Karl Maria Klob: Der Uhrmacher von Olmütz
Schauspiel in 5 Aufz. Nach der gleichnamigen Sage dramatisiert- Jahr der Publikation
- 1897
- Gattung
- Drama
- Bibliographische Daten
- Der Uhrmacher von Olmütz. Schauspiel in 5 Aufz. Nach der gleichnamigen Sage dramatisiert. o.V., o.O.1897.
- Art der Veröffentlichung
- Separate Veröffentlichung
Das Drama spielt in Olmütz in den Jahren 1418–1420 und wurde durch die Sage von der Olmützer Kunstuhr inspiriert, konkret durch deren Bearbeitung von Willibald Müller (Müller, Willibald: Sagen und Geschichte der Stadt Olmütz. Ed. Hölzes Buchhandlung, Olmütz, 1892).
Es geht um eine lokale Sage über den Schöpfer der hiesigen Kunstuhr im 15. Jahrhundert, die mit an Schiller erinnernder Komposition und Pathos in eine von starken Emotionen durchtränkte Tragödie umgestaltet wird; der Verfasser glorifiziert seine Stadt sowie auch den Kampf für Freiheit sowohl des Künstlers als auch des Bürgers.
Quelle: Nohavicová, Lenka: Das Werk von Karl Maria Klob. Diplomarbeit. Palacky Universität in Olmütz, Olmütz 2008. S. 11-31.
Das Werk beruht auf vielen historischen Tatsachen. Der Entstehungszeitraum der Uhr ist nicht ganz sicher. Einige Quellen geben die Jahre 1419 - 1422 an, andere stellen diesen Zeitraum in Frage, weil es keine Belege für die Existenz der Uhr gibt.
Inhalt
- Aufzug
Der Beginn des Stücks spielt in Anton Pohls Garten. Er und seine Familie haben ein neues Haus am Rande der Stadt gebaut. Anne - Pohls Tochter - ist dem Vater sehr dankbar, dass er mit seiner fleißigen Arbeit Geld verdient hat und der Familie ein schönes Leben ermöglicht hat. Doch dann werden sie vom Stadtschreiber Petrus gestört, der lange Zeit ein Familienfreund war. Er brachte dem Meister einen Brief vom Rathaus, in dem er ins Rathaus eingeladen wurde. Pohl bekommt einen neuen Auftrag von dem Stadtrat, der ihm Ruhm und Geld einbringen soll (Seite 14). Petrus übergibt auch Anna ein Brieflein von Johannes von Breslau – dem Sohn eines reichen Handelsherrn. Petrus und Pohl verlassen das Haus und Anna bleibt allein. Sie liest schnell den Brief von ihrem Geliebten, in dem er schreibt, dass er so schnell wie möglich um ihre Hand werben will. Im Garten erscheint Andreas Paner, der Sohn des Bürgermeisters, den Anna schon früher abgelehnt hatte. Er bemerkt den Brief auf dem Tisch und liest den Inhalt. Anna erschrickt, als sie ihn im Garten findet und will ihn wegschicken. Er will aber den Garten nicht verlassen und sagt, dass er gekommen ist, um Meister Pohl um ihre Hand zu bitten. Sie lehnt ihn wieder ab und er wird wütend. Plötzlich erschient Johannes von Breslau und hilft Anna, als Andreas versucht, sie mit Gewalt zu überzeugen. Schließlich flieht Paner, weil er Angst vor Johannes hat, aber er verspricht noch, dass er sich rächen will. Als Anton und Petrus zurückkommen, sagt Johannes dem Meister sofort die Wahrheit und wirbt um Anna. Pohl stimmt zu, er fragt nur, ob auch sein Vater mit der Braut zufrieden sein wird, wenn sie keine Mitgift in die Ehe bringt. Johannes erklärt, dass sein Vater ein vernünftiger Mann sei, der selber genug Geld hat.
