Militärischer Werdegang: 1843 „Definitiv zum wirklichen Professor sowohl der Physik als auch der Chemie in der Ingenieur-Akademie“ ernannt, 1844 Kapitänleutnant, 1854 Major, 1859 Oberstleutnant, 1863 Oberst, 1874 bei gleichzeitiger Ernennung zum Feldmarschall-Leutnant in den Ruhestand versetzt. Es erfolgten Reisen 1875/76 nach Persien; 1877, 1879, 1881 Italien, Sizilien, Griechenland, Malta; 1878 Helgoland, Norwegen, Schweden, Dänemark; 1882 Island, England, Schottland; 1884 Konstantinopel. 1884 kam es zur Heirat mit Marie, geb. Dubsky. 1863 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften.
Hoher Offizier, genialer Techniker und Erfinder, Lehrer im Kaiserhaus, Weltreisender, Schriftsteller – das alles war dieser eigenständige, hochinteressante Mann. Er hat seinen Platz in diesem Lexikon, nicht nur weil er der Gatte der Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach war, sondern auch weil er selbst eine große schriftstellerische Begabung besaß, umfangreiche Lebenserinnerungen schrieb und zwei Novellen veröffentlichte.
Moriz von Ebner-Eschenbach hatte schon früh in der um 15 Jahre jüngeren Marie von Dubsky die Dichterin erkannt und wesentlich zu ihrer geistigen Selbstfindung beigetragen, ganz im Sinne seiner Äußerung:
Ich finde es geradezu staunenswert und nahezu unbegreiflich, daß auf die Ausbildung der Hälfte des Menschengeschlechtes selbst bei den Culturvölkern ein so geringes Gewicht gelegt wird. Von der Natur mit den gleichen geistigen Fähigkeiten ausgestattet wie der Mann, beläßt man die Frau in einer durch ihre Unreife bedingten Unmündigkeit.
Das literarische Hauptwerk sind die Erinnerungen, in denen er nicht nur sein Leben schildert und seine ausgedehnten Reisen lebendig beschreibt, sondern sich auch intensiv – geistreich, kritisch und humorvoll – mit Problemen und Ereignissen seiner Zeit auseinandersetzt. Schon das Vorwort kündigt (allzu bescheiden) an:
daß meine Erlebniße von zu geringer Bedeutung sind, um als Hauptsache hervortreten zu dürfen. Ein Zeitbild soll entstehen, indem ich über die verschiedenen mir zugänglichen Ereigniße meine Meinung und Anschauung äußere. Es ist nothwendig mangelhaft und einseitig. Es trägt alle Schwächen meiner Persönlichkeit an sich, es ist unvollstädnig gleich meinen Kenntnißen. Allein ich lebte und lebe mit offenen Augen, ich glaube von Vorurtheilen ziemlich frei zu sein, und ich bestrebe mich, ehrlich die Wahrheit zu sagen, in so weit sie mir erkennbar ist.
Genau dies ist auch durchgeführt, weitgefächert und eben doch sehr kenntnisreich. Die Themenvielfalt reicht neben persönlichen Erlebnissen und Zeitgeschichtlichem (Kaisertreffen in Olmütz 1853, See-Schlacht von Lissa 1866, Verlobung und Heirat, Reisen) von Gedanken über Nationalitäten, über Christen und Juden, über die Ehe auf Zeit, über Prinzenerziehung, Waldschutz, Feuerbestattung, Hypnose, Schulwesen bis zur Pariser Küche und dem historischen Hintergrund der Jungfrau von Orleans. Mit diesen Erinnerungen liegt ein außerordentlich wertvolles Dokument für das ausgehende 19. Jahrhundert vor, besonders für Österreich, durch die Reisebeschreibungen aber auch weit darüber hinausgreifend. Sie sind in zwei Fassungen handschriftlich in mehreren Foliobänden überliefert, aber nur in Auszügen veröffentlicht (Moritz von Ebner-Eschenbach: Erinnerungen des k.k. Feldmarschall-Lieutenants. Hg. von Edda Polheim. Berlin 1994. – Deutsch Bibliothek des Osten).
In der Erzählung Hypnosis perennis geht der Autor dem Problem einer beständigen Hypnose nach, durch die der Ich-Erzähler Graf von Hollenstein und Mary, die Schwester eines Schusters, von vornherein durch Liebe aneinandergebunden sind. Zwar stellt es sich heraus, dass der Schuster und seine Schwester von hohem Adel sind, doch waren sie, als ihr Vater wegen schwerer Verbrechen verurteilt im Kerker starb, in die Anonymität geflüchtet. Eine Heirat erscheint ihnen ausgeschlossen, sodass der Erzähler tödlich erkrankt, im letzten Augenblick aber von Mary durch Suggestion gerettet wird. Beide heiraten nun, leben glücklich und sterben gemeinsam bei einem Schiffsunfall. Formal ist dieser etwas rührselige Inhalt sehr geschickt dargestellt: Zuerst erzählt der Graf, dann liest er das Tagebuch der Geschwister, sodass dieselben Vorgänge nun von der anderen Seite gesehen werden, schließlich schreibt der Bruder den Epilog.
Ein Wunder des heiligen Sebastian erzählt von einer Mutter, die um ihren Sohn zu schützen, alles dem heiligen Sebastian opfert, sodass sie an ungenügender Ernährung stirbt. Als der Sohn dies erfährt, tritt er in ein Franziskanerkloster und wird ein berühmter Prediger.
Die beiden Erzählungen zu veröffentlichen, war gewiss ein gewagtes Unternehmen, wenn man bedenkt, dass Marie von Ebner-Eschenbach zu diesem Zeitpunkt bereits zur vollen Anerkennung durchgedrungen war. Immerhin leistet sich der Gatte in der ersten Erzählung den Witz, genannt Werke einer österreichischen Schriftstellerin, einer Aristokratin in die Handlung einzufügen. Beide Erzählungen sind eigenartige Erzeugnisse, die in ihrem Hang zur Sentimentalität kaum auf den Naturwissenschaftler Ebner als Autor schließen lassen. Viel eher ist das möglich, wenn man sie aus parodistischer Sicht liest. Sie fallen jedoch qualitativ keineswegs aus dem Rahmen der damaligen Literatur, immerhin wurden sie bei Cotta gedruckt. Trotzdem wird man nicht umhin können sich zu wünschen, dass die Erinnerungen und nicht die Erzählungen gedruckt worden wären.
(Edda Pohlheim, Bonn)