Als Sohn eines kleinbürgerlichen, deutsch-jüdischen, frommen Kaufmanns, dessen Firma stets von Zahlungsunfähigkeit bedroht war, verlor Louis Fürnberg kurz nach der Geburt seine Mutter und wuchs seit 1911 in Karlsbad auf, wo der Vater im Vorort Fischern die Leitung einer Fabrik übernahm und ein zweites Mal heiratete. Hier besuchte Fürnberg von 1920 bis 1926 das Gymnasium, versuchte vergebens Tschechisch zu lernen, spielte - Zeichen des sozialen Aufstiegs - Klavier, gehörte einem Zirkel deutschnationaler Autoren an, trat der sozialistischen Jugend bei, verließ das Gymnasium ohne Abschluss, nahm eine Lehre in einer Papierfabrik auf, die er wegen eines Lungenleidens, das ihn sein Leben lang quälte, aufgeben musste, und fand Arbeit in einer Fabrik für Adressiermaschinen. In diesen Jahren entwickelten sich Kontakte zu F. Werfel und K. Kraus und in dieser Zeit schrieb er erste Gedichte, die noch stark in der expressionistischen Tradition stehen, jedoch bereits einen eigenen Ton erkennen lassen:
Mein früher Tod geht neben mir / mein brüderlicher Schatten / und lach ich, lacht er neben mir / und wein ich, lacht er neben mir / mein früher Tod geht neben mir / mein brüderlicher Schatten.
Der junge Fürnberg bewunderte R. M. Rilke, den er 1926 in Muzot besuchte. In der Sammlung Bruder Namenlos (1947) gestaltete er Jahre später die Wirkung Rilkes auf seine Dichtung: „Nur wer so wie wir ihn durchjubelt und durchlitten, / weiß, was das heißt: aus seinem Hause gehen.“ Die Zuwendung wandelt sich später in Distanz, ja Ablehnung, doch blieb die Faszination von Rilkes Dichtung bis in die letzten Lebensjahre Fürnbergs. Dichtete Rilke „Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren / Und auf den Fluren lass die Winde los“, so setzte Fürnberg dagegen „Die Schatten schwanden von den Sonnenuhren, / Und wo der Träumer hinsah war es Licht“.
Früh schrieb Fürnberg erste Agitpropsongs, balladeske Gedichte, Bekenntnislyrik. 1927 trat er erstmals mit Liedern von Wedekind und Villon in Fischern auf und publizierte seine ersten Gedichtsammlungen Auf lose Blätter geschrieben (1927) und Singesang (1928). In Prag versuchte er in den nächsten Jahren auf einer Handelsschule einen Schulabschluss zu erwerben, besuchte die Vorstellungen der Bänkelsänger Voskovec und Werich, übersetzte Rudolf Fuchs, begeisterte sich für die Melodik tschechischer Lyrik und trat der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei bei, deren Stalinismus er ablehnend akzeptierte, obgleich so bedeutende Autoren wie Václav Vančura und Jaroslav Seiffert die Partei verließen. In der Partei fand Fürnberg seine geistige Heimat; er studierte die Ursachen der sozialen Frage, las Marx und Engels, brach wiederum seine Ausbildung ab, besuchte ohne Hochschulreife Vorlesungen an der deutschen Karlsuniversität (Germanistik, Philosophie) und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch Werbetexte und Beiträge für sozialistische Zeitschriften (Internationale Literatur; Der Gegen-Angriff u.a.).
1929 ging Fürnberg nach Berlin zum Ullstein-Verlag, spielte als Pianist in Nachtlokalen und kehrte, als sein Lungenleiden lebensbedrohende Ausmaße annahm, in die Heimat zurück. In Prag schrieb er gemeinsam mit politisch und gesellschaftlich engagierten Autoren wie E. E. Kisch politische Songs, gründete im Mai 1932 mit fünf arbeitslosen Freunden die Sing- und Spielgruppe Echo von links nach sowjetischem Vorbild, deren Leitung er 1936 abgab, als er die Spielgruppe Das neue Leben von Kuba (Kurt Walter Barthe,l 1914 - 1967) übernahm und bis 1937 betreute. In diesen Jahren veröffentlichte er unter dem Pseudonym Nuntius die Sammlung Lieder, Songs und Moritaten (1936). Bereits 1933 war er als Mitarbeiter der Zeitschriften Rote Fahne und Arbeiter-Illustrierten-Zeitung zum Weltfriedenskongress nach Paris und zur „Internationalen Olympiade revolutionärer Arbeitertheater nach Moskau gereist; danach trat er häufig als Rezitator von Texten Brechts, Weinerts und Tucholskys auf und hatte mit dem Song Der Radio Papst den ersten internationalen Erfolg:
In seiner weißen Tunika / spricht er ins goldne Mikrophon, / des lieben Gottes Enkelsohn, / Seine Heiligkeit / Seine Heiligkeit / Seine Heiligkeit / der Papst....-- / -- ...Und es freuen sich in allen Zonen / seiner Botschaft die, / die die Erde bewohnen, / besonders die dreißig Millionen / Arbeitslosen. / Nun wissen sie: / der Hunger vergeht, / spricht man ein kleines Stoßgebet: / Du lieber Gott, / end unser Not / mit einem seligen Hungertod, / laß uns in deinen / Himmel ein. / Wir werden auch damit / zufrieden sein.-- /-- Achtung: / statt Arbeit und Brot ein Gebet? / Merkste was, Prolet?
