Emil Karel František Pirchan wurde in die Familie des akademischen Malers Emil Pirchan und seiner Frau Karolina geb. Strnischte geboren. 1902 ging Emil Pirchan nach dem Abitur, das er an der Brünner Landes-Oberrealschule ablegte, nach Wien, wo er an der Technischen Hochschule bei Professor Karl König studierte. Im folgenden Jahr wurde er Hörer der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Otto Wagner. Nach dem Studium kehrte er nach Brünn zurück und arbeitete von 1906 bis 1908 als Zeichenlehrer an der Brünner Landes-Oberrealschule. Im Herbst 1908 übersiedelte er nach München und gründete dort ein eigenes grafisches Atelier für Gebrauchsgrafik und 1913 eine Plakatschule. In diesen Jahren entstanden zahlreiche Plakate, Exlibris und Vignetten, die zwar noch dem Jugendstil verpflichtet waren, obgleich sie bereits die Tendenz zum Weglassen kleinlicher Details und zur Erfassung des Wesentlichen aufweisen, was ein typisches Merkmal Pirchans späterer bühnenbildnerischer Tätigkeit war.
Im August 1913 heiratete Pirchan Jana Diehl, eine gebürtige Münchnerin. Es wurden der Sohn Petr und die Tochter Sibylle geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte Pirchan schon als Ausstattungschef des Bayrischen Staatstheaters in München und seit 1921 war er am Staatlichen Berliner Schauspielhaus tätig, wo er für Leopold Jessners Inszenierungen stilbildende expressionistische Bühnenbilder entwarf. Von Ernst Lothar wird Pirchan als einer der Brünner Künstler bezeichnet, die großen Einfluss auf die deutsche Kultur hatten: In den Jahren 1918-1921 gab Pirchan gemeinsam mit Paul Baumann die Dreimonatsschrift Eos heraus (1918 - 1921), eine Zeitschrift für Dichtung und Kunst und seit 1927 lehrte er als Dozent für Bühnenbildkunst und Kostümlehre an der Staatlichen Berliner Musikhochschule für darstellende Kunst. Pirchan entwarf in dieser Zeit Bühnendekorationen auch für ausländische Theater (in Zürich, Buenos Aires, New York, Barcelona, Oslo, Köln, Augsburg, Breslau etc.).
Im Jahre 1932 zog Pirchan nach Prag (wohnhaft: Prag XII, Königliche Weinberge, Hradešínská 52). Dort war er in den Jahren 1932 - 36 künstlerischer Bühnenleiter am Prager Deutschen Landestheater und darüber hinaus führte er eine Bühnenbildklasse an der Prager Musikakademie. In dieser Zeit entwarf er auch Bühnenbilder für die Brünner Vereinigten Deutschen Theater. Pirchan soll nach Angaben in Prokop Tomans Lexikon den Umbau der Brünner Redoute geleitet haben. Die Brünner Pirchan-Forscherin Jitka Sedlářová bezweifelt aber diese Information, die sie wegen fehlender Archivalien nicht überprüfen konnte. 1935 erhielt Pirchan den tschechoslowakischen Staatspreis für seine künstlerische Tätigkeit.
Im November 1936 wurde er auf eigenes Gesuch Staatsbürger Österreichs. Von 1937 bis 1948 war Pirchan als Bühnenbildner am Burgtheater und gelegentlich auch an der Wiener Oper tätig. Bis zu seinem Tod lehrte er an der staatlichen Hochschule in Berlin und leitete die Bühnenbildklasse an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Über Pirchans politische Einstellung während des Zweiten Weltkriegs wird berichtet: „Distanzierungen Pirchans von der nationalsozialistischen Kulturdiktatur liegen nicht vor, Zustimmungen aber ebenso nicht.“ (Sedlářová, 2000) Emil Pirchan starb an einem schweren Krebsleiden in Wien am 20. Dezember 1957 und wurde auf dem Hietzinger Friedhof begraben.
Emil Pirchan war ein Künstler mit vielseitiger Begabung. Neben seiner umfangreichen bühnenbildnerischen Tätigkeit (mehr als 400 Theaterinszenierungen) verfasste er drei Romane, Novellen, einen Essayband, zwei Theaterstücke, sogar Ballettstücke, zwölf Künstlermonographien - u. a. auch über die Schauspielerin Therese Krones, über Gustav Klimt, über Harald Kreuzberg - und noch etwa zwanzig weitere Werke, die er den Themen aus seinem Wirkungsbereich widmete: Bühnen- und Künstlerbrevier, Wiener Theatergeschichte Unsterbliches Wien, ein Fachbuch über die Bühnenmalerei, eine Kostüm-Kunde, Malbücher und Bilderfibeln. Neben belletristischen Werken verfasste Pirchan also einerseits Fachbücher, andererseits populärwissenschaftliche Schriften, die auf unterhaltende Weise einem breiten Publikum die Theatergeschichte vermitteln. In diesen Büchern finden Pirchans erzählerische Begabung und sein Sinn für Humor Ausdruck. Im Bühnenbrevier stellt er Theatergeheimnisse vor: die Kunst des Küssens und der theatralischen Ohrfeige, Mittel gegen Lampenfieber, wie Tiere Theater spielen, die Magie der Maske, Theaternarren und -heilige, wirklicher Tod auf der Bühne usw.
