Joseph Christian Zedlitz stammte aus einer alten verarmten adligen Familie, sein Vater war kaiserlicher Landeshauptmann in Österreich-Schlesien. Nach dem frühen Tode des Vaters wurde der Junge für den geistlichen Stand bestimmt und besuchte seit 1801 das geistliche Kolleg in Breslau, wo er Mitschüler von Joseph von Eichendorff war. 1806 trat er aber in den österreichischen Militärdienst als Kornett in das k. u. k. Husarenregiment Nr. 3 „Erzherzog Ferdinand“ ein und nahm 1809 als Berufsoffizier am Feldzug gegen Frankreich teil. Er zeichnete sich durch Tapferkeit bei den Schlachten bei Regensburg, Aspern und Wagram aus. 1810 wurde er zum kaiserlichen Kammerherrn ernannt, schied aber bald aus dem Dienst, nachdem er in ein nach Ungarn verlegtes Regiment versetzt worden war. Durch Heirat mit Ernestine von Lipthay (1811) gewann er zwei Landgüter im Banat, wo er – nach einer Anstellung in Jauernig als fürstbischöflicher Forstinspektor – seit 1817 bis zum Tode seiner Frau, die 1836 an Cholera starb, die Sommermonate verlebte; die Wintermonate verbrachte er in Wien, vor allem im Kreise der Wiener Dichter, die damals unter dem Einfluss der deutschen Romantiker standen.
Die ersten lyrischen Gedichte Zedlitz’ – der Sonettenzyklus Der Liebe Lust und Qual – sind 1819 im Almanach Aglaja erschienen. Dieses „Taschenbuch“ wurde von Joseph Schreyvogel, dem Sekretär des Hoftheaters, herausgegeben und publizierte Beiträge renommierter Mitarbeiter, z. B. des damals bereits bekannten jungen Grillparzer. – Der erste selbständige Gedichtband von Zedlitz erschien 1832 unter dem Titel Gedichte; zu seinen Lebzeiten wurde er sechsmal aufgelegt, was von einem ziemlichen Erfolg zeugt. Heute ist er, wie das ganze Werk Zedlitz’, vergessen. Grillparzer nannte Zedlitz einen „vortrefflichen Versificateur“, von Konservativen wurde er zu den Dichtern gezählt, die den Geschmack der österreichischen Leserschaft reformieren wollten. Der Grund dafür ist in Zedlitz’ Neigung zu einer neuen Ausdruckweise in der Lyrik, in der Abwendung von antiken Vorbildern, im fließenden Vers und leichten Reim zu sehen. Zedlitz war vor allem ein ausgezeichneter Nachahmer: So findet man in den Gedichten Anklänge an Goethe, Uhland, Heine, an die Romantiker und an den damals verehrten Byron, dessen Child Harold er übersetzte. Was Zedlitz abgeht, ist die scherzhafte, für den Volkston charakteristische Note, oft überwiegt Pathos, besonders in begeisterten patriotischen Versen, aber auch die Liebeslyrik ist nicht frei von Rhetorik ebenso wie die Gedichte, die das romantische Rittertum besingen, und die Napoleon-Balladen, die großen Erfolg hatten (Die nächtliche Heerschau).
Im gleichen Jahr wie die ersten Gedichte, also 1819, erschien auch Zedlitz’ einziger Prosatext Graf Roger sowie sein dramatisches Märchen Turturell. Der Misserfolg des Stückes, einer romantischen Schicksalstragödie, konnte den Autor von weiteren dramatischen Versuchen nicht abhalten. Unter dem Einfluss der damals von den Romantikern entdeckten und bearbeiteten spanischen Literatur und der im Burgtheater inszenierten spanischen Stücke und ihrer Bearbeitungen plante Zedlitz den Dramenzyklus Die Mauren, von dem nur ein einziges Stück, Der Königin Ehre, 1819 verfasst (erschienen 1834), jedoch nicht aufgeführt wurde – eine Geschichte der Vertreibung des maurischen Geschlechtes der Abencerragen durch den Herrscher von Granada. Erfolg dagegen hatte die spanische Tragödie Zwei Nächte in Valladolid (aufgeführt 1823, erschienen 1825), die in Blankversen das Thema der Eifersucht nach Calderon bearbeitete. Weniger Erfolg brachte dem Verfasser das ebenfalls im spanischen Geiste gehaltene Verwechslungslustspiel Liebe findet ihre Wege (aufgeführt 1825, erschienen 1827). Das spanische Milieu, der Ehrbegriff der hohen Gesellschaft, die feste soziale Hierarchie, auch das modische Interesse an der