Richard Johann Hudeczek war ein vornehmer Olmützer Bürger. Er selbst bezeichnete sich als der „Ältester Literat der königlichen Hauptstadt Olmütz“, oder auch „von Mähren“.[1]
Über seine Familie ist nicht viel bekannt, nur die Tatsache, dass er drei Nachkommen hatte, Paula, Richard und Anna Hudeczek. Er wirkte in Olmütz und Prerau, wo er sich neben seinem Gewerbe intensiv der journalistischen Tätigkeit widmete.
Sein literarisches Werk umfasst eine Reihe von unterschiedlichen Genres: Olmützer Adressbücher, historische Kleinigkeiten, politische Schriften und Gelegenheitsgedichte.
Für die Olmützer Gemeindeverwaltung verfasste er Adressbücher, die einerseits als wertvolle statistische Dokumente und andererseits als Ersatz für die Olmützer Gemeindechronik anzusehen sind. In den Adressbüchern wurden vor allem Nachrichten von der Entwicklung der Stadt mitgeteilt und Listen der Stadt- und Bezirksämter, Schulen, Kirchen und Theater geführt und ebenso Adressen privater Firmen und bedeutender Bürger angegeben.
Politisch stand Hudeczek in der Opposition zur damaligen deutschliberalen Politik der Olmützer Gemeindevertretung, an deren Spitze die Bürgermeister Josef von Engel und Karl Brandhuber standen. Er kritisierte sie in Zeitungsaufsätzen und Pamphleten. Nicht nur die Kommunalpolitiker waren Ziel seiner Kritik, sondern auch die gewöhnlichen Olmützer, die sich aus seiner Sicht dumm oder unehrenhaft benahmen. An erster Stelle war Hudeczek allerdings ein Deutscher: Er unterstützte die Interessen der Olmützer deutschen Bürger und der Deutschen in Mähren, versuchte aber den aggressiven Nationalitätenkämpfe zu währen.
Die von ihm herausgegebene Prerauer Zeitung kam deutsch und tschechisch heraus, jedoch nur für eine kurze Zeit. Die Absicht der Autoren war, ein friedliches nationales Zusammenleben zu unterstützen und die Interessen der Gewerbetreibenden und Händler zu wahren. Zugleich kämpfte aber die Prerauer Zeitung gegen den Olmützer Našinec. [2] Ähnliche Intention hatten auch die weiteren, von Hudeczek herausgegebenen Blätter Die Opposition und Die Toleranz, die im tschechischen Verlag Kramář und Procházka herausgegeben wurden.
Das Ziel der Zeitung Die Opposition. Kosmopolitische Zeitung für gebildete Menschen war der „Kampf gegen Dummheit im öffentlichen Leben […] Das größte Verbrechen der Menschheit, an dem die Dummheit Schuld trägt, heißt: Intoleranz. Fast noch auf jedem Gebiete schlägt ihr Satanshuf der Vernunft in´s Angesicht. Nieder die Intoleranz! Es lebe der Mensch, der in Friedensliebe der Menschheit den Bruderkuss auf die Stirne drückt.“[3] In einer Artikelserie der Opposition wird die mögliche Zukunft der Deutschen, Slaven, Juden, Katholiken, Protestanten, des Klerus und der anderen sozialen Gruppen in Böhmen und Mähren dargestellt.[4] Auch im Blatt Toleranz bemüht sich Hudeczek – ähnlich wie in der Opposition – alle nationalen Lager und Konfessionen im friedlichen Zusammenleben zusammen zu halten. Das Thema der tschechisch-deutschen Koexistenz war damals sehr aktuell und Hudeczek wies darauf hin, dass die tschechischen Olmützer sehr wichtig für das Gemeindeleben sind. „Die heutige, von deutscher Majorität autonom verwaltete Stadt Olmütz wäre ohne Slaventhum so denkbar, wie ein Kind ohne Mutter, oder Rom ohne Romulus, denn Olmütz wurde als Culturstadt von Slaven geboren, erzogen und historisch berühmt gemacht.“[5]
In den Kontext Hudeczeks persönlicher „Friedenspolitik“ passt auch das Gedicht Zur Genesung des Olmützer Erzbischofs Theodor Kohn, welcher sowohl vom tschechischen als auch vom deutschen nationalen Lager heftig kritisiert wurde. Hudeczek war einer der wenigen Sympathisanten Kohns.
