Der Brünner Autor, Redakteur, Regisseur, Dramaturg und Herausgeber gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den profilierten Persönlichkeiten des Kulturlebens seiner Heimatstadt und war ein charakteristischer Vertreter der intellektuellen, auf deutsch-tschechischen Ausgleich bedachten deutschmährischen Minderheit.
Guido Glück stammte aus einer deutschmährischen Familie: Der Vater war bäuerlich-deutscher Herkunft aus der Umgebung von Znaim, arbeitete bis 1885 als Gutsverwalter in Italien, wo auch Guido Glück geboren wurde. Die Mutter, eine geborene Roháček aus Grillowitz, einer heute zu Brünn gehörenden Gemeinde, war tschechischer Herkunft. 1885 kehrte die Familie nach Brünn zurück, wo Guido Glück die Volksschule und das Deutsche Gymnasium (das Gebäude ist heute die Leoš-Janáček-Akademie für Musik) besuchte; nach der Matura studierte er Germanistik und klassische Philologie. Bereits als Student publizierte Glück in der Brünner Zeitschrift Deutsche Feierstunden, die als Beilage zum Deutschen Blatt erschien, literaturhistorische Essays, Kritiken und gemütvoll zeittypische Gedichte, die heute vergessen sind und als charakteristische Zeugnisse des geistig-kulturellen Klimas der bürgerlichen Welt der Jahrhundertwende gelten können. (In den Literaturangaben zu diesem Lexikonbeitrag werden einige beispielhafte Texte nachgewiesen; der vollständige Umfang der poetischen Produktion Glücks ist noch nicht erfasst).
Nach Abschluss des Studiums lehrte Glück 1904 bis 1910 am Kaiserin-Elisabeth-Kommunalgymnasium in Lundenburg, dann von 1910 bis zu seiner vorzeitigen gesundheitsbedingten Pensionierung 1925 am Ersten Deutschen Gymnasium in Brünn. In den folgenden Jahren bis zum Ende der ersten Republik 1939 prägte er das Kulturleben der mährischen Landeshauptstadt in nachhaltiger Weise.
1912 erschien Guido Glücks erster Roman Der goldene Boden, der wie auch seine anderen literarischen Arbeiten vornehmlich lokale Thematiken behandelte. Zdeněk Mareček hat diesen Roman 1998 analysiert und dabei die „nationalen Stereotypen“ hervorgehoben, die charakteristisch für den sogenannten Volkstumskampf des ausgehenden 19. und des frühen 20. Jahrhunderts waren. Tschechen und Deutsche betonten in den literarischen Werken dieses Genre ihre Gegensätze und betonten undifferenziert die besonderen Qualitäten ihrer Nationalität. Auch Guido Glück vermochte sich in den frühen Jahren nicht von der allgemeinen Stimmung zu lösen. So wertete er etwa (vgl. Mareček S. 61) den „Gerechtigkeitssinn und unser Pflichtgefühl ... [als] die ausgezeichneten Tugenden der Deutschen“. In Der goldene Boden erscheinen Deutsche und Tschechen als Konkurrenten, zwischen denen Beziehungen unerwünscht sind. Für die Tschechen ist jedoch der Aufstieg ins deutsche Bürgertum das erstrebenswerte Lebensziel; so versucht der meinungslos devote, tschechische Schneider Polifka über den Wechsel der Nationalität bürgerliche Reputation zu gewinnen. Am Stammtisch lässt er sich als böhmisches Luder titulieren, schickt dennoch seinen Sohn auf das deutsche Gymnasium, beschäftigt österreichische Arbeiter und hält sich an die deutschen Parteien. Guido Glück wandte sich mit diesem Roman an deutsche Leser, deren Stereotypen und Vorurteile er affirmierte. Die tschechische Bevölkerung bildet in dem Roman eine anspruchslose Masse, zu der von der deutschen Bevölkerung her keine kommunikativen Beziehungen bestehen. Die Charakteristik, die Robert Musil über das deutsch-tschechische Zusammenleben in Brünn formuliert hat, trifft für die Realitätssicht in Glücks Roman uneingeschränkt zu:
[...] und ich erinnere mich, daß in seiner Weise der Eindruck nicht unbedeutend war, den ich dadurch empfing, daß ich aus der alpischen Natur kam, die Landschaft und Menschen in Steyr eigentümlich waren, und mich sowohl in der sanften und etwas melancholischen Landschaft Mährens fand wie zwischen Menschen, die mir beinahe noch fremder vorkamen, wenn sie Sudetendeutsche waren, mit denen ich sprach, als zu den Tschechen gehörten, neben denen wir ohne Berührung herlebten. (zit. nach Kaiser, Ernst / Wilkins, Eithne: Robert Musil. Einführung in sein Werk. Stuttgart 1962, S. 48)
Ins Tschechische wurde der Roman Der goldene Boden nicht übersetzt.
