Kurt Loando
- geboren als
- Leopold Pospischil
- Pseudonym
- Leopold Pospischil, Kurt Loando
- Geburtsdaten
- 10.11.1899
- Mährisch Schönberg
- Sterbedaten
- 04.06.1942
- KZ Buchenwald
Über Kurt Loando sind nur wenige gesicherte Fakten bekannt1: Geboren am 11. November 1899, wuchs er in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte ab 1905 die deutschsprachige Volksschule in Olmütz. Als Beruf gab er bei der Volkszählung 1919 „Kontorist“ an, später nannte er sich „Chirologe“. 1936 veröffentlichte Loando dann im Eigenverlag den Roman Reichssender II meldet: … Original-Roman aus der Gegenwart, in dem er Adolf Hitler als Mörder darstellt. Am 25. August 1939 wurde Loando aus Olmütz ins Konzentrationslager nach Dachau deportiert. Von dort überführte man ihn am 27. September nach Buchenwald, wo er nach knapp dreijähriger Haft starb.
Reichssender II meldet: … ist der Versuch, die Gattungen Sciencefiction-, Spionage-, Liebes- und Zeitroman zu vereinen. Die Geschichte des Romans setzt im Spätherbst des Jahres 1932 ein. Sonja Katjaschinja, vom russischen „Meisterspion“ Dr. Sulinoff zur Agententätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst verführt, lehnt aus Liebe zum deutschen Chemiker Karl Holm einen Auftrag zur Beschaffung des „deutsch-japanischen Militärgeheimvertrages“ ab. Sulinoff lässt Sonja Katjaschinja daraufhin nach Moskau entführen, von wo aus sie in ein sibirisches Straflager geschickt wird. Gleichzeitig belastet er Karl Holm, indem er ihm, versteckt in einem Herrenschirm, Photographien neuer deutscher Waffen unterschiebt. Holm wird der Spionage verdächtigt und schließlich am 25. November 1932 „zum Tode durch das Beil verurteilt“. Am Todestag seiner Mutter gelingt Karl Holm dank seiner ersten großen Erfindung, einem Apparat, der durch „eine Abart der Röntgenstrahlen“ „den Gegenständen die Farbe nehmen, die Gestalt auflösen und für das menschliche Auge unsichtbar machen“ kann, die Flucht und der Diebstahl von 15 Millionen Reichsmark aus dem „Zentralreichssteueramt“ – eine große Sensation, wie der Reichssender II an dieser Stelle (S. 90) erstmals meldet. Holm lässt sich nun unter falschem Namen in Genf nieder, wo ihm eine zweite große Erfindung glückt, ein Apparat, mit dem es möglich ist, „alle metallenen Gegenstände bis zu 100 km Reichweite innerhalb einer Sekunde zum Schmelzen zu bringen“. Unterdessen wird es „Frühling“:
Der Reichstagsbrand in Berlin wird viel besprochen. Auf den Promenaden am Genfer See sieht man ältere Herren mit tief ernsten Gesichtern dahinwandeln. Es sind meistens höhere Staatsbeamte, [sic!] der einzelnen Landesstellen des deutschen Reiches, die es vorzogen, so rasch als möglich reichsdeutschen Boden zu verlassen, als [sic!] in ein Konzentrationslager gesperrt zu werden. (S. 93)
„Frühling“ auch für Karl Holm. In Genf erfährt er, dass die neue Reichsregierung kurzerhand das „Im Namen der Republik!“ ergangene Todesurteil „als [sic!] ungültig erklärt“ hat. Wohl aus Dankbarkeit dafür schenkt Holm in Berlin seine letzte Erfindung der Reichsregierung unter der Bedingung, sie nur zur Selbstverteidigung zu verwenden. Drei Tage später besucht der in Loandos Roman namenlose, aber eindeutig als Adolf Hitler erkennbare (an späterer Stelle ist dem Text außerdem eine authentische Photographie Hitlers beigefügt) „Ministerpräsident“ und „Vorsitzende der Regierung“ Karl Holm in dessen Hotelzimmer, um sich persönlich zu bedanken. Der „erste Beamte der Reichsregierung“ betont bei dieser Gelegenheit, dass das Deutsche Reich „nach den vielen Jahren des Kummers und des Elends - - der Schmach und der Schande“ vor allem „Ruhe und wieder Ruhe“ brauche, es anderenfalls einen „Zerstörer unserer Ruhe und unseres Friedens mit dieser furchtbaren Waffe zu treffen“ wisse. Holm kehrt nach Genf zurück, von wo aus er die Suche nach Sonja Katjaschinja aufnimmt, der inzwischen, gemeinsam mit ihren beiden Mitgefangenen, Walter Olden und einer „aus Moskau stammenden Jüdin“ namens Anja, die Flucht aus dem sibirischen Konzentrationslager geglückt ist. Um ein Visum nach Deutschland zu erhalten, heiratet die von Holm im sechsten Monat schwangere Sonja Walter Olden, im festen