1935 trat Fürnberg bei 83 Veranstalungen mit bis zu 70.000 Zuschauern auf, forderte eine Volksfront gegen die sudetendeutsche Henlein-Partei, und musste, da sein Lungenleiden sich verschlimmerte, 1936 mit Unterstützung der Partei in Lugano ein Sanatorium aufsuchen. 1937 heiratete er in Prag Lotte Wertheimer und errang mit Ein Mensch ist zu verkaufen einen beachtlichen Theatererfolg. In Reichenberg folgten im Juni des gleichen Jahres 20.000 Zuschauer einer Aufführung der Festliche(n) Kantate, die sich gegen den NS-Faschismus wandte.
Als die ČSR im März 1939 von Hitlers Truppen besetzt und unter die NS-Herrschaft als Protektorat gestellt wurde, wechselte Fürnberg fliehend die Wohnungen, geriet, als er die Abreise nach Polen verfehlte, in Gefangenschaft, wurde durch 13 deutsche Gefängnisse gezerrt und halbtot und halbtaub geschlagen; zuletzt musste er sein eigenes Grab schaufeln und wurde zum Schein und Scherz der SS hingerichtet - die Gewehre des Exekutionskommandos waren nicht geladen. Im August 1939 erreichte seine Frau, die nach London abgeschoben worden war, seine Befreiung. Eine fingierte Schiffspassage, die sie besorgt hatte, sollte Fürnberg die Flucht nach Shanghai ermöglichen, doch die Flucht führte ihn über Italien, Slowenien (hier lebte er 14 Monate bis 1941), Griechenland, mit dem letzten Orientexpress in die Türkei und mit einem britischen Truppentransportschiff nach Palästina, wo er in Jerusalem bis 1946 lebte, den Jerusalem-Book-Club gründete (hier las Arnold Zweig) und enge, freundschaftliche Beziehungen zu Wolf Ehrlich entwickelte, der seit 1936 als Mitglied des Politbüros der israelitischen KP der zentralen Kontrollkommission vorstand. Doch die Liebe Fürnbergs galt seiner Heimat, die er hatte verlassen müssen:
Wirst mein Herz du je begreifen, / wo das Blut in Strömen rinnt, / daß daheim jetzt Äpfel reifen, / Wälder bunt in Farben sind? -- / -- Daß aus grauen Sandsteinbecken / schlank sich die Fontäne hebt? / Daß auf Heiderosenhecken / letzter Sommerfaden webt. -- / -- Daß im Gräberfeld des Ghettos / jetzt die Herbstzeitlosen blühn / und im Kreuzgang Sankt Lorettos / die barocken Engel knien?...
Die Jahre in Palästina, in einer Einzimmerwohnung und von der Heimat getrennt, wurden zu einer Zeit intensiven Schaffens: 1939 war bereits das Exil-Buch Das Fest des Lebens, ein Text der Krankheit, Einsamkeit und Erlösungsbedürftigkeit, erschienen; 1941 folgte das politische Puppenspiel Der Frosch-Mäuse-Krieg mit einem Vorwort von A. Zweig; in London publizierte er 1943 die Sammlung Hölle, Hass und Liebe; in Palästina schrieb er den Hymnus Die spanische Hochzeit, die autobiografische Lyrik Der Bruder Namenlos und die Mozart-Novelle als Dokument seines Heimwehs, das auch in Gedichten Ausdruck fand:
Heimat Dank! Du weißt um unser Weh! / Du willst uns nicht aus deinen Armen lassen. / Wie bin ich heute glücklich aufgewacht. / Ich träumte in der Nacht vom Schnee / und morgens lag er weiß in allen Gassen. / Die Zedern, die vor meinen Fenstern stehn, / sie neigten sich von seiner Last beschwert. / O Heimattraum, den eine Nacht erhört!
