Richard Maria Werner wurde am 14. August 1854 in der Stadt Iglau geboren, als Sohn des Iglauer Gymnasiallehrer Karl Werner und seiner Gattin Rosina (der Tochter des Iglauer Apothekers Josef Benedikt Heller). Damals wohnte die Familie in der Brünnergasse, Nr. 11. Zuerst erhielt der junge Richard den Unterricht im Elternhause, dann besuchte er in seiner Heimatstadt die sogenannte Musterschule. Da es in dieser Lehranstalt keinen Naturkunde- und Geschichtsunterricht gab, wurden ihm Kenntnisse aus diesen Bereichen im Vaterhaus beigebracht. Dann besuchte er noch das Iglauer Gymnasium.
Von Anfang an mochte der junge Richard Literatur und Geschichte und genoss dabei Theaterbesuche und eine ausgedehnte Lektüre. Mit großer Begeisterung tauchte er in die Dramen Grillparzers ein, deren Originalausgaben sein Vater besaß. Neben dem Iglauer Gymnasium besuchte er noch die Gymnasien in Brünn, Znaim und zuletzt in Prag, wohin sein Vater befördert wurde. Auf dem Prager Kleinseitener Gymnasium beendete er die Vorbereitungsstudien und legte mit siebzehn Jahren die Maturitätsprüfung ab (und mit Auszeichnung). Bereits während seiner Gymnasialzeit schrieb er kleinere schriftstellerischen Arbeiten nieder und veröffenlichte ebenfalls eine unfangreiche Studie über "Treue" in Grillparzers Dramen.
Im Oktober 1872 ging Werner an die Wiener Universität, wo er u. a. Unterricht von seinem Onkels Karl Tomaschek (1828-1878) erhielt. Im Jahre 1876 promovierte er zum Doctor der Philosophie, mit der Dissertation Heinrich von Morungen, ein Beitrag zur Geschichte und Phraseologie des deutschen Minnesangs. Neben dieser Arbeit vollendete er unter Leitung seiner Lehrer noch weitere Schriften, die bald darauf im Druck erschienen. Zu dieser Zeit gewann Werner von der österreichischen Regierung ein Reisestipendium und begab sich nach Straßburg. Dort lernte er Wilhelm Scherer (1841-1886) kennen, der Werner zum Lehrer als auch zum Freund wurde.
In Straßburg vollendete Werner seine Monographie über Ludwig Philipp Hahn (1746-1814) und begann an weiteren Schriften zu arbeiten, u. a. an einem Text über Goethe. Im Jahre 1877 ging er nach Berlin, wo er die Vorträge des mittlerweile nach Berlin übersetzten Scherer besuchte. Außerdem war er voll mit den Schätzen der königlichen Bibliothek und dem Nachlass von Friedrich Nicolai (1733-1811) beschäftigt. Im Sommer 1878 habilitierte er sich als Privatdozent für deutsche Sprache und Literatur an der Grazer Universität und bereits im nachfolgenden Semester begann er seine Vorlesungen, die er dann durch zehn Semester fortsetzte. Während der Grazer Zeit unternahm er mehrere Studien- und Forschungsreisen nach Deutschland und besuchte dabei mehrmals für längere Zeit Berlin.
Im Mai 1883 wurde Werner zum außerordentlichen öffentlichen Professor für deutsche Sprache und Literatur an der k. k. Franzens-Universität in Lemberg. Noch im Wintersemester desselben Jahres eröffnete er seine Vorlesungen. Im Dezember 1886 wurde ihm auf Vorschlag der philosophischen Fakultät in Lemberg die ordentliche öffentliche Professur verliehen. Inzwischen heiratete er im Jahre 1885 Anna, die Tochter des Salzburger Gewerken Franz Guggenbichler. An der Lemberger Universität verblieb er bis zum Jahre 1910, dann trat er in den Ruhestand. Für seine Arbeit wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone der 3. Klasse ausgezeichnet.
