Josef Körner wurde als Sohn deutschsprachiger Eltern jüdischer Konfession geboren. Sein Vater, Karl Körner, war Gutsverwalter, seine Mutter Therese war eine geborene Dukes. Von 1894-1898 besuchte er die Privat-Volksschule Rohatetz, von 1898/99-1905/06 das Deutsche Staatsgymnasium zu Ungarisch Hradisch und bestand im Juli 1906 die Maturitätsprüfung mit Auszeichnung.
Vom Wintersemester 1906/07 bis zum Sommersemester 1910 studierte er an der Universität Wien germanische und romanische Philologie bei Jakob Minor, Josef Seemüller, Wilhelm Meyer-Lübke und Robert F. Arnold. Am 24. Mai 1910 wurde er in Wien mit seiner Dissertation Nibelungenhypothesen der Romantiker promoviert; sein Doktorvater war Jakob Minor. Die Lehramtsprüfung für Deutsch und Französisch legte Körner an der Wiener Universität ab; er unterrichtete ab Herbst 1912 an einer Prager Realschule.
Im Januar 1915 wurde er in die Österreichisch-Ungarische Armee einberufen und im Sommer an die Front abkommandiert. Anfang 1916 ist er nach schwerer Erkrankung für felddienstuntauglich erklärt und zu Kanzleiarbeiten an das k.u.k. Kriegsarchiv nach Wien versetzt worden. Er arbeitete bis 1918 als Redakteur der „Illustrierten Zeitschrift“ „Donauland“ in Wien, die vom österreichischen Kriegsarchiv herausgegeben wurde und die kulturelle Einigung des Vielvölkerstaates fördern sollte. Als Gymnasialprofessor in Prag lehrte er seit Frühjahr 1919 die Fächer Deutsch und Französisch an der III. Deutschen Staatsrealschule in Prag. Dieses Lehramt übte er unterbrochen durch längere Studienreisen in den Jahren 1920-22, bis in die dreißiger Jahre aus.
Im März 1924 unternahm er den ersten Versuch, sich an der Deutschen Universität Prag zu habilitieren. Als Habilitationsschrift legte er die Monographie Romantiker und Klassiker. Die Brüder Schlegel in ihrer Beziehung zu Schiller und Goethe (1924) vor. Die Arbeit war schon nach wenigen Monaten durch den Ordinarius August Sauer abgelehnt worden. In seinem Gutachten kritisierte er die positivistische Basis, die Fülle der zitierten Briefquellen (viele waren unveröffentlicht) und die mangelnde Strukturierung des Stoffes. Im November 1924 wurde ein Rekursverfahren eröffnet. Körner hatte sich an das Unterrichtsministerium gewandt; in seiner Darlegung des bisherigen Habilitationsverfahrens war er nicht zimperlich: Er sei das Opfer einer „geheimen Kabinettsjustiz“ geworden. August Sauer hielt offenbar „die“ Möglichkeit, den Kritiker seiner stammeskundlichen Methode in der wissenschaftlichen Laufbahn zu behindern, für gekommen. Ohne strategische Vorsicht hatte Körner bereits 1919 in der „Deutschen Rundschau“ (Nr. 180) die Arbeit des Sauer-Schülers Josef Nadler (Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. 3 Bde. 1912-1918) als schlechte, aus vorgefertigten Einzelteilen zusammengeklebte Kulturgeschichte auf biographischer Grundlage verworfen. Erneut übertrug das Unterrichtsministerium August Sauer die Leitung des Verfahrens. Als auswärtigen Gutachter bat er Julius Petersen um eine Bewertung von Körners Monographie, die er bereits in den „Preußischen Jahrbüchern“ im ganzen wohlwollend beurteilt hatte; für das anstehende Rekurs-Verfahren erklärte er sich auch im Hinblick auf frühere Arbeiten Körners für befangen. Darauf wurde Franz Schultz (Frankfurt) um ein Gutachten ersucht, der sich am 15. Juni 1925 weitgehend dem negativen Votum Sauers anschloß: Von neuerer Erkenntnis der Romantik bleibe Körners