Glauben, Karl Holm sei tot. Sonja und Olden ziehen nach Köln, Anja geht nach Paris. Drei Jahre später, im Herbst 1936, stirbt Olden an einem „tückischen alten Lungenleiden“. Sonja, mittellos und verzweifelt, beschließt, zu Anja nach Paris zu fahren, wo sie aber nicht auf Anja, die unerkannt nach Amerika gezogen ist, trifft, sondern auf Sulinoff, der tatsächlich in den Besitz einer Kopie des „deutsch-japanischen Militärgeheimvertrages“ gelangt ist. Aus Angst erschießt Sonja Sulinoff, bringt die Kopie des Vertrages nach Berlin und schickt sie dort anonym an das Reichswehrministerium. Die Tatsache, dass der Vertrag in die Hände von Sulinoff gelangen konnte, alarmiert den „Ministerpräsidenten“. Als Verräter innnerhalb des Generalstabes wird schnell der leitende General ausgemacht. In einer Rede vor seinem „Ministerrat“ führt Loandos Hitler die Notwendigkeit der Ermordung des Generals aus und kündigt an, die Tat selbst zu begehen. Im Folgenden wird dann geschildert, wie Loandos Hitler nicht nur den General, sondern auch dessen Frau erschießt – und zwar „persönlich“, wie der Reichssender II anschließend (S. 204) vermeldet. Wenige Tage später fährt Karl Holm, von einer „unerklärlichen Gewalt gezogen“, von Genf nach Berlin, wo er in ein „gänzlich fremdes Stadtviertel gelangt“, dort zufällig einen kleinen Jungen (seinen Sohn, Karl, gerufen „Klein-Karli“) bemerkt, der ihn zu der dem Hungertod nahen Sonja führt. Das Happy End ist unaufhaltsam, endlich meldet – an dieser Stelle zum dritten und letzen Male – der Reichssender II: „Der geniale Erfinder und Entdecker der künstlichen Radiumstrahlen, Ingenieur Dr. Karl Holm [sic!] hat sich … mit seiner Braut, Sonja Katjaschinja … vermählt“ (S. 232).
Das Ende des Romans ist charakteristisch für die Erzähltechnik Loandos, bestimmt doch vor allem der Zufall das Geschehen. Die Handlung weist zahlreiche Brüche auf und wirkt durch Übertreibungen (selbst bei den Sciencefiction-Motiven) unglaubwürdig. Stilistisch auffällig ist dies im lexikalischen Bereich (v. a. Attributshäufungen und klischeehafte Verwendung der Sprache, oft zusätzlich verdichtet), wodurch die Darstellung komisch-karikaturistische Züge annimmt. Die Erzählweise ist darstellend: Loando, der durchgängig im Präsens schreibt, verwendet meist kurze Sätze, Pausen oder Unterbrechungen werden immer mit Punkten bzw. Gedankenstrichen gekennzeichnet, Frage- und vor allem Ausrufezeichen bestimmen das Textbild. In Reichssender II meldet: … finden sich – neben einigen offensichtlichen Druckfehlern – fast auf jeder Seite Orthographie- (insbesondere im Bereich Interpunktion) und Grammatikfehler.
Beachtenswert ist auch die Präsentation des Buches. Im Eigenverlag, Kuriositäten-Verlag Trautenau, veröffentlicht, wird bereits in der ersten Auflage, die angeblich 5 000 Stück umfasste, die Übersetzung in die englische Sprache und deren Veröffentlichung im Kuriositäten-Verlag Kurt Loando – London - New-York angekündet. In der zweiten Auflage von 19372, angeblich 10 000 Exemplare, hat der Kuriositätenverlag bereits Sitze in Berlin, Wien, Zürich, London, New-York und Reichenberg. Wie schon in der ersten Auflage wird dort abermals das baldige Erscheinen der englischen Ausgabe bekannt gegeben und abermals auf zwei weitere Werke „in Vorbereitung“, Der Sprung in´s Dunkle. Ein Gesellschafts-Roman aus der Gegenwart. Von K. Loando sowie Kuriositäten aus den Sprechstunden des Chirologen Kurt Loando, verwiesen. Aber auch zu den Quellen des Romans selbst macht Loando falsche Angaben. Er sei unter „Benützung von Augenzeugen-berichten [sic!] aus Sowjetrußland [sic!] - den Konzentrationslagern und Strafisolatoren der G.P.U.“ entstanden und enthalte „11 photographische Bilder“. Tatsächlich ist der Roman grauenhaft schlecht recherchiert, fraglich ist sogar, ob Loando eine Landkarte von „Sowjetrußland [sic!]“ zur Verfügung hatte. Fotos dagegen sind wirklich abgedruckt (insgesamt aber zwölf, mit Loandos Portrait sogar 13). Das erste Bild etwa stelle - laut Bildunterschrift - „Sonja Katjaschinja im Konzentrationslager der G.P.U. beim Holzfällen im Sibirischen Wald“ dar, lässt den Leser aber eher an Clawdia Chauchat in Davos denken.