Während die frühen Veröffentlichungen Glücks deutlich national-völkischen Gedanken verpflichtet sind und formal stark epigonale Züge tragen, betont er in den späteren Romanen und Erzählungen die gemeinsame tschechisch-deutsche gesellschaftliche und historische Verantwortung und die sozialen Probleme Südmährens; als einer der ersten Autoren außerhalb Wiens setzt er sich auch mit der Triebpsychologie Sigmund Freuds auseinander. Letztmalig 1920 findet sich eine Huldigung Glücks an einen nationalvölkischen Autor (Robert Hohlbaum in Volksfreund 19. u. 26. 2.1920).
Einen entscheidenden und prägenden Einschnitt erfuhr Guido Glücks Leben 1918 durch die Gründung der „Deutsche(n) Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst in Brünn“; diese war eine beispielhafte Institution für die zahlreichen deutschen Kulturvereine in Mähren. Vorsitzender der Gesellschaft war bis zu seinem Tode 1937 der (jüdische) Universitätshistoriker Professor Dr. Bertold Bretholz, dann bis zur Auflösung der Gesellschaft 1939 der Architekturprofessor an der Deutschen Technischen Hochschule Dr. Ing. Karl F. Kuhn. Im Auftrag der Gesellschaft gab Guido Glück bis 1937 als monatliche Beilage im Brünner Tagesboten die Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst - Deutsch-mährische Blätter heraus (nach 1937 wurden die Deutsch-mährischen Blätter von Hugo Iltis als Nachfolger Guido Glücks betreut, hießen nun Leistung und Fortschritt, erschienen bis 1939 nicht mehr monatlich sondern in loser Folge und zeigten eine neue Schwerpunktbildung und eine neue Gliederung). Die Deutsch-mährischen Blätter verfolgten den Zweck der Gesellschaft, „deutsche Wissenschaft und deutsche Kunst in Mähren und Schlesien“ zu fördern. Die Pointierung des „Deutschen“ ist ein charakteristisches zeithistorisches Attribut; tschechische Organisationen betonten das „Tschechische“ und jüdisch-deutsche bzw. jüdisch-tschechische ihre deutsche bzw. tschechische jüdische Tradition. Die Hervorhebung der Nation war üblich und wurde nur wahrgenommen, wenn sie fehlte. Knapp über 20 Jahre gab Guido Glück den Blättern eine charakteristische Gestaltung: Neben ansprechende, vielseitige und vorwiegend historische Fortsetzungs-Referate vor allem aus der Feder Guido Glücks (z. B. Zur Lage des deutschen Schrifttums in der Tschechoslowakei; Die Diplomatik eines Deutschmährers; Die älteste Brünner Wochenschrift; Theater in den böhmischen Bädern; Abbildungen Böhmischer und Mährischer Gelehrten und Künstler; Die Anfänge der Brünner Theaterkritik; Zusammenfassung der sudetendeutschen geistigen Arbeit; Beiträge zu einer deutschmährischen Musikgeschichte) traten von Glück geförderte, dilettantisch und ungewollt komische Gedichte über Brünn, die Präsentation deutscher und tschechischer Autoren und Vereine (1931 „Deutscher Verein zur Geschichte Mährens“; 1932 „Jüdische Musterschule in Meseritsch“). Diese Aufsätze von Guido Glück sind heute wichtige Zeugnisse deutschmährischer Kultur in den Jahren der ersten Republik; sie sind noch nicht wissenschaftlich erschlossen und versprechen bei systematischer Analyse wichtige Einsichten in das geistige und künstlerische Leben in Mähren und vornehmlich in Brünn. Dass in den Blättern auch nationale Gegensätze ihren Niederschlag fanden, ist selbstverständlich. Es wäre anachronistisch, könnte man diese in Mähren nicht beobachten - doch bei allen „Auseinandersetzungen“ überwiegen anerkennende Toleranz, der Versuch des Ausgleichs und die Loyalität zum Staat. Zahlreiche Beiträge zeigen, dass die Zuwendung zum Tschechoslowakischen Staat ehrlich gemeint war; man hätte andernfalls die Zustimmung ja nicht gerade publizieren müssen. Als Beispiel kann der Festspruch von Guido Glück zum 15. Geburtstag der Republik (publiziert am 27. 11. 1934) gelten, der bei aller literaturästhetischen Problematik mehr ist als nur eine Anerkennung des „ungeliebten Staates“:
Das schöne reiche Land, das uns umschließt,
Ist uns nicht Wohnort nur zu flücht'ger Weile,
Es ist uns Heimat - und wir lieben sie!