Von Pirchans Arbeitsschwung zeugt der Fragebogen des Österreichischen Instituts für das Lexikon der schöpferischen Österreicher vom 12. Oktober 1947, wo Pirchan auf die Frage „Welche Hemmnisse, deren Beseitigung erforderlich wäre, stehen Ihrer Arbeit entgegen?“ geantwortet hat: „Materialmangel für Bühnenbilder und Papiermangel für Bücher“.
Pirchans erster Roman Der zeugende Tod (1918), auf dessen Umschlag der Herausgeber den Lesern versprach, dass es „kein Kriegsbuch“, sondern „ein Werk voll Ewigkeitsweisheit!“ sei, soll auch verfilmt worden sein. Ein utopisches Werk, dessen Haupthelden junge, hübsche, intelligente und künstlerisch begabte Leute sind, die am Ende doch alle Hindernisse überwinden und der Zukunft entgegenschreiten, wurde in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg von manchen Lesern sicherlich mit Dankbarkeit empfangen, obwohl das künstlerische Niveau des Romans nicht allzu hoch ist.
Der Hauptheld, der junge Maler Silvester Sanders, erkrankt und verliebt sich in Dore, die Tochter seines Arztes. Obwohl seine Krankheit nicht unmittelbar sein Leben bedroht, spricht sich Dores Vater gegen die Ehe aus. Dem unglücklichen Liebespaar bietet sich aber bald ein verheißungsvoller Ausweg: Ein Wissenschaftler namens Teßling soll ein wundervolles Heilmittel gegen alle bekannten Krankheiten erfunden haben. Es ist eine Sensation, alle wollen die ersten „Versuchskaninchen“ sein. Und es geschehen Wunder. Alle werden geheilt, es werden keine unerwünschten Nebenwirkungen entdeckt, Silvester und Dore heiraten und für die Herstellung des Elixiers wird eine riesige Fabrik gebaut. Das Volk genießt aber nicht lange diese Idylle, in der niemand stirbt. Es werden nämlich keine Kinder geboren. Das Volk spaltet sich auf, die einen sind dem Wissenschaftler treu, die anderen wollen ihn und das Elixier vernichten. Tausende wütende, kindersüchtige Menschen zerstören die Fabrik. Es brechen jedoch überall alle möglichen, lange zurückgedrängten Krankheiten und Seuchen aus, es gibt kein Elixier mehr und viele Menschen sterben. Silvester und Dore sollen aber bald wieder glücklich werden: Sie leben in ihrem Haus, pflanzen Obst und Gemüse, überleben die schwerste Epidemiezeit und am Ende des Romans ist Dore „gesegneten Leibes“. Der zentrale Konflikt des Romans, das Stören des natürlichen Kreislaufs des Lebens, der den Tod und die Geburt zu einer Einheit verbindet, bleibt wegen der kitschigen Darstellung der Figuren und der naiven Erzählweise nur eine interessante Idee.
Der zweite Roman Pyramide ist im Jahre 1922 erschienen und wurde 1946, in etwas veränderter Form, unter dem Titel Labyrinth der Liebe neu herausgegeben. Es handelt sich um einen Bildungsroman, dessen Hauptheldin eine Urenkelin von Johann Wolfgang von Goethe ist. Es werden viele Realien aus Goethes Leben - wie die Italienreise, der Name seiner Geliebten, seine Werke - in den Roman integriert. Die Heldin verlässt das Elternhaus, um als Kellnerin, Schauspielerin, Prostituierte und Malerin ihr Glück in der Welt zu suchen, findet jedoch nicht den Ausweg aus dem „Labyrinth der Liebe“ und endet im Selbstmord.
Interessant ist Pirchans Novelle Mensalströme, die er 1923 in nur 285 Exemplaren mit eigenhändig gefärbten Bildern veröffentlichte. Hier findet noch einmal Pirchans Idee über den naturbedingten Zusammenhang von Tod und Geburt Ausdruck, wie er sie schon im Roman Der zeugende Tod darstellte. Während im Roman die gesunde, nicht sterbende Population dadurch bestraft wird, dass keine Kinder geboren werden, werden in der Novelle Mensalströme Frauen nach „jedem ungehemmten Liebesakt“ sofort schwanger. Die Natur will so die Sehnsucht nach dem Tod der Menschen korrigieren, die überhandnimmt, seitdem die Wissenschaftler die Unsterblichkeit der Seele bewiesen haben. Die Verbindung mit dem Jenseits brachte die Kunde „...von der Herrlichkeit des Ewigen Lebens [und] verklärte das Sterben zu einer Erlösung.“ Das Ende wird, genauso wie der Anfang der Novelle, graphisch in der Form eines Trichters (der Anfang wird umgekehrt, also wie eine Pyramide) gestaltet:
...In dieser
meiner großen Sternenstunde
vollendet sich endlich der
lückenlose Ring: alles,
alles, alles, alles
Leben ist
Kreis.
Die Kreislauf-Idee kommt hier am deutlichsten zum Ausdruck. Das Suchen nach Ganzheit und Einheit, das in Pirchans Prosa so oft vorkommt, zusammen mit der Kreislauf-Darstellung, in der die Geburt vom Tod, der Tod von der Geburt abhängig ist, machen Pirchan zum Vertreter jener Weltanschauung, die als „konservative Revolution“ bezeichnet wird und die während der Zeit der Entstehung der vorgestellten Werke im deutschen Raum viele Vertreter hatte. Diese Vermutung könnten wahrscheinlich Pirchans Essays oder Dramen zusätzlich unterstützen, sie stehen aber zur Zeit nicht zur Verfügung. (Silvie Léblová, Olmütz)