- Aufzug
Im zweiten Aufzug befinden sie sich in der Stube des Hauses. Anna spricht mit ihrer Mutter über ihre Liebe zu Johannes und alle erwarten den Jungen mit seinem Vater – dem Kaufmann Otto von Breslau. Der Vater von Johannes kommt aber allein und verkündet, dass die Einwilligung zur Eheschließung eine Bedingung hat – die Braut muss als Mitgift 100 Mark bringen. Pohl sagt, dass er so eine große Summe nicht hat und deswegen soll seine Tochter auf ihren Bräutigam verzichten (Seite 15). Otto von Breslau gibt dem Meister einen Rat: Wenn er sehr fleißig an dem Auftrag für den Stadtrat arbeitet und eine prachtvolle Kunstuhr schafft, bekommt er noch mehr als 100 Mark. Er gibt ihm ein Jahr Zeit und verspricht, dass er keine andere Braut für seinen Sohn suchen wird. Pohl erzählt seiner Familie über seinen Traum, den er in der Nacht hatte. Ein Engel kam zu ihm und führte ihn zum Rathaus, wo er eine wunderschöne Kunstuhr erblickte, die sein eigenes Werk war. Später verwandelte sich der Engel in den Bürgermeister, der auf eine Figur der Uhr zeigte. Pohl erkannte sich selbst. Er stand da, sah sehr jämmerlich aus und hatte leere Augenhöhlen. Plötzlich zerfiel das ganze Werk und der Bürgermeister starb unter dessen Ruinen.
Johannes tritt ein und entschuldigt sich für seinen Vater. Er würde nie Geld verlangen, aber der junge Paner hatte ihm aus Rache zugeflüstert, dass er das machen sollte. Johannes will aber wegen des Geldes nicht auf seine Braut verzichten und ist entschlossen, nach Wien zu fahren, um selber 100 Mark für Anna zu verdienen. Meister Pohl lehnt seine Idee ab und sagt, dass er für sie die Rathausuhr bauen wird.
- Aufzug
Ein Jahr später, am Palmsonntag, versammelt sich das Volk auf dem Stadtplatz und alle erwarten neugierig die Enthüllung der neuen Kunstuhr. Der Rektor der Wiener Universität, Thomas Ebendorfer von Haselbach ist in der Stadt erschienen und will mit Meister Pohl sprechen. Beide setzen sich, abseits von der Menschenmenge. Hinter Pohl und dem Rektor versteckt sich Andreas und belauscht ihr geheimes Gespräch. Haselbach erklärt, dass er vom Wiener Magistrat gesandt wurde, um Pohl zu bitten, für Wien eine ähnliche Kunstuhr zu bauen. Pohl lehnt diesen Auftrag ab, weil er versprochen hatte, dass diese Uhr die einzige sein wird und wenn er eine andere schaffen würde, würde er bestimmt um seine Freiheit kommen. Haselbach bedrängt ihn und will ihn überzeugen. Langsam überredet er den Meister, der über einen solchen Auftrag sehr erfreut ist und sagt, dass er noch darüber nachdenken wird. Andreas, der alles gehört hat, freut sich, dass er endlich ein Mittel hat, mit dem er das Glück von Anna und Johannes zerstören kann. Er informiert seinen Vater und denkt sich noch etwas dazu aus.
Der Bürgermeister lobt Meister Pohl vor den Stadtbewohnern, aber befiehlt ihm, erst am nächsten Tag das Geld abzuholen. Pohl ist glücklich, dass die Kinder heiraten können und erwartet keinen Verrat.