...
Verschieden sind der Völker Art und Sitte
Und weise Staatskunst wird sie nicht verwischen.
Nein! Jedes Volkes beste Fähigkeiten
Frei zu entwickeln und zur Tat zu einen
Im Dienst des Staates, dem alle zugehören,
Dies ist ein Ziel, dem freudig zuzustreben
Uns Heimatliebe treibt aufricht'gen Herzens!
Aufricht'gen Herzens und aufrechten Sinnes!!
Denn wertlos ist, was nur die Lippen nennen,
Die Worte, die nicht binden, die nur trennen!
Die Tat entscheidet. Und die Tat zu leisten
Ist unser deutsches Sich-zum-Staat-bekennen!
(Zum Vorausgehenden vgl.: Diether Krywalski a.a.O. 2001).
Neben seiner Tätigkeit für die Deutsch-mährischen Blätter trat Guido Glück auch als Herausgeber, Dramaturg, Regisseur und freier Autor hervor. So gab er 1918 bis 1920 die Brünner Theaterzeitschrift Die Rampe heraus, exponierte sich im „Verein zur Förderung deutscher Theater- und Musikpflege“ und edierte 1922 den ersten Teil des Lesebuch(s) für deutsche Mittelschulen mit deutscher Unterrichtssprache, das in der Verlagsbuchhandlung Winker in Brünn erschien und mit übersetzten Texten von Karel Jaromír Erben, Božena Němcová, Jan Herben und Růžena Svobodová auch tschechische Dichter in den deutschen Literaturunterricht einführte.
Einen breiten Raum in Glücks Schaffen - mit den eigenen Theaterstücken Spielzeug (1914), Ein Goethe-Brief (o. J.) hatte er keinen Erfolg und auch seine Libretti für Opern blieben weithin unbeachtet - nahm die Arbeit für das Theater ein. 1923 bis 1933, anfänglich noch neben seiner Lehrtätigkeit am Gymnasium, arbeitete er als Dramaturg und Regisseur an den „Vereinigten Deutschen Theatern in Brünn“, wo er u. a. für deutsche und tschechische Schüler zweisprachige Aufführungen als Novum organisierte und sich engagiert in der „Deutschen Theaterbaugemeinde“ für eine Verbesserung der deutschen Bühnensituation in Brünn einsetzte. Als Dramaturg brachte er - gegen den Willen nationalvölkischer Kreise - auch Übersetzungen tschechischer Bühnenstücke zur Aufführung (z. B. František Langer Perfidie, 1926; Karl Čapek Loupežník, 1927). Nach 1933 zog sich Guido Glück aus gesundheitlichen Gründen vom Theater zurück; seine sozialdemokratische Grundhaltung wurde von den nationalen Gruppen nicht akzeptiert, zumal Glück auch liberale Auffassungen vertrat, wie sie unter Hans Demetz, der als Intendant 1932 nach Wien gegangen war, selbstverständlich gewesen waren (vgl. Deutsche Zeitschrift Bohemia v. 24. 4. 1935).
Bis 1937 stand Guido Glück in der Brünner Öffentlichkeit, hielt neben seiner Tätigkeit für die Blätter Vorträge über literatur- und kulturhistorische Themen, blieb auch als sich das nationalsozialistische Regime androhte und durchsetzte Sozialdemokrat, half in der Protektoratszeit Emigranten und rettete zahlreiche jüdische Kinder, indem er „Vaterschaften“ übernahm. 1945 wurde Guido Glück nicht vertrieben - er blieb als Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes in Brünn und fristete ein kärgliches, von Krankheit gezeichnetes Leben mit Nachhilfestunden und dem Verkauf von Wertgegenständen, die in der Familie verblieben waren. Mit Freunden traf er sich - wie in der NS-Zeit - nur noch öffentlich, um der staatlichen Überwachung zu entgehen. Sein Tod 1954 wurde in seiner Heimatstadt nicht beachtet.
Das Brünner Kulturleben hat Guido Glück bis 1937 geprägt und gestaltet; seine Prosaschriften, Gedichte und Bühnenwerke sind heute ebenso vergessen wie die von ihm besorgte Ausgabe der Schriften von Moritz Gottlieb Saphir (1902).
(Diether Krywalski, Geretsried)