Der Journalist, Buchkritiker und Buchautor, Hellmuth Karasek, ist einem großen Fernseh-Publikum in Deutschland als Mitdiskutant der Sendung Das literarische Quartett an der Seite von Marcel Reich-Ranicki bekannt geworden. Seine Kindheit verlebte er zunächst in Brünn, dann in Wien und ab dem 7. Lebensjahr in Bielitz, an der Grenze zu Galizien. In der deutsch-tschechischen Familie Karasek war man nationalsozialistisch gesinnt. 1938 floh die Familie aus Brünn nach Wien, weil der Vater der Einberufung zur tschechischen Armee entgehen wollte. Als 1940 die deutsche Wehrmacht Polen überfiel und besetzte, zog die Familie nach Bielitz, den Geburtsort des Vaters. Er und seine Jugendfreunde waren „von volksdeutschen Ideen so beseelt und angetrieben, dass sie sich mit patriotischer Begeisterung, aber auch von Karriere-Gedanken beflügelt, der NSDAP in die Arme warfen.“ (Auf der Flucht, S. 20). Der Vater wurde stellvertretender Kreisleiter der NSDAP in Bielitz. Sein Ziel sah er darin, das ehemalige Österreich-Schlesien, das nach dem 1. Weltkrieg polnisch geworden war, wieder „völkisch“ zu erneuern.
1944 wird der Zehnjährige Schüler der nationalpolitischen Eliteschule (Napola). Nur die Flucht vor der Roten Armee im Januar 1945 bewahrt ihn vor einer möglichen Karriere in Hitlerdeutschland. Was wäre aus mir geworden, wenn Hitler gesiegt hätte? Diese Frage begleitet Karasek von da an. Mit einer „unschuldigen Kindheit“ will er sich nicht herausreden. Er habe, so bekennt er, mit Inbrunst die antisemitischen Lieder im Jungvolk und an der Napola mitgegröhlt, während nur wenig entfernt in Auschwitz die ungeheuerlichste Barbarei der menschlichen Geschichte stattfand.
Nach der Flucht der Familie über Niederschlesien und das Erzgebirge nach Bernburg in der DDR verlebt Karasek seine Jugend unter dem Stalinismus. Diesmal bleibt er gegenüber der zweiten Diktatur auf deutschem Boden immun. “Ich habe Glück gehabt“, schreibt er, „großes Glück gehabt, denn eigentlich habe ich den Stalinismus nur als Farce erlebt.“ (Auf der Flucht, S. 193). Vor Verhören, Verhaftungen oder gar Folter blieb er verschont. Mit dem DDR-Abitur in der Tasche flüchtet er 1952 in die Bundesrepublik. Er bekennt freimütig, dass es vor allem der höhere Lebensstandard gewesen sei, der ihn gelockt habe. In Tübingen studiert er Germanistik, Anglistik und Geschichte und schließt das Studium mit der Promotion ab.
Danach beginnt für ihn eine Erfolgsstory, bei der er, der „Egomane“, wie er sich selbst nennt, oft selber seine Begabung zum Glück bestaunt. Er wird Redakteur bei der Stuttgarter Zeitung, dann bei der Zeit. 22 Jahre lang leitet er das Kulturressort des Spiegels. Von 1988 bis 2000 diskutiert er an der Seite von Marcel Reich-Ranicki streitfreudig im Literarischen Quartett die Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt.
1966 legt Karasek Interpretationen der Dramen von Max Frisch vor. Für Karasek verbindet kein anderer Autor der Gegenwart so wie Frisch die pessimistische Einsicht in die Unbelehrbarkeit der Menschen durch die Kunst auf der einen Seite mit dem eindringlichen Appell an den Zuschauer, politischer Apathie, tödlichen Vorurteilen und dem drohenden Rückfall in neue Unmenschlichkeit entgegenzutreten auf der anderen Seite.
1978 erscheinen seine Studien über Bert Brecht unter dem Titel: Bert Brecht. Der jüngste Fall eines Theaterklassikers. Bert Brecht, dessen Stücke in der weitgehend antikommunistisch ausgerichteten Bundesrepublik zunächst kaum gespielt wurden, war mittlerweile zum Klassiker auf den westdeutschen Bühnen geworden. Karasek, selber ein Linksliberaler, gab den Anstoß zu einer kritischeren Sicht Brechts, indem er die These vertrat, dass das Bekenntnis zum Marxismus als Heilslehre Brechts Werk ruiniert habe.
Das Magazin von 1998 ist ein Enthüllungsroman, bei dem der Autor nach seinem Weggang vom Spiegel den Lesern einen Einblick hinter die Kulissen des bekanntesten deutschen Nachrichtenmagazins gewährt. „Daniel Doppler“, Karaseks alter Ego, erlebt an seiner Arbeitsstelle „intrigantes, eifersüchtiges, eitles und wölfisches Treiben“. Amüsant und kurzweilig wird dabei die Geschichte der Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren nacherzählt, wobei die Affären von großen bundesdeutschen Politikern im Mittelpunkt stehen.
2004 legt Karasek unter dem Titel Auf der Flucht seine Autobiografie vor: Es ist die Beschreibung eines Lebens, dessen Kindheit und Jugend durch Vertreibung und Flucht geprägt ist und bei der die „Flucht“ im Leben des Erwachsenen ein Stück weit auch zur Metapher wird für ein Leben, in dem nun aber jede Flucht einen glücklichen Ausgang nimmt.
Die Summe seines Lebens formuliert Karasek ungeachtet seiner Erfolge als Buchautor und Kritiker sehr privat:
Wir müssen `ja` zu den Kindern sagen. Die Menschheit hat nichts entwickelt, was die Familie ersetzen könnte. Kinder sind eine Qual - und sie sind wunderbar. Gleichzeitig fesseln sie einen. Aber wenn man älter wird, weiß man auf einmal, der höchste Sinn des Lebens sind die Kinder gewesen.
(Friedrich Goedeking, Baška)
Hellmuth Karasek war ein bekannter Journalist, Buchkritiker und Buchautor.
Er wurde in Brünn geboren, lebte anschließend in Wien und von 1940 - 1945 in Bielitz, wo sein Vater stellvertretender Kreisleiter der NSDAP wurde. 1945 floh die Familie nach Bernburg in die DDR. 1952 ging Karasek in die BRD und studierte in Tübingen Germanistik, Anglistik und Geschichte. Danach arbeitete er bei verschiedenen Zeitungen (u.a. Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Spiegel) und diskutierte in der Fernsehsendung Das literarische Quartett über Buchneuerscheinungen.
Zu den Werken von Karasek zählen eine Interpretation der Dramen von Max Frisch (Max Frisch, 1966), der Enthüllungsroman Das Magazin (1998) über die Arbeit beim Spiegel und seine Autobiographie Auf der Flucht (2004), in der das Thema „Flucht“ eine zentrale Rolle einnimmt.