Monographie, die „eng-biographisch“ gearbeitet sei, unberührt und könne als Habilitationsleistung nicht angenommen werden. Damit war die Grundlage für die Ablehnung des Rekurs-Verfahrens durch die Habilitationskommission geschaffen. Den Protesten mehrerer „reichsdeutscher“ Germanisten, die sich in einer „Erklärung“ im „Literaturblatt für Germanische und Romanische Philologie“ (1925) für Körner aussprachen, antworteten die Prager Professoren in einer Stellungnahme, die an alle Philosophischen Fakultäten im Deutschen Reich geschickt wurde. Das Habilitationsverfahren war damit zur öffentlich diskutierten Affäre geworden. Aber Körner ließ sich in seinem wissenschaftlichen Elan nicht lähmen – weiterhin publizierte er gewichtige Untersuchungen und Quellen-Editionen. Nach Sauers Tod (1926) schien eine neue Möglichkeit für eine Habilitation gekommen, zumal der mit Körner befreundete Altphilologe Siegfried Reiter 1927 Dekan der Philosophischen Fakultät geworden war und Körners Verfahren nach dessen förmlicher Entschuldigung bei den Mitgliedern der früher tätigen Habilitationskommission neu eröffnete. ®Herbert Cysarz, seit 1928 Sauers Nachfolger, war Hauptgutachter des als Habilitationsschrift eingereichten Aufsatzes Recht und Pflicht. Eine Studie über Kleists „Michael Kohlhaas“ und „Prinz Friedrich von Homburg“. Nun wurden auch die weiteren Veröffentlichungen Körners berücksichtigt. Vor allem seinen Editionen hatte es Körner zu verdanken, dass seine Gesamtleistung nun positiv bewertet wurde. Aber durch Fragen im Kolloquium am 18. April 1929, die sich auf Epochen bezogen, über die Körner nicht gearbeitet hatte (1500-1790; 1830-1900), ließ man Körners Habilitation noch einmal scheitern: Er verfüge in diesen Bereichen über sehr lückenhafte Kenntnisse. Nach dem Protest einiger Professoren der Fakultät gegen dieses Urteil wurde eine Wiederholung der Prüfung angesetzt, die Körner am 23. Januar 1930 bestand. Nach dem Probevortrag am 8. Mai 1930 hatte er endlich alle Schwierigkeiten bewältigt und erhielt am 26. August 1930 vom Ministerium die „venia docendi“ für neuere deutsche Sprache und Literatur verliehen.
Von 1930 bis 1938 wirkte Körner nun als Privatdozent und Titularprofessor an der Deutschen Universität Prag neben seinem gymnasialen Lehramt, das er erst 1935 aufgeben konnte, um nur noch als Universitätslehrer zu arbeiten. Nachdem die Wehrmacht am 15. März 1939 in Prag einmarschiert war, wurde er wegen seiner jüdischen Konfession entlassen. Den Lebensunterhalt bestritt nun allein seine tschechische Ehefrau: 1936 hatte er die Gymnasialprofessorin Jarmila Smycková geheiratet, die nun den Namen Körnerova führte. Auch als Privatgelehrter war er von 1939-1945 unermüdlich wissenschaftlich tätig. Das „rassenideologisch“ begründete Verbot jeder Veröffentlichung in deutschen Verlagen oder Zeitschriften muß ihn besonders geschmerzt haben. Am 4. Februar 1945 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert, jedoch bald durch die Sowjetarmee befreit.
Seine Hoffnung, nach dem Kriege endlich eine Professur in seiner Heimat oder auch im Ausland zu erhalten, ging nicht in Erfüllung. Er lebte weiterhin als Privatgelehrter (mit zwei Kindern) unter schwierigen Bedingungen von einer wohl nicht gerade üppigen Pension der tschechoslowakischen Regierung in Prag-Roztoky. Er starb am 9. Mai 1950 und wurde auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Prag-Strašnice unweit von Kafkas Grab bestattet.