Angesichts der erbärmlichen Qualität des Romans kann über die Intention des Autors nur spekuliert werden. Loando stützt sich in seiner Darstellung offensichtlich auf zeitgenössische Berichte über den Mord an General Kurt von Schleicher und dessen Ehefrau und wohl auch auf Hitlers Reichstagsrede vom 13. Juli 1934.3 Ob Loando diesen Rückgriff auf historische Ereignisse unternommen hat, um – politisch unmotiviert – seinen Anspruch auf einen Zeitroman zu unterstreichen, oder ob es Loando dabei um eine Verherrlichung Hitlers ging, jeweils wäre er an seinen mangelhaften sprachlichen Kenntnissen gescheitert; Loando war „wohl nicht bewußt [sic!], daß [sic!] sein naiver Unsinn eigentlich eine Karikatur ergibt“ (Václavek 1985, S. 203).4
Eine gewisse Beachtung verdient Reichssender II meldet: … aber in jedem Falle, ist doch Kurt Loando „der einzige sudetendeutsche Schriftsteller, der damals im Buch (wenn auch von kläglicher Qualität) Adolf Hitler als Mörder präsentierte und einer von vielen, die dem Naziterror zum Opfer fielen“ (Václavek 1985, S. 205).
Ludvik Václavek kommt das Verdienst zu, auf Loandos Roman überhaupt aufmerksam gemacht zu haben. Sein Aufsatz liefert eine erste Beschreibung und Interpretation des Romans; er enthält außerdem alle verfügbaren biographischen Angaben: Václavek, Ludvík E.: Severomoravský „spisovatel“ Kurt Loando [Der nordmährische „Schriftsteller“ Kurt Loando]. o.V., o.O. 1985. (Stefan Schäfer, Olmütz)
1 Die biographischen Angaben erfolgen nach Václavek 1985. Zitiert wird im Folgenden nach der deutschen Übersetzung des Aufsatzes.
2 Die Angaben zur zweiten Auflage erfolgen nach Václavek 1985.
3 Siehe dazu Václavek 1985, S. 22 Anmerkung 1, sowie ausführlich Schäfer 2001.
4 Die erstgenannte Interpretation wird in Schäfer 2001 vertreten. Der Versuch einer Verherrlichung Hitlers ist zwar nicht auszuschließen, immerhin finden sich aber auch distanziertere Äußerungen – vgl. etwa oben das Zitat Loando 1936, S. 93 zu Hitler und dem 3. Reich. Václavek 1985 erwähnt noch die Interpretationsmöglichkeit, Loando könne es bewusst um die Verspottung Hitlers gegangen sein, wobei die erbärmliche Qualität von Reichssender II meldet:… nur eine geschickte Tarnung wäre. In Anbetracht der zahlreichen sprachlichen Fehler darf diese Interpretation als ausgeschlossen gelten; auch Václavek erwähnt sie lediglich der Vollständigkeit halber.
Kurt Loando, mit ursprünglichem Namen Leopold Pospischil, wurde in Mährisch Schönberg geboren. Über sein Leben sind nur wenige gesicherte Fakten bekannt: Aus Erinnerungen von Zeitgenossen geht hervor, dass Loando ein bekanntes Olmützer Figürchen war, Hochstapler, Schwindler, Fälscher. Am 25. August 1939 wurde er aus Olmütz ins Konzentrationslager nach Dachau deportiert. Von dort überführte man ihn am 27. September nach Buchenwald, wo er nach knapp dreijähriger Haft starb.
Schuld an seiner Verhaftung ist wohl sein einziger Roman Reichssender II meldet: ..., in dem er Adolf Hitler als Mörder darstellt. Der Roman ist jedoch kein politischer Protest gegen die Nazis, sondern er ist ein Versuch, die Gattungen Sciencefiction-, Spionage-, Liebes- und Zeitroman zu vereinen. Der Roman hat - wohl ungewollt - komisch-karikaturistische Züge, wobei Loando „wohl nicht bewusst war, dass sein naiver Unsinn eigentlich eine Karikatur ergibt“ - die ihn schließlich das Leben kostete.
Werke |
Jahr der Publikation |
---|---|
Reichssender II meldet: … | 1936 |
Forschungsliteratur
Schäfer, Stefan: Kavalleriepferde beim Ausritt: Kurt Loandos Roman „Reichssender II meldet: … Originalroman aus der Gegenwart“, 2001. In: Václavek, Ludvík E.: Severomoravský „spisovatel“ Kurt Loando [Der nordmährische „Schriftsteller“ Kurt Loando]. o.V., o.O. 1985; unter dem Pseudonym Emil Hopian in: Severní Morava č. 49 (Šumperk 1985), S. 51-54; wieder abgedruckt in: L. E. Václavek: Stati o nĕmecké literatuře vzniklé v českých zemích. o.V., o.O. o.J., S. 95-99; übersetzt in: L. Topoľská u. L. E. Václavek: Beiträge zur deutschsprachigen Literatur in Tschechien. Universitätsverlag Univerzita Palackého, Olomouc 2000, S. 200-205. |
Václavek, Ludvík E.: Severomoravský „spisovatel“ Kurt Loando [Der nordmährische „Schriftsteller“ Kurt Loando]. o.V., o.O. 1985. |