- Aufzug
Paner und sein Sohn spinnen im Rathaussaal den Racheplan. Der Bürgermeister will öffentlich mitteilen, dass Pohl eine andere Uhr für Wien bauen will, womit er sein Wort brechen würde. Deswegen kann er ihn um seine Freiheit bringen und ist bereit, ihm auch den Briefwechsel mit Thomas Ebendorfer zu verbieten. Pohl verteidigt sich, dass er seine Aufgabe erfüllt hat und deswegen sein Geld verdient. Seine Uhr ist die einzige auf der Welt und er kann keine bessere schaffen, darum würde die Kunstuhr in Wien nie schöner oder besser sein. Das Magistrat hat auch kein Recht, ihn an weiteren Arbeiten zu hindern. Die Schöffen und Ratsmänner sind auch anwesend und empören sich gegen eine solche Ungerechtigkeit. Petrus schlägt vor, dass abgestimmt werden soll. Die Schöffen und Ratsmänner stimmen ab, dass es gerecht ist, dem Meister 100 Mark zu geben. Pohl bekommt auch ein Jahr Zeit, um zu überlegen, ob er den Auftrag annimmt oder nicht.
- Aufzug
Nach einem Jahr wird Pohl wieder ins Rathaus gerufen. Er soll seine Entscheidung äußern, ob er nach Wien fahren will oder gehorsam in Olmütz bleibt. An demselben Tag kommt Thomas Ebendorfer von Haselbach wieder in die Stadt. Von Pohls Familie erfährt er, was nach seinem Angebot geschehen ist und warum sich der Meister nicht gemeldet hatte. Weil die Gefahr besteht, dass er für seine Meinungen bestraft wird, eilen alle ins Rathaus, um ihn zu unterstützen. Die Ratsmänner bemühen sich Pohl zu überreden, damit er in Olmütz bleibt. Der Meister hat sich aber entschieden. Er lehnt auch weitere 100 Mark resolut ab.
„Ich habe gegen Euch die Pflicht erfüllt, nicht aber gegen mich und meine Kunst. Ich bin ein Künstler und gehöre nicht der Stadt allein, in der ich geboren. Nein, ich gehör der Welt!“ (Klob, Karl Maria: Der Uhrmacher von Olmütz. Verlag von Carl Groák, Wien, 1897. S.31, Abs. 2.)
Der Bürgermeister verliert die Geduld und befiehlt, den Meister in die Folterkammer zu bringen und ihn dort zu blenden. Er wird ohne Augen zurückgebracht und äußert seine letzte Bitte an den Stadtrat: er will zum letzten Mal sein Riesenwerk betasten. Er wird in den Turm geführt. Andreas ist froh, dass seine Rache endlich gelungen ist. Plötzlich hört man einen großen Krach. Pohl hat das Gerät zerstört, der Perpendikel ist zerfallen und ein Teil davon hat den Bürgermeister getötet. Pohls Familie und Haselbach finden ihn geblendet und erschöpft. Haselbach entschuldigt sich, dass er ihn ins Unglück geführt hat. Andreas bekennt, dass er der einzige Schuldige ist und will für seine Taten Selbstmord begehen. Pohl vergibt ihm alle schrecklichen Taten und rät ihm, ein neues Leben zu beginnen. Dann verabschiedet er sich von seiner Familie und seinen Freunden und stirbt.
Das Drama ist klassisch aufgebaut.
Man kann es als geschlossenes Drama bezeichnen. Die Handlung ist einheitlich und einfach aufgebaut. Es gibt keine Nebenhandlungen. Ein anderes Merkmal der Geschlossenheit des Werks ist die kleine Anzahl an Figuren.
Der Uhrmacher von Olmütz ist ein Zieldrama. Die Handlung entwickelt sich kontinuierlich vom Anfang zum Schluss ohne die Entdeckung oder Nacherzählung einer am Anfang unbekannten Vorgeschichte.