Körners Forschungsgebiet war v.a. die romantische Literatur. Nach einer längeren Phase der Geringschätzung im 19. Jahrhundert und durch die positivistische Philologie ist sie im frühen 20. Jahrhundert im Horizont der Neuromantik geradezu wiederentdeckt worden. Diese Neuwertung ging einher mit dem Verzicht auf die teleologisch auf den Höhepunkt „Klassik“ gerichteten Literaturgeschichtsschreibung. Als um 1910 die ersten bedeutenden Untersuchungen einer geistesgeschichtlichen Wende der Literaturwissenschaft erschienen, schloß sich Körner der neuen Tendenz keineswegs an, obwohl sein Forschungsgebiet dies geradezu nahegelegt hätte. Er blieb der wissenschaftlichen Prägung durch seinen Lehrer Jakob Minor und den Bibliographen Robert F. Arnold treu – im wesentlichen war es eine positivistische und philologische Schule gewesen. So ging es Körner auch zeitlebens um das Suchen nach neuen Quellen, um ihre Edition und Kommentierung. Oskar Walzel, der den Briefwechsel zwischen August Wilhelm und Friedrich Schlegel ediert hatte und bis in die dreißiger Jahre als führender Romantikforscher galt, unterstützte den jüngeren Kollegen in seinen ersten Unternehmungen. Er hat ihm wohl auch die Fortsetzung der Bibliographie zu Wilhelm Scherers „Geschichte der deutschen Literatur“ anvertraut, die von Walzel selbst fortgeschrieben wurde. Aus dieser bibliographischen Arbeit, die Körner bis an sein Lebensende nicht mehr losließ, entstand das große Handbuch des deutschen Schrifttums (1949).
Zwischen 1919 und 1939 folgte fast jährlich ein Aufsatz oder eine Brief- oder Quellenedition zum zentralen Forschungsbereich der Romantik; bis heute stellen viele dieser Editionen die unverzichtbare Grundlage der Romantikforschung dar. Seine Habilitationsschrift, die so widersprüchliche Beurteilungen erfuhr, hat sich gegen den in den zwanziger Jahre herrschenden literaturwissenschaftlichen Trend der kühnen geistesgeschichtlichen Synthesen oder Begriffskonstruktionen gewandt und „Romantiker und Klassiker“ mit Hilfe von überwiegend unbekannten brieflichen Zeugnissen miteinander in Beziehung gesetzt. Er habe dabei den „bescheidenen Ehrgeiz“ entwickelt,
gegenüber dem heute modisch gewordenen dürren Formelwesen wieder einmal auf den strotzenden Reichtum geschichtlichen Lebens hinzuweisen, an den strengen begrifflichen Scheidungen (deren Wert und Bedeutung gewiß nicht verkannt werden soll) eine Korrektur anzubringen, [...] denn es ist die unvermeidliche Gefahr aller Typisierung, daß sie die fließende Linie der Geschichte in neben- und gegeneinanderstehende starre Gebilde auflöst. (Josef Körner: Romantiker und Klassiker. Die Brüder Schlegel in ihren Beziehungen zu Schiller und Goethe. Berlin 1924. Repr. Darmstadt 1971, S. 9f.)
Nach dieser Habilitationsschrift, die wegen der geschilderten universitären Auseinandersetzung auch im Deutschen Reich Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, war es zunächst die Ausgabe des Briefwechsels der Brüder Schlegel (1929), die Körner zumindest unter den Romantikforschern berühmt machte. Zuvor war er allerdings auch schon durch Arbeiten zum „Nibelungenlied“, Aufsätze über Hebbel, Keller, Schnitzler, methodologische Fragen, speziell zur Motivanalyse, und zahlreiche sachkundige und kritische Rezensionen hervorgetreten. Innerhalb der Romantikforschung war früh schon Friedrich Schlegels Werk das Zentrum seiner wissenschaftlichen Bemühungen. Bereits 1913 und 1914 hatte er in der Wiener Hofbibliothek, der Sächsischen Landesbibliothek Dresden und der Stadtbibliothek Trier große Teile von Schlegels handschriftlichem Nachlaß entdeckt, um den sich bislang niemand gekümmert hatte. Die einzelnen Funde veröffentlichte er in Zeitschriftenaufsätzen und Briefbänden. Diese Editionen kamen einer Neuentdeckung Schlegels gleich und wurden durch einen Forschungsbericht zu Friedrich Schlegel gekrönt. Das Ziel war bereits in den zwanziger Jahren eine Gesamtausgabe Friedrich Schlegels und eine Biographie. Die Verhandlungen mit mehreren Verlagen scheiterten an der befürchteten außerordentlichen finaziellen Belastung. Im ersten Band der seit 1979 erscheinenden Kritischen Friedrich Schlegel-Ausgabe bemerkte der Hauptherausgeber Ernst Behler in der Einleitung, kein anderer Gelehrter habe wie Josef Körner „die Vorbereitung einer kritischen Gesamtausgabe Friedrich Schlegels in Gang gesetzt“ (Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe. Hrsg. von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Erste Abt. I. Bd. Paderborn usw. 1979, S. LX.).