Bei aller Bedrängnis und Not waren die Jahre in Jerusalem für Fürnberg eine glückliche Zeit. Else Lasker-Schüler, die im Book-Club aus ihren Werken las, charakterisierte Fürnberg in dieser Zeit:
Bitterkeit? Ich habe bei Louis keine Bitterkeit gespürt. Bei allem Zurückträumen hatte er eine positive Haltung zum Lande. Daß er hier nicht bleiben wollte, das war keine Abneigung gegen Israel. Er brauchte dieses Böhmen. Bitterkeit - nein, das ist nicht die ganze Wahrheit. Louis glaubte an die wichtige Aufgabe der integren Deutschen des Landes. Er hat sich vorgestellt, daß die Henlein-Leute nach dem Kriege aus der Tschechoslowakei ausgewiesen würden. Aber er hat sich nicht vorstellen können, daß mehr Menschen gehen müßten als die Schuldigen. Er dachte an eine wesentliche Rolle in der deutschen Minderheit seines Landes. (Serke a. a. O., S. 434)
1946 wurde Fürnberg als Kommunist von den Briten im Lager El Shatt in der Wüste Sinai interniert und kehrte dann nach Prag zurück, wo er zunächst Pressekorrespondent der KP-Zeitungen Schwedens, Hollands, Dänemarks, Norwegens, Österreichs und Palästinas und Kommentator in deutschsprachigen Sendungen des Prager Rundfunks war. Da er als deutschsprachiger Autor nicht in den tschechischen PEN-Club aufgenommen werden konnte, trat er in den PEN-Club in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands ein. Die Leiden der vertriebenen deutschen Bevölkerung aus den böhmischen Ländern bewegten Fürnberg tief; mit dem Song ...Die Partei, die Partei, die hat immer recht... suchte er sein Gewissen zu beruhigen - und als 1948 die Kommunisten in der Tschechoslowakei (nunmehr ČSSR = Tschechoslowakische Sozialistische Republik) die Macht an sich putschten, wurde er in das Ministerium für Information berufen, in dem sein Freund Oskar Kosta als Pressechef für die Abteilung West arbeitete und den er im Slánsky-Prozess beschuldigte und denunzierte, als dieser wegen „zionistischer Verschwörung“ angeklagt und unschuldig verurteilt wurde. Fürnberg litt unter den pervertierten kommunistischen Idealen: „Der Regen fällt, die Zeit wird immer trüber, / ein Licht erlöscht, dann löscht ein zweites aus, / man treibt uns wieder in die Nacht hinaus, / --ach, wär es schon vorüber...“
Von 1949 bis 1953 arbeitete Fürnberg als Botschaftsrat der ČSSR in Ostberlin, dann 1953 im Schulministerium als Leiter der kulturellen Betreuung von Minderheiten, vereinsamte zunehmend, litt unter den Diffamierungen der tschechischen Kommunisten und „emigrierte“ erneut - diesmal in die DDR, wo er zum stellvertretenden Direktor der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätte der klassischen deutschen Literatur in Weimar bestellt wurde; 1955 wurde er als ordentliches Mitglied der Akademie der Künste in der DDR berufen, 1955 ernannte ihn die Deutsche Schillerstiftung zu ihrem Generalsekretär und 1956 wurde er in den Vorstand des Deutschen Schriftstellerverbandes gewählt. In diesen, seinen letzten Lebensjahren, begründete er (mit H. G. Thalheim) die Weimarer Beiträge. Zeitschrift für deutsche Literaturgeschichte, veröffentlichte Übersetzungen tschechischer Lyrik und den Gedichtband Das wunderbare Gesetz (1956), für den er den Nationalpreis erhielt. Er blieb Mitglied der KP, obwohl er in tiefem Konflikt zu deren Realität und Anspruch stand - sein Herz ertrug die Spannungen nicht. Am 23. Juni 1957 ist Louis Fürnberg in Weimar gestorben.
