Ernst Wolfgang Freissler: Junge Triebe

Roman
Jahr der Publikation
1922
Verlag
Langen
Publikationsort
München
Gattung
Roman
Bibliographische Daten
Junge Triebe. Roman. Langen, München 1922.
Art der Veröffentlichung
Separate Veröffentlichung

Es handelt sich um einen Roman, den Josef Walter König als „Roman aus Troppau“ und Paul Buhl als „Schlüsselroman“ bezeichnen. Er steht in der Tradition tragischer Schülergeschichten wie Freund Hein von Emil Strauss (1902) und Unterm Rad von Hermann Hesse (1906) und schildert, wie sensible Schüler unter dem Unverständnis ihrer Umwelt leiden und dabei seelisch zermürbt werden. Aber während die jungen Menschen bei Strauss und bei Hesse keinen anderen Ausweg mehr als den Tod sehen, kommt es bei Freissler schließlich doch noch zu einem guten Ende. Der Roman wird auch als Entwicklungs- oder Bildungsroman bezeichnet, weil er die typischen Merkmale wie z.B. die psychologische und gesellschaftliche Entwicklung der Hauptfigur behandelt. Zugleich geht es um ein Erstlingswerk dieses Autors.

„Dieser Roman ist ein Erstlingswerk, das von einem ernsten und nachdenklichen Verfasser geschrieben ist und dessen Stil und Aufbau von schriftstellerischer Reife sprechen. Freissler hat alles in ergreifender Weise geschildert, und dadurch, dass er die Augen öffnet für die unheilvollen Wirkungen einer verständnislosen Erziehungsmethode, gibt der Verfasser einem Buch noch einen besonderen Wert." (KielerZeitung, Kiel)[1]

Inspiration für die Geschichte hat Freissler wahrscheinlich in seiner Kindheit gefunden: Der Roman enthält autobiographische Züge (sowohl die Hauptfigur Fritz als auch Freissler selbst stammen aus Bürgerfamilien, Freisslers Bruder Robert und Fritz' Bruder Felix wurden Juristen, Freisslers und Fritz' Vater waren Ärzte, beide litten an Lungenkrankheiten, beide arbeiteten als Bankbeamte in Mailand und Kairo usw.). Im Zentrum des Romans steht der Vater-Sohn-Konflikt. Geschildert wird die Geschichte eines Jungen, seine Kindheit, der Prozess des Heranreifens zum Mann, das Verhältnis zu seinem Vater, beziehungsweise zu seiner ganzen Familie und überdies auch die innere Entwicklung der Hauptfigur.

Die Hauptfigur des Romans heißt Fritz, er hat zwei ältere Brüder Felix und Max und eine jüngere Schwester Gretel. Fritz genoss die ersten drei Jahre seiner Kindheit, da er der Lieblingssohn seines Vaters war (während die älteren Brüder nur Angst haben vor ihrem Vater). Nach der Geburt seiner Schwester kommt es aber zur Veränderung des Verhältnisses, auch für den jüngsten Sohn hat der Vater ab nun nur Prügel und Schelte, die ursprüngliche Liebe entwickelt sich zu einem langjährigen Konflikt. Die Kindheit von Fritz wird zu einer bedrückenden und lieblosen Zeit. Fritz leidet unter der Strenge seines Vaters und der Hilflosigkeit seiner Mutter.

Die älteren Brüder verlassen allmählich das Familienhaus. Max geht in die Offiziersschule, Felix an die Universität. Fritz kämpft mit dem Hass gegen den Vater, er verachtet ihn. Manchmal plagt er die kleine Schwester, trotzdem hat sie ihn lieb. Obwohl er einen guten Kopf hat, geht es ihm am Gymnasium nicht gut, weil er faul ist. Nach einigen Problemen am Gymnasium schließt er allerdings die Schule erfolgreich ab und steht vor der Wahl des Studiums. Er darf allerdings nicht das studieren, was er möchte – Medizin, sondern muss das studieren, was sein Vater verlangt – Jura. Trotzdem freut sich Fritz auf die Freiheit außerhalb der Familie.

Wegen einer Lungenschwäche muss Fritz aber bald das Studium abbrechen. Sein Vater, der Arzt ist, kann sich um ihn kümmern. In diesem Augenblick ändert sich Fritz´ Einstellung zu seinem Vater: Er empfindet keinen Hass mehr auf ihn und keine Lust zur Auflehnung. Zugleich fühlt er sich aber durch verschiedene Ge- und Verbote unfrei. Deswegen nimmt er dankbar die Stelle eines Bankvolontärs in Mailand und später in Kairo an (die geschilderten exotischen Landschaften korrespondieren mit der Stimmung der Hauptfigur).

In Kairo verliebt sich Fritz in die Kalifornierin Gitta, die durch Fritz stark an ihren verstorbenen Bruder erinnert wird. Fritz und Gitta werden ein Liebespaar. Gitta fragt Fritz nach seiner Jugend. Er gesteht, dass er sich wegen häufig empfangenem Prügel als Opferlamm fühlte, doch eigentlich selbst schuld war, da er sich nicht gewehrt hatte und durch Lüge und Heimtücke seinen Vater in die „Tyrannenpose“ hineinmanövriert hat. Eines Tages verlässt Gitta Fritz, er entscheidet sich dafür, die Bank zu verlassen und an der Universität zu studieren. Jetzt weiß er genau, was er werden will: Dichter, Kritiker oder Schriftsteller. Er will zurück nach Hause, vor allem sehnt er sich nach der Versöhnung mit seinem Vater. Als der die geplante Reise antreten will, erfährt er allerdings, dass sein Vater bereits gestorben ist. Der Roman endet mit Fritz´ Reise in den Norden. Der Vater-Sohn-Konflikt bleibt ungelöst und ungesühnt.

„Ein weißes Schiff zieht durch die Hafeneinfahrt, lässt das lehmige Brackwasser hinter sich, gewinnt das blaue, sonnige Meer. Fritz steht im Deek, über den Schaumwirbeln der Schraube, sieht die hellen Strandhäuser mit den Palmen und Büschen ihrer Gärten langsam unter den Horizont versinken. Das Lotsenboot jagt unter kräftiger Brise zum Lande zurück. Endlich nur weit im Süden, Meer und Himmel trennend, ein dünner gelber Strich: Afrika! Ein letzter Blick noch - vorbei! Des Schiffes Bug zeigt nach Norden.“[2]

(Studentische Arbeit)

[1]Lexikon deutschmährischer Autoren. Univerzita Palackého v Olomouci, 2002, S. 2006/3

[2] Freissler, S. 307