Während die Prager Gegner unter den Kollegen noch immer versuchten, Körners Habilitation zu hintertreiben, glückte ihm im Sommer 1929 der Fund der Briefe von August Wilhelm Schlegel aus den Jahren 1804 bis 1812 im Nachlaß der Madame de Staël auf Schloß Coppet am Genfer See. Nach brieflichen Anfragen bei den Nachlaßverwaltern hatte Körner nur negative Bescheide erhalten – diese Briefe seien nicht mehr vorhanden. Körner entdeckte dort zwei Kartons mit rund 3500 Briefen, die A.W. Schlegel 1812 vor seiner Flucht mit Madame de Staël vor Napoleon in Coppet deponiert hatte. Wieder war es schwierig, dieses außergewöhnliche Quellencorpus zu veröffentlichen. Das zweibändige Werk erschien endlich 1936 unter dem Titel Krisenjahre der Frühromantik. Der Erläuterungsband, der 1938 schon fertiggestellt war, wurde wegen der politischen Verhältnisse nicht mehr gedruckt und erst lange nach Körners Tod 1958 publiziert.
Früh schon hat sich Körner als Rezensent profiliert und im Laufe der Jahrzehnte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit eine bewundernswerte Präzision des Referierens und der kritischen Ergänzungen entwickelt. Eines seiner letzten Veröffentlichungen überhaupt war die ausführliche Besprechung von Wolfgang Kaysers Einführung „Das sprachliche Kunstwerk“ (1948) in der „Deutschen Literaturzeitung“ (1949). Er stellt das Werk in die Reihe der Bemühungen um eine literaturwissenschaftliche Methodologie seit dem Ende des Positivismus und dem Beginn der geistesgeschichtlichen Schule. Die wesentlichen Themen werden kritisch gewürdigt. Erstaunlich ist es für Körner, daß die „gewaltige Förderung“, die der Literaturwissenschaft aus der „Technik Freudscher Psychoanalyse“ (Josef Körner: Philologische Schriften und Briefe. Hrsg. von Ralf Klausnitzer. Mit einem Vorwort von Hans Eichner. Göttingen 2001 (= Marbacher Wissenschaftsgeschichte, Bd. 1), S. 174.) erwuchs, von Kayser mit keinem Wort erwähnt werde. Da Körner selbst bereits Ende der dreißiger Jahre ein vergleichbares systematisches Werk abgeschlossen hatte, war seine Neugier auf das Kaysersche Kompendium natürlich besonders groß – er fühlte sich durch die politischen Verhältnisse zurückgesetzt und zurückgeworfen in all seinen Bemühungen.
Zu den bewundernswerten Aspekten von Körners wissenschaftlichem Profil gehört seine Offenheit für zeitgenössische Literatur. 1917 hatte er im „Donauland“ Kafka als einen der genialsten Jüngeren gelobt. Ein Briefwechsel und lockerer Kontakt zwischen Josef K(örner) und Kafka schlossen sich an. Mit Arthur Schnitzler beschäftigte sich der Literarhistoriker intensiv und legte eine der ersten Monographien über den Wiener Autor vor. Dessen spätere Entwicklung hat Körner nicht unkritisch begleitet; die „erotische“ Lebens- und Kunstauffassung konnte er nicht tolerieren. Selbst für den Pazifisten Franz Werfel und für weitere Prager Autoren setzte er sich ein – für August Sauer und Josef Nadler, deren nationalkonservative Position bekannt war, ein Skandal.
Josef Körner hat eine Fülle von Editionen und Interpretationen hinterlassen, die zum Fundament der Romantikforschung gehören. Sein Lebensweg war schwierig. Seine jüdische Herkunft hat mit Sicherheit die Habilitation mit behindert. Die Prager Germanistik, mit der er sich mutig schon früh kritisch auseinandersetzte, hat sich lange Zeit an ihm gerächt. Es wäre falsch, ihn auf seine positivistische Prägung festzulegen. Auch sein Interesse an modernster Literatur, seine methodologischen Studien und nicht zuletzt sein Verdienst um die Bibliographie der deutschen Literaturwissenschaft sichern ihm einen ehrenvollen Platz in der Geschichte des Faches.