Fürnbergs Gedichte und Songs sind Zeugnisse der Einsamkeit, obwohl er immer im Kreis der Gleichgesinnten und/oder in einer großen Öffentlichkeit auftrat. Bereits als Jugendlicher fehlte ihm der freundschaftliche Kontakt zu Gleichaltrigen. Seine Sensibilität, seine individuelle Sonderheit aber auch seine labile Gesundheit förderten den Rückzug. Früh wurde sein Schaffen durch die Verehrung Rilkes, durch die sozialistische Jugend, durch die literarischen Werke von Villon, Wedekind, Brecht, Weinert, Tucholsky und Majakowski und durch Zeitereignisse wie die Erschießung von Demonstranten bei einem Hungerstreik in Dux 1930, an die er im Ton von Heines Die schlesischen Weber in dem Duxer Lied als Politsong erinnerte, geprägt. Politischer Kampf und Agitation fanden Ausdruck in seinen Songs für die Spielgruppe Echo von links, deren Auftritte er stets als politische Auseinandersetzung verstand („Unser Spiel, es soll kein Spielen, / unser Spiel soll Kämpfen sein“). Daneben bewahrte sich Fürnberg einen naiven, unmittelbaren Zugang zu den Menschen und zur Natur, der sich in der Nachahmung literarischer Vorbilder ebenso zeigte wie in Liedern nach böhmischen Volksweisen.
Nach 1930 erweiterte Fürnberg seine Lieder und Songs; für die Spielgruppen schrieb er szenische Kantaten, Songs, Couplets, doch auch Lieder (1937: Du hast ja ein Ziel vor den Augen...), die rasch über die sozialistische Jugend und über die Spielgruppen hinaus weite Verbreitung sogar bis in konservative Liederbücher fanden. Daneben schrieb er sehr persönliche Prosa (Das Fest des Lebens; entstanden 1937), in der er reflektierend seine politische Position begründete. Sicher zeigt Fürnbergs Dichtung Gelegenheitscharakter, sicher weist sie Bezüge zur zeitgenössischen Sprech- und Sanglyrik auf, die auch bei der bündischen Jugend beliebt und verbreitet war, doch unterscheiden sich seine Texte durch eine sehr differenziert persönliche Sprache, durch existenzielles - nahezu existenzialistisches - Grunderleben, durch den steten Versuch einer sinnhaften Lebensdeutung und durch Anlehnung an romantische Natur- und Gefühlserfahrungen von den gängigen Texten des Genres. Dazu prägte ein persönlicher Ton seine politische Lyrik, in der er immer auf der Seite der Schwachen, der Verfolgten, der Gepeinigten stand.
Die Lieder, Songs und Szenen und die Prosa, die während der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entstanden oder angeregt wurden, fanden nach dem Zweiten Weltkrieg Beachtung in der Öffentlichkeit (Der Bruder Namenlos; Die spanische Hochzeit; Wanderer in den Morgen) und verloren gleichzeitig an Wirksamkeit, da die Texte für eine Zukunftsutopie, einen humanen Sozialismus und eine neue Gesellschaft einstanden, im realen Sozialismus der DDR jedoch funktionslos blieben. In der sozialistischen Diktatur der DDR erstickten die Forderungen nach personaler Welterfahrung und einer Zukunft in einer freien Welt. Der Rückzug in traditionelle Formen wurde konsequent. An die Erzähltraditionen des bürgerlich-poetischen Realismus knüpften die Mozart-Novelle (1947) und Die Begegnung in Weimar (1952) an; autobiografisch-individuelle, nicht gesellschaftsrelevant-kollektive Züge zeigt die Krankengeschichte (nach 1955); Verbindungen zur lyrischen Volksliedtradition sind Anlass für die Übersetzungen Aus Böhmens Hain und Flur (1954). Immer stärker trat die Bindung an die literarischen Traditionen ins Zentrum des Oevres von Louis Fürnberg: Er publizierte ein Kleines Handbuch für Volkstanzgruppen (1954), Weimarer Beiträge (1955/56) als stellvertretender Direktor der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur und die Bibliothek deutscher Klassiker (1956 f.).