Während der Lemberger Zeit pflegte Werner ein- oder zweimal pro Jahr nach Meran in Südtirol zu reisen, um dort Frühlingsblüte und Herbstfrucht zu genießen. Dabei sammelte er neue Kräfte für die anstrengende Arbeit in Ostgalizien. In Meran besuchte er mit seiner Gattin den Gasthof Zum Goldenen Stern und führte dort mit anderen Gästen verschiedene Gespräche über politische, literarische, künstlerische und wissenschaftliche Themen. Durch seinen Witz und breiten Kenntnisse wusste er immer die Gesprächsrunde zu fesseln und geistig zu bereichen. Da sich Werner mit der modernen Literatur befasste, führte er mit vielen zeitgenössischen Dichtern und Schriftstellern einen lebhaften Briefwechsel, u. a. mit dem bedeutenden Tiroler Dichter Adolf Pichler (1819-1900).
In die Literaturgeschichte schrieb sich Werner vor allem als Literaturhistoriker ein. Neben den bereits erwähnten Autoren wie Hahn und Goethe (er nahm u. a. an der Weimarer Gesamtausgabe von Gothes Werken teil) beschäftigte er sich mit der Basler Handschrift des Alexanderepos vom mittelalterlichen Pfaffen Lamprecht (daran arbeitete er bereits in Graz), oder mit der Herausgabe von Werken Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) und Gottfried August Bürgers (1747-1794). Er war einer der ersten, der sich mit dem Schöpfer der Wiener Hanswurstkomödie Joseph Anton Stranitzky (1676-1726) wissenschaftlich beschäftigte. Außerdem machte er als einer der ersten auf die politischen Zwecke der Vaterunserparodie aufmerksam. In den 1890ern breitete sich seine wissenschaftlichen Schriften mehr und mehr aus. Neben den Büchern allgemeinen Inhalts wie Lyrik und Lyriker (1890), Vollendete und Ringende (1900), oder G. E. Lessing (1903) verfasste er ebenfalls Lehrbücher, darunter deutsche Lesebücher für die galizischen Mittelschulen (in Zusammenarbeit mit C. Petelenz).
Ein weiterer Autor, mit dem sich Werner intensiv beschäftigte und kritisch auseinandersetzte, war Christian Friedrich Hebbel (1813-1863). Im Jahre 1900 gab er Chronologisches Verzeichnis von Hebbels Briefen und Hebbels Briefe (zusammen mit Fritz Lemmermayer) heraus und innerhalb von nächsten drei Jahren (1900-1903) erschien seine historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Hebbels. 1903 veröffentlichte er noch Hebbels Tagebücher. In den Jahren 1903-1905 gab er mit Einleitungen und Anmerkungen fünf Hebbels Dramen heraus, unter dem Titel Meisterwerke der deutschen Bühne. Er setzte noch das weitere Sammeln von Hebbels Briefen fort und im Jahre 1907 gründete er die Buchreihe Hebbel-Forschungen. Daneben publizierte er zahlreiche Aufsätze über Hebbel, z. B. Hebbel und der Schillerpreis (1903) in der Zeitschrift Bühne und Welt.
Wie bereits erwähnt, ging Werner 1910 mit 56 Jahren in die Rente, denn er fühlte, den Anforderungen des Lehramts gesundheitlich nicht mehr gewachsen zu sein. Er entschied sich, nach Wien zu übersiedeln, wo er sich in Hietzing ein Haus baute. Inzwischen publizierte er zahlreiche Beiträge in der Neuen Freien Presse, der Zeit und anderen Blättern. Diese Wiener Lebensphase war leider nur von kurzer Dauer: Am 31. Januar 1913 stirbt Werner mit der Feder in seiner Hand am Schreibtisch, infolge einen Lungenödems. Er war 59 Jahre alt. Das Begräbnis erfolgte am 3. Februar in der Pfarrkirche zum heiligen Veit auf dem Ober Sankt Veiter Friedhof in Wien und kamen viele bekannte Persönlichkeiten, um sich mit Werner verabschieden zu können, darunter Marie von Ebner-Eschenbach, Anton Bettelheim, oder Hans von Molo. Durch seinen Tod verlor die Literaturgeschichtsforschung eine hervorragende Forschungskraft.
(Aufgrund der Sekundärliteratur bearbeitet von Radek Flekal)