Die Figuren des Dramas kann man in zwei Gruppen teilen – in die Hauptfiguren und die Nebenfiguren. Klob reiht die Figuren nach der Familienangehörigkeit und Wichtigkeit im Werk aneinander. Die Hauptfiguren sind Anton Pohl, Anna Pohl, Johannes von Breslau, Martin Paner (Bürgermeister von Olmütz) und Andreas Paner. Die Nebenfiguren sind Frau Pohl, Otto von Breslau, Wolfgang Petrus (Stadtschreiber), Thomas Ebendorfer von Haselbach, Ratsherren, Schöffen, Bürger von Olmütz…
Die Grundlage der Sage bildet der wirkliche Bau der Kunstuhr. Auch die Person des Meisters ist nicht ausgedacht, sondern man kann in einigen Quellen Anton Pohl als eine reale historische Persönlichkeit finden. Er lebte angeblich in Olmütz und war der Schöpfer der ersten Kunstuhr, die den Turm des Rathauses zierte. Die wahre Geschichte wurde aber in der Sage verändert. Wie Willibald Müller erwähnt, wurde Meister Pohl nie geblendet und starb nicht unter solchen Umständen, wie sie in der Sage erzählt werden. (Müller, Willibald: Sagen und Geschichten der Stadt Olmütz. Ed. Hölzes Buchhandlung, Olmütz, 1892.)
Karl Maria Klob war aber nicht der erste, der diesen Stoff dramatisiert hat. Anton Ohorm, ein deutscher Schriftsteller hatte diese Sage bereits bearbeitet. Sein Werk bezog sich nicht auf Olmütz, sondern auf Straßburg.
Die Figuren beziehen sich wahrscheinlich auf wirkliche Olmützer Bürger. Die Namen, die einige Ratsherren und Schöffen tragen, sind alte und bekannte Familiennamen.
Es handelt sich um ein Versdrama, das im Blankvers geschrieben ist. Diese Tatsache verweist auf Klobs Orientierung am Traditionalismus in der Literatur. Er zeigt sich in diesem Stück auch als ein begabter Charakterzeichner. Den Meister könnte man als Vorbild für Menschlichkeit, Liebe und Gerechtigkeit bezeichnen. Ähnlich wird seine Tochter dargestellt. Sie ist bereit, den Eltern zu dienen, ist gehorsam, treu und nett. Auf der anderen Seite stehen im Kontrast Vater und Sohn Paner, die ungerechte, listige, feindliche und neidische Leute repräsentieren.
Im ganzen Drama geht es um Beziehungen unter Menschen und die Freiheit des Künstlers. Die Kunstuhr steht aber nicht im Vordergrund, sondern die Umstände und Verhältnisse, unter denen sie entsteht. Das Motiv ist die gegenseitige Liebe des Meisters und seiner Tochter. Ihre Beziehung wird mit dem Bau der Kunstuhr noch tiefer, weil Pohls Belohnung das Glück seiner Tochter sichert. Eine Ebene des Werks ist die Liebe. Klob zeigt die Familienidylle, Treue, menschliches Glück und die Bereitschaft sich für die geliebte Person zu opfern. Auf der anderen Seite kann man die Ebene des Hasses, des Neids, des Rachedursts und des Egoismus beobachten. Der gesellschaftliche Konflikt wird mit dem persönlichen Konflikt verbunden. Klob unterstützt hier die Meinung, dass sich der Künstler frei entfalten sollte. Der Meister Pohl fühlt, dass sein Schaffen wichtiger ist, als Gesetze und Regeln, die seine Arbeit beschränken.
Die Denkweise der Bürger der Stadt ist auch sehr interessant. Einerseits sind sie stolz, dass sie ein solches Kunstwerk besitzen und wollen durch die Uhr weltberühmt werden. Andererseits verbieten sie dem Uhrmacher, für andere Städte zu arbeiten und sind sich nicht dessen bewusst, dass der Meister den Ruhm der Stadt mit seinem Schaffen auch in ganz Europa bestätigen und noch verbreiten könnte.
Es handelt sich um eine Tragödie eines guten Menschen, der als Opfer von Feindseligkeit, Neid, List und Racheplänen ums Leben kommt. Das ganze Werk ist vom Pathos des Kampfes zwischen dem Guten und Bösen erfüllt.