Die zündende Kraft seiner Agitpropdichtung erlosch, seine politische Brisanz schwand; epigonenhafte Züge prägen die Texte der letzten Jahre. Den Wirkungslosen feierte der totalitäre DDR-Staat: Fürnberg erhielt den Nationalpreis und wurde Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Selbst hat er diese Entwicklung kaum erfasst; seine naive Treue zur Partei hat ihn davor bewahrt, die historische Position seiner Dichtung zu reflektieren. Er glaubte an die zeitlose Kraft der politischen Lyrik und vertrat ein ungebrochenes Menschenbild, das er im Geiste des Sozialismus zu bewahren suchte: „Aber erst künftige Generationen werden es zu schätzen wissen, dass wir den morbiden, von Verfall und Krankheit affektierten Helden gegenüber mistrauisch wurden, dass wir der Zerstörung keinerlei Reiz mehr abgewinnen können“ (Ges. Werke IV, 1969). Im Tagebuch notierte er bei der Rückkehr aus der Emigration: „Ich halte das Dichten von verzweifelten Stimmungen für unmenschlich und antihuman.“
Die politische Vereinsamung zeigte sich auch in äußeren Ereignissen - 1949 wurde er als Deutscher nicht zum Parteitag der tschechoslowakischen KP eingeladen, obwohl er im diplomatischen Dienst des von der Partei beherrschten Staates stand. Die DDR-Jugend sang seine Lieder, er selbst huldigte bis zur Selbstverleumdung der Partei und konnte dennoch nicht verhindern, dass er vergessen wurde. Resignativ sind die späten Texte (So ging er aus der Zeit in die Zeit; Wenn einem das Herz weh tut; Wenn ich einmal heimgeh), die zeigen, dass Fürnbergs Sozialismus auf kleinbürgerlichem Empfinden ruht, einem Kleinbürgertum, das Zeitklage und Resignation kennt, und dem die produktive Ästhetik, die Auflösung des einheitlichen Weltbildes und die Relativierung des Individuums fremd blieben und fremd sind. Fürnberg wollte die Massen bewegen und zum Sozialismus führen, doch blieb er - auch wenn 1938 ungefähr 20.000 Menschen begeistert die Festliche Kantate als Massenerlebnis feierten - bürgerlicher Individualist. Der Preis hierfür war - trotz später Anerkennung durch den sozialistischen Staat - die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung.
Gegenwärtig ist das Werk Fürnbergs nahezu vergessen, wirkungslos - sieht man von einzelnen, meist akademischen Versuchen ab, eine neue Rezeption vorzubereiten. Die gängigen Literaturlexika - soweit sie für Nichtspezialisten als Benutzer publiziert sind - nennen wohl Fürnberg und sein Werk, doch fehlen hier selbstverständlich vertiefte und vertiefende Aussagen (z.B.: Wilpert, Brauneck, Killy, Krywalski alle a. a. O.). Wohl nimmt Fürnberg im Lexikon sozialistischer Literatur einen angemessenen Raum ein und wird hier objektiv und umfassend gewürdigt, doch bleibt dieses Nachschlagewerk auf Wissenschaftler und sozialistische Literaturfreunde beschränkt, ohne in der bürgerlichen Literaturöffentlichkeit bekannt zu sein. In Metzlers Autorenlexikon, im Neuen Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur seit 1945 (1990) fehlt Fürnberg wie in dem großen Sammelband Deutsche Dichter des Reclamverlages (1993) und in Hartmut Steineckes Deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts (1994). Auch Kindlers neues Literaturlexikon (1988) verzeichnet Fürnbergs Werke nicht. In den gängigen Handbüchern und Literaturgeschichten zeigt sich das gleiche Bild: Weder im Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte (1988) noch in Stammlers Aufriss der deutschen Philologie (1969) noch in der dem Sozialismus nahestehenden Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, die V. Zmegac 1984 herausgegeben hat, wird Fürnberg erwähnt. In Wilfried Barners Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart (1994), dem gegenwärtigen Standardwerk, wird Fürnberg als Autor in 11 Zeilen vorgestellt und zusätzlich zweimal genannt. Eine umfassendere Würdigung erfährt er nur bei Wolfgang Emmerichs Kleine Literaturgeschichte der DDR (1996).
So ist es nicht verwunderlich, dass die Literaturgeschichten der Schulen - sie sind die wichtigsten Medien für die Tradierung eines Autors und seines Werkes - über Fürnberg ebenso schweigen wie populäre Darstellungen, etwa die Geschichte der deutschen Literatur, die 1989 von L. v. Saalfeld, D. Kreidt und F. Rolle herausgegeben wurde, oder die Deutsche Literaturgeschichte von Fritz Martini, die seit ihrem Erscheinen in den fünfziger Jahren zu einem Hausbuch des gebildeten Bürgertums wurde. Auf dem Buchmarkt ist heute (2002) nur die Mozart-Novelle von Fürnberg lieferbar; in den Antiquariaten gelten Texte und Ausgaben Fürnbergs als Rarität. Unter diesen Voraussetzungen scheint es gegenwärtig nicht wahrscheinlich, dass es zu einer neuen Rezeption der Werke Louis Fürnbergs in absehbarer Zeit kommen könnte. So teilt er das literarische Schicksal der Autoren, die in ihrer Zeit weitgehend aus politisch-gesellschaftlichen Gründen bekannt waren und die die künftigen Generationen vergaßen.
Dieter Krywalski