Paul Strzemcha, bekannt auch unter dem Pseudonym Paul Kirsch, wurde am 9. September 1844 zu Groß Seelowitz (südlich von Brünn) als Sohn von Johann und Anna Strzemcha geboren. Er besuchte das Piaristen-Gymnasium in Nikolsburg und studierte später Philologie, Geschichte und deutsche Literatur an der Wiener Universität (Richtung: Mittelschullehramt). Im Jahre 1868 wurde er als Gymnasiallehrer in Teschen angestellt, 1871 kam er als Professor an die damalige Kommunalschule (später Landesoberrealschule) in Brünn und im Jahre 1886 wurde er zum Direktor dieser Anstalt ernannt. Im Jahre 1905 trat er als k. k. Regierungsrat in den Ruhestand.
Strzemcha bewegte sich im Bildungsmilieu nicht nur als Pädagoge, sondern auch als Angehöriger verschiedener Institutionen - vor dem Übertritt in den Ruhestand war er viele Jahre Mitglied des deutschen Bezirksschulrates und danach wirkte er als Inspektor der städtischen deutschen Kindergärten. Außerdem gehörte er mehr als fünfzig Jahre der Historisch-statistischen Sektion der k. k. mährischen Gesellschaft für Landwirtschaft, Natur- und Landeskunde und später dem Deutschen Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens an. Daneben arbeitete er bei dem Journalisten-Verein für Mähren und Schlesien mit und war Vorsteher des Geschichtsvereins (er redigierte auch dessen Zeitschrift, 1914 wurde er zum Ehrenmitglied und 1933 dessen Ehrenobmann). Er wirkte auch in der städtischen Theaterkommission und war Obmann der Deutschen Schiller-Stiftung in Brünn. Neben dem bereits Erwähnten war er Ehrenmitglied der deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Künste in Brünn, Ehrenmitglied des Brünner Fröbelbundes, Ehrenobmann der Paul-Strzemcha-Kirsch-Gemeinde und korrespondierendes Mitglied der deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst in Prag und des mährischen Gewerbevereines und nicht zuletzt Ehrenbürger von Groß Seelowitz.
In den Sommermonaten pflegte Strzemcha nach Groß Ullersdorf zu reisen und zu seinem breiten Freundeskreis gehörten u. a. der Schriftsteller Guido Glück (1882-1945) und die Dichterin Helene Hirsch (1863-1937), mit denen er über neue literarische Fragen und Themen diskutierte. Paul Strzemcha - Forscher, Pädagoge, Schriftsteller, (Ehren-)Mitglied verschiedener Institutionen und Vereine und in vielen Kreisen eine hoch angesehene Persönlichkeit - verstarb am 25. Dezember 1940 in Brünn, im gesegneten Alter von 96 Jahren.
"Paul Kirsch ist einer der sympathischsten Vertreter der heimischen Dichtkunst. Schlicht, aufrichtig - warmes Empfinden für das Schöne. Man darf seinen Worten glauben. Geziertheit kennt er nicht." (Anmerkung von Karl Wilhelm Fritsch. In: Zu Paul Kirsch' 90, Geburtstag. In: Deutsch-mährisch-schlesische Heimat (1934). 19. Jahrgang, S. 172.)
Dank der urlangen Lebensbahn erstreckte sich Strzemchas sehr fruchtbare literarische Tätigkeit über mehrere Jahrzehnte hinaus und mit seinen Werken betrat er das prosaische, das lyrische, das dramatische als auch das fachwissenschaftliche/didaktische Feld. Den umfangreichen Teil seiner Texte bilden verschiedene wissenschaftliche Schriften, in denen er sich mit den ihm gut vertrauten Fachgebieten - der Geschichte und der deutschen Literatur - befasste. Aus diesem Bereich können wir z. B. Geschichte der deutschen Nationalliteratur (1877, die Publikation erlebte mehrere Neuauflagen), Kleine Poetik (1880), Geschichte, Geographie und Statistik der österreichisch-ungarischen Monarchie (1883), Deutsches Dichterbuch aus Mähren (1892, herausgegeben zusammen mit Ottokar Stoklaska) oder Deutsche Dichtung in Österreich im 19. Jahrhundert (1903) erwähnen. Diese Texte dienten zur Entwicklung und Unterstützung des Mittelschulwesens und als Hilfe für eine ganze Menge von Schülern. Seine Texte erschienen auch als Aufsätze in der zeitgenössischen Presse - in der Monatsschrift Moravia wurden z. B. zwei Aufsätze über die Olmützer Dichterschule publiziert.
Im Rahmen der Prosa verfasste Strzemcha ausschließlich kurze Erzählungen, die in der Presse publiziert wurden - wie Der verlorene Sohn (1878, in der Moravia), Der gerade Weg (1928) oder Frühling (1933) und Sommer (1934, alle drei in der Deutsch-mährisch-schlesischen Heimat). Auf dem lyrischen Feld war Strzemcha sehr produktiv - seine Gedichte lassen sich verstreut v. a. in der bereits erwähnten Moravia finden (z. B. Zum 24. April 1879, Josef dem Zweiten oder Der Thürmer von St. Peter). Im Jahre 1878 erschien im Druck (als auch in der Moravia) sein umfangreiches Idyll Gretel. 1907 wurde das Werk Brünner Elegien publiziert, das mit seinem Wohnort verbunden war.
"Er wurde zum Sänger unserer Heimat. Wo es gilt, ihr Lob zu singen, da klingen gar liebe, herzsinnige Laute an unser Ohr. Sein hohes Lied jedoch galt der Ehre unseres Volkes. Hier greift er mit echter Begeisterung in die Saiten und weiß die herzlichsten, innigsten Töne anzuschlagen. Seine Liebe zu unserem Volke, seine Uneigennützigkeit, mit der er jede deutsche Sache mit allen Kräften fördert, erheben ihn über alle Parteien und machen ihn zu einem der Unsern. Seine Dichtkunst gibt uns Trost, Erbauung und Erhebung über das Grau des Alltags und die bittere Not unsere Zeit. Dafür danken wir Völkischen ihm aus tiefstem Herzensgrunde." (In: Jaschke, Josef: Ein Dichter unserer Heimat. In: Südmährerblatt (6.9.1924). 5. Jahrgang, Folge 282, S. 1.)
Aus den dramatischen Werken, die Strzemcha oft anlässlich verschiedener Gedenktage verfasste, können wir z. B. den szenischen Prolog Ein Gruss aus alter Zeit (1886), das Volksschauspiel Die Schweden vor Brünn (1895) oder das Festspiel Südmährerland (1931) nennen. Außerdem schrieb er auch einige Aufsätze, die verschiedenen Persönlichkeiten gewidmet wurden - wie Dr. Rudolf Edler von Ott (1882, als Erinnerung an den Verstorbenen, in der Moravia) oder Marie von Ebner-Eschenbach (1910, zu ihrem 80. Geburtstag, in der Zeitschrift des Deutschen Vereines für die Geschichte Mährens und Schlesiens). Im Jahre 1934, anlässlich seines 90. Geburtstages, wurde von seinem Freundeskreis die Sammlung Lebensernte herausgegeben, in der sich eine Auswahl von Strzemchas poetischen und prosaischen Schriften befindet. Im Hinblick auf die oben erwähnten Werke und verschiedenen Gattungen kann man ohne Zweifel konstatieren, dass Strzemcha ein vielseitiges literarisches Erbe hinterließ.
(Auf Basis der Sekundärliteratur bearbeitet von Radek Flekal)