spanischen Geschichte und Kultur lockte Zedlitz immer wieder zu neuen dramatischen Versuchen: sein Stern von Sevilla, eine freie Bearbeitung der Tragödie von Lope de Vega (1829), veranschaulicht den Ehrbegriff und den Untertanengeist, der die Menschen verblendet; laut Škreb soll das Stück sogar als Parodie aufgefasst worden sein (Škreb, 335). Diese z. T. ahistorische Wertung entspricht keinesfalls dem Urteil der Zeitgenossen. In dem in Spanien spielenden Zweiakter Herr und Sklave nach Kotzebue (erschienen 1831) wird gleichfalls das Motiv der Ehre, der Rache und der Bekehrung aufgegriffen. Das 1834 im Burgtheater aufgeführte gefühlsbetonte Tasso-Drama Kerker und Krone stellt Tassos Kerkerhaft und seine Krönung als Poeten auf dem Kapitol dar. Die Figur des leidenden Künstlers, der die innere Freiheit erst nach harten seelischen Kämpfen durch Entsagen erreicht, ist dem Charakter von Goethes Tasso nachgebildet. Das Lebensende kann Tasso als großer und verehrter Dichter zubringen. Der nach Goethe vielfach bearbeitete Stoff war für Zedlitz überaus anziehend, zumal er sich mit dem Helden identifizierte. Er hätte den siegreichen Kampf einer „wahren, hohen Dichternatur“ gegen alle Hindernisse und die innere Stärke eines Genies zeigen wollen, bekannte er in einem Brief an Tieck. [LT1]
Die Handlung aller Dramen ist schleppend, die Personen blass. Liebe und Ehre, Gewalt und Intrigen, Mord und Totschlag sind die Attribute der meisten Tragödien. Dass die Stücke von der barocken Tragödie und der Haupt- und Staatsaktion abgeleitet sind, dürfte die Vorliebe Zedlitz’ für blutige Ereignisse erklären, die Škreb für eine sadistische Deformation des Autors hält (Škreb, 330). Die Stücke, die allerdings wenig Psychologie und Schlagkraft vorweisen, verschwanden meist in kurzer Zeit vom Spielplan der Wiener Theater.
In den Wiener Wintermonaten der 20er Jahre führte Zedlitz ein reges geselliges Leben, verkehrte in den literarischen Salons, befreundet war er mit Grillparzer und Bauernfeld. Wichtig war ihm der Verkehr in der „Ludlamshöhle“, einer Vereinigung Wiener Literaten, Künstler und Schauspieler, in der man aus eigenen Werken las und über Literarisches und Theatralisches diskutierte. Die Vereinigung wurde 1826 als geheime Gesellschaft polizeilich aufgelöst.
Ende der 20er Jahre wandte sich Zedlitz erneut der Poesie zu: 1828 erschien die Ballade Nächtliche Heerschau, die besonders in der Vertonung von Carl Loewe bekannt wurde. Den größten Ruhm aber brachte ihm seine Sammlung von Kanzonen Totenkränze, die von den Zeitgenossen als sein bestes Werk gewertet wurde. In dem epischen Gedicht oder Versepos denkt das dichterische Subjekt über den Sinn des Lebens nach und findet die Antwort im idealen Streben des Menschen im Gegensatz zur sinnlichen Lust und Freude. Der Geist, „der Schemen“, der ihm erscheint, führt den Dichter zu Gräbern von Kriegern (Wallenstein, Napoleon), von Liebenden (Petrarca und Laura, Romeo und Julia), von Poeten (Tasso, Byron), um ihn zu überzeugen, dass die Menschen an Idealen scheitern müssen. Der Dichter durchschaut die Absicht des bösen Dämons und erinnert an die Staatsmänner der neuesten Zeit, an namenlose selige Liebespaare, an glückliche Dichter (Shakespeare, Schiller). Die Vision einer rohen, ausschließlich materiellen Werten ergebenen Welt liefert einen Kontrast zum Bekenntnis des Dichters zum Idealismus, zum „hohen Streben“, das nach „des Weges Mühn“ in eine bessere Zukunft führen wird. Der bedeutende Erfolg dieses Versepos ist seinem aktualisierenden Gehalt (Napoleon, Josef II., Byron u. a.) und dem flüssigen Vers und Reim zuzurechnen. Weitere zwei historische Versepen blieben Fragmente: Das Kreuz in Hellas, in dem der Kampf der Griechen gegen die Türken geschildert wird, und Die Wanderungen des Ahasverus (um 1840) über den Verfall des Römischen Reiches und den Sieg des Christentums.
