Hugo Fründ: Leute aus Reigersbach

Ernste und heitere Erzählungen
Unvollendet
Jahr der Publikation
1930
Verlag
Das Volk
Publikationsort
Jägerndorf
Gattung
Kürzere Prosa (Novelle, Erzählung usw.)
Bibliographische Daten
Leute aus Reigersbach. Ernste und heitere Erzählungen. Das Volk, Jägerndorf 1930.
Art der Veröffentlichung
Separate Veröffentlichung

Die meisten Erzählungen aus diesem Zyklus spielen nach dem Zweiten Weltkrieg in „unser(em) Gebirgsdorf" (117) die einen fiktiven Namen „Reigersbach“ trägt. Die Vorlage für dieses Dorf war aber ohne Zweifel das schlesisches Dorf Heinzendorf (heute Hynčice), wohin Fründ im Jahre 1919 umzog und wo er auch starb. Die Erzählung Der Sprung ins Ungewisse ist klar autobiografisch. Das Dorf Reigersdorf liegt in einer „Landschaft mit Bergen und Tälern“ (109), “in der Tschechoslowakei“ (107). Die Hauptfiguren repräsentieren stereotypisch dargestellte katholische Moralwerte und Einstellungen, die Erzählungen enthüllen also sehr klar die pädagogische Intention des Autors, der im Jahre1911 zum katholischen Glauben konvertierte.   

Der alte Irmler, in Reigersbach, einem schlesischen Gebirgsdorfe, ein Armenhäusler, saß in seiner kleinen, sauber gehaltenen Stube an einem heißen Julitage beim offenen Fenster, einen Fetzen über den Schoß gebreitet und schälte Erdäpfel, so gut das mit seinen von der Gicht gekümmten Händen nur ging. Denn Erdäpfel sollten wieder einmal den Hauptbestandteil seines Mittagsmahles bilden, das er sich selbst bereiten mußte und zu dem als Trunk gewöhlich ein Napf Buttermilch kam. [...] Der einundsiebzigjährige Mann, dessen von einem struppgen weißen Bart umrahmtes Gesicht an die von tiefen Furchen durchzogene Rinde eines alten Weidenstammes erinnerte, sah dabei hin und wieder versonnen durch das niedrige Fenster. Das bot herrliche Schau: fort über des Dorfes Hauptstraße und über den von einer hohen Mauer umschlossenen Friedhof zu Wiesen und Kornfeldern hon, die sich bis zu einem kleinen Flusse erstreckten. Der strebt wie spielend in starken Windungen dem Dorfe zu und umsäumt dort eine von Birken bestandene Anhöhe wie ein glänzender Stahlring. Hinter dem Hügel reihen sich im weiten Halbkreise Berge der Sudeten aneinander mit der ernsten Pracht dunkler Fichten. Berge, die in der Ferne schier bis in den Himmel hineinragen. (Erzählung Der alte Irmler)

Obwohl eine von den Erzählungen den folgenden Satz enthält: „Du bist hier in Schlesien, einem deutschen Gebiet“ (110), kennzeichnen sich die Erzählungen durch keinen Hass und Chauvinismus. Im Gegenteil, das Motiv der Heimat und der Liebe zu ihr, wird in einem versöhnlichen, christlichen Ton wiedergegeben. Eine der Figuren, ein Besuch aus Deutschland, stellt überrascht fest, dass die Leute in dieser Gegend die gleichen seien wie diejenigen, die er von Zuhause, d.h. in Deutschland, kennt, und fügt hinzu: "In der Tschechoslowakei ist es so wunderschön!" (125)

In der Erzählung Mein Kamerad Otto ist ein witziger Spitzname der Stadt Krnov (früher Jägerndorf) erwähnt: Geigledorf.

Die Erzählung Johanna Moor, die dem Leser eine Belehrung vermittelt, „dass aus sich allein der Reichtum auf die Dauer nicht zu beglücken vermag" (205), spielt in Vrbno pod Predědem (früher Würbenthal) in einem Pension für reiche Damen und im Dorf Kunov (früher Kunau), wo die Hauptfigur ihre ehemalige Hausherrin findet, bei der sie als Mädchen im Dienste war.