„Ihr frommen Beter, was soll euer Fleh´n
Im Dome zu Skt. Wenzel Bittgesänge?
Aus tiefer Brust zum Herrn der Sternenhöh´n
Erheben sich rührende Trauerklänge?
O betet nur, das Edle dieser Welt
Soll nicht zu aller Schmerz zu frühe scheiden;
Die heil´ge Hand, die Tod und Leben hält
Wird gnadenreich statt Leiden senden Freuden.
Denn unerforschlich suchet öfters heim die Seinen
Ein Gott und stillt den Schmerz, wo wahre Menschen weinen.[6]
Aus Hudeczeks Gelegenheitsdichtung sind einige weitere Gedichte beachtenswert, so beispielsweise Olmütz. Die Fürstenstandt, verfasst anlässlich des Geburtstages Kaiser Franz Josephs I. und Trauergedicht anlässlich des Versterbens des bedeutenden Olmützer Fabrikanten Moritz Primavesi.
In der essayistischen Schrift Deutschtum in Olmütz ermanne Dich! oder stirb! wird Hudeczeks kritische Sicht der deutschen Olmützer präsentiert. Der Charakter der Schrift wird mit dem Untertitel angedeutet: Melancholisches Donnerwetter zur Erweckung geistig impotenter deutscher Denker in Olmütz, ritterliches Eintreten für wahrhaft deutsches Gemeindearbeitswesen und Rezept zur Gesundung fauler Zustände der alten berühmten Marchstadt. Die Begriffe „deutsch“, „Deutschtum“ verloren – so Hudeczeks Ansicht – an Bedeutung und werden häufig nur zur materiellen Bereicherung ausgenutzt.
Hudeczeks Interesse für Kunst und Kunstgeschichte ist von seinem Lokalpatriotismus getragen. Im Führer durch das Rathaus der königlichen Hauptstadt Olmütz werden dem Leser die malerischen Denkmäler im rekonstruierten Rathausgebäude am Oberring vorgestellt und in der Geschichte der Olmützer Kunstuhr schildert Hudeczek in Versen die Urgeschichte von Olmütz mit dessen zahlreichen kirchlichen Bauten und der Olmützer Kunstuhr. Nach traditioneller Überlieferung war Anton Pohl Autor des Kunstwerks, das allerdings längere Zeit nicht in Betrieb war.
So stand als Wrack die Herrlichkeit
Verfallen und vergessen lang
[…]
Dann gold´ne Mitteln für die Uhr;
Der Kunstsinn opferte den Ruf,
Denn Einigkeit schafft Grosses nur.
Und heute ist das Werk im Gang
So kunstvoll, stylgerecht und schön.
Was langen Jahren nicht gelang,
Ist heute wundervoll zu seh´n.
Der gute Geist, der darin wohnt,
Er möge walten lange Zeit
Und der, über den Sternen thront
Verleih´n ihm stete Herrlichkeit!
Richard Johann Hudeczek verstarb kurz vor der Kriegsbeginn. Er war ein treuer Sohn seiner Stadt und trotz der manchmal heftigen Kritik, hieß es in Nekrolog im Mährischen Tagblatt, (dem halboffiziellen Presseorgan des Olmützer Rathauses): „Das köstliche Original eines seltsamen, aber guten Menschen verschwindet mit ihm aus dem Olmützer Leben.“[7]
Ivan Puš
[1] HUDECZEK, RICHARD-JOHANN: Adressbuch der königlichen Hauptstadt Olmütz. Olmütz 1899, S. 119. Mährisches Tagblatt Jg. 34, Nr. 213 (1913), S. 3.
[2] KLADIWA, PAVEL – POKLUDOVÁ, ANDREA – KAFKOVÁ, RENATA: Lesk a bída obecních samospráv Moravy a Slezska 1850–1914. II. díl. 1. svazek. Muži z radnice. Ostrava 2008. S. 548.
[3] Die Opposition Jg. 1, Nr. 1 (1898), S. 1.
[4] Die Opposition Jg. 1, Nr. 3 (1898), S. 1–4; Nr. 4 (1898), S. 1–4.
[5] Die Toleranz. Jg. 1, Nr. 1 (1893), S. 2.
[6] Erste Strophe des fünfstrophigen Gedichtes. In: Die Toleranz, Jg. 2, Nr. 20 (1899), Sonderbeilage.
[7] Mährisches Tagblatt Jg. 34, Nr. 213 (1913), S. 3–4.