Nachdem seine Frau 1836 gestorben war und ihr Vermögen nach ungarischen Gesetzen an die Familie zurückfiel, sah sich Zedlitz genötigt, einen Beruf zu ergreifen und tat dies 1838, zum Ärger aller Poetenfreunde, indem er in den kaiserlichen Staatsdienst unter Metternich trat und in der Staatskanzlei tätig war. Seine Aufgabe war, die Politik Metternichs in der Presse und in Broschüren zu verteidigen. Gestört wurde dadurch sein Verkehr mit den Wiener Dichtern, vor allem mit Grillparzer, der ihn immerhin als Dramatiker und Poeten schätzte. Zedlitz selbst hielt sich für einen Liberalen, bekundete diese Haltung aber auch der Regierung und begründete seine Dienstfertigkeit mit „der Pflicht des wirklichen Patrioten“ (Rommel, XV). Seit Ende der 30er Jahre verkehrte Zedlitz mit der hohen Wiener Gesellschaft, unternahm Reisen nach Frankreich, wo er den von ihm geschätzten Heine aufsuchte, und nach Italien und begleitete Metternich auf seinen Reisen. Als Geschäftsträger des Herzogs von Nassau am Wiener Hofe (1845) reiste er häufig nach Frankfurt a. M. In Deutschland fand der in Österreich heftig kritisierte Schriftsteller unter Dichtern neue Freunde: Freiligrath, Immermann, Simrock, die ihn, ebenso wie die eben kennengelernte Landschaft, zu neuem lyrischen Ausdruck inspirierten. Halt und Unterstützung fand er auch bei der befreundeten Familie Binzer.
So entstand neben kleinen Gedichten ein Märchenepos aus dem Spessart, Waldfräulein. Ein Märchen in achtzehn Abenteuern (1843). Geschildert wird die Kindheit und Jugend des „Waldfräuleins“, das Erwachen ihrer Liebe, der abenteuerliche Weg, auf dem sie Hindernisse und Gefahren zu überwinden hat, zu ihrem Traumritter. Ansprechend für die damalige Leserin ahmte Zedlitz in dem romantischen Märchen aus dem Mittelalter mit Erfolg den Ton der Volkspoesie nach (Knittelvers), was ihm auch Grillparzer bekundete, der die Absenz einer politischen Tendenz lobte. In der Nachfolge Zedlitz’ entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von trivialromantischen Versepen dieser Art. 1872 wurde das Waldfräulein von Marie Ebner von Eschenbach dramatisiert.
Nach den Ereignissen von 1848, die Zedlitz tief enttäuschten, wandte sich sein patriotischer Eifer dem italienischen Feldzug zu. In Gedichten, die er den siegreichen Schlachten des österreichischen Heeres widmete, zeigt er sich als überaus kämpferischer unduldsamer Mann, und zwar auch im Vergleich mit Kriegsgedichten anderer Poeten, z. B. mit Gleim oder Collin. Das erste Heft seines Soldatenbüchleins (1849) ist der „Österreichischen Armee in Italien“ gewidmet, das zweite, 1852 erschienen, „dem österreichischen Heere in Ungarn“, wobei das zweite Büchlein die Toten, aber auch die siegreichen Heeresführer feiert.
Die zwei Verserzählungen Altnordische Bilder (1850) blieben von der Kritik und Leserschaft unbeachtet. In Ingvelde Schönwang geht es um Blutrache, Zedlitz versuchte, den altnordischen Menschen in seiner Brutalität und Rachsucht als urwüchsigen Naturmenschen mit seinen eigenen Gesetzen darzustellen. Nach der Erzählung, von Graf Sporck als Textbuch bearbeitet, komponierte Max Schilling eine erfolgreiche Oper. Die zweite Erzählung, Svend Fielding, fußt auf einer dänischen Heldensage.
Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Aussee, wo Zedlitz gemeinsam mit der Familie Binzer ein Haus bauen ließ, kehrte er, vom Fürsten Felix Schwarzenberg berufen, 1851 nach Wien und in sein Amt im Ministerium des Auswärtigen zurück. Außerdem wurde er mit dem Posten eines Geschäftsträgers der Herzogtümer Braunschweig, Sachsen-Weimar, Oldenburg und wiederum Nassau, kurz auch der Donaufürstentümer, beauftragt. Die Sommermonate verbrachte er in Aussee. Die letzten zehn Jahre seines Lebens war er nicht mehr schriftstellerisch tätig. (Lucy Topoľská, Olmütz)
Mitarbeit in Zeitschriften und anderen Periodika:
Aglaja auf 1819 und folgende Jahrgänge des Wiener Almanachs bis 1832. (Gedichte, Prosa)
Literaturblatt zum Morgenblatt (Gedichte, Balladen)
Augsburger Allgemeine Zeitung, etwa 1834 – 1848
Teilnachlass:
Manuskripte u. Briefe an Zedlitz: ÖNB HS, Cod. Ser. n. 3.843, Autogr. 143/1-168 u. weitere Einzelsignaturen.