Hodolein geboren und hat in Olmütz die deutsche Handelsschule besucht, war dann als Beamtin angestellt und galt als Vertreterin des Typus der „emanzipierten Frau“ der zwanziger Jahre. 1926 zog sie nach Prag, hielt sich aber auch danach häufig in Olmütz auf. So las sie im November 1936 in Olmütz aus den Erzählungen über ihren Aufenthalt in Afrika. Vor der nationalsozialistischen Besetzung flüchtete sie mit ihrer Schwester nach Italien, wo sie lange Zeit vor der Verfolgung verschont blieb. Nach ihrer Freilassung aus einer längeren Internierung lebte sie in Neapel, später in Potenza. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.
Lilli Recht ist Verfasserin eines einzigen Gedichtbandes Ziellose Wege (Prag, November 1936). Die Sammlung enthält Gedichte, die Lilli Recht zuvor überwiegend im Prager Tagblatt veröffentlicht hat. Sie steht damit wie Erich Kästner oder Mascha Kaleko in der Tradition der Zeitungslyrik. Von der romantischen, impressionistischen und epigonenhaften Lyrik einerseits, der expressionistischen, manchmal pathetischen, oft metaphorischen Lyrik andererseits unterscheidet sich Lilli Rechts Werk durch Distanz, Entpersönlichung und Kühle. Die Autorin hat in mehreren Gedichten das lyrische ICH völlig aufgegeben und es durch ein dialogisches, polemisches WIR ersetzt. Durch ihre innere Polemik mit den konventionellen „lyrischen“ Lagen, steht die Sammlung in Einklang mit der deutschen nüchternen Lyrik der zwanziger Jahre, mit der Neuen Sachlichkeit.
2020 wurde die neue Publikation Ziellose Wege in der Reihe 'poetica moraviae' veröffentlicht, die nicht nur gefundene Lyrik- und Prosatexte von Lilli Recht enthält, sondern auch durch ein ausführliches Vorwort, einen bibliografischen Apparat und eine biografische Tabelle ergänzt wird. Autor ist Uwe Czier, Experte für Lillis Leben und Werk.
Weitere Gedichte, die als Handschrift bestanden, sind bisher unauffindbar. (Ludvík Václavek und Uwe Czier)
Stadt
Es wölben sich graue Brücken
Von Ufer zu Ufer breit.
Sie tragen auf ihren Rücken
Leben, Lasten und Leid.
Es tragen hundert Türme
Hoch ihr verwittert Gesicht,
In ihrem Schatten die Häuser
Träumen verzagt vom Licht.
Nachts münden dunkle Gassen
In Plätze voll heller Pracht.
Es jagen in prunkvollen Wagen
Die Menschen zu Festen der Nacht.
Andere stehen im Dunkel,
Den Blick nach den Sternen gewandt,
Andere, Arme, Verlassene,
Liebende – Hand in Hand.
Lilli Recht