Alexander von Sacher-Masoch schrieb weder über Mähren noch richtete sich sein Literaturschaffen an die Leser in Mähren. Seine Werke bezogen sich vor allem auf die politische Situation während des Zweiten Weltkriegs, auf jüdische Schicksale oder seine Familienerfahrungen. Offiziell gibt man an, dass er ein österreichischer Schriftsteller war, obwohl er im Laufe seines Lebens unzählige Mal den Wohnort wechselte.
Obwohl er in den Nachkriegsjahren durch Begabung und organisatorisches Geschick zu einem der meistpublizierten Kurzgeschichtenautoren im deutschen Raum avancierte und seine Integrität und sein Engagement ihm eine kulturpolitische Schlüsselstelle in Österreich sicherten, gelang es Alexander von Sacher-Masoch letztlich nicht, aus dem Schatten seines berühmten Verwandten Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) zu treten. Weniger freilich dessen literarisches Werk verstellte den Blick auf das eigene Schaffen, als vielmehr die Stigmatisierung des Familiennamens, die einem Leitthema der Prosa des Großonkels zu verdanken war. 1890 hatte Richard von Krafft-Ebing (1840-1902) in seiner bedeutenden Psychopathia sexualis das Phänomen des Lustgewinns durch Schmerz und Demütigung in Anlehnung an Leopold von Sacher-Masochs literarischer Gestaltung (v.a. in der Venus im Pelz und der Geschiedenen Frau) mit dem Terminus Masochismus benannt, der sich rasch in der wissenschaftlichen Nomenklatur etablieren konnte. Nicht nur Leopold von Sacher-Masoch, auch sein Neffe Artur von Sacher-Masoch (1875-1953), Vater Alexanders und hochrangiger k.u.k. Offizier, sah sich durch die ungewollte Assoziierung des Namens mit einer sexuellen Perversion in seiner literarischen Tätigkeit derart beeinträchtigt, dass er unter dem Pseudonym Michael Zorn veröffentlichte.
Sein Sohn Alexander, als – wie er scherzhaft zu sagen pflegte – ‚Tornisterkind’ eher zufällig in einer der zahlreichen Garnisonsorte, in denen sein Vater den Dienst (als Soldat in den Österreichisch-Ungarischen Landstreitkräften) versah, geboren, besucht zunächst die Grundschule in Graz und Wien und absolviert die Jahre bis zur Matura an ungarischen Schulen. Als Alexander in Graz studiert hatte, begannen sich antisemitische Launen in den intellektuellen Kreisen und unter den Studenten schnell auszubreiten. In Graz wirkte damals die deutsche Burschenschaft, die Hass gegen Juden predigte. Da Alexander jüdische Wurzeln hatte, geriet er oft in Streitigkeiten. Ein Streit mit einem der Burschenschaftler kulminierte im Säbelduell, wonach beide Duellanten für zwei Monate ins Gefängnis gesetzt wurden. Schon während seines Studiums der Chemie in Graz, das er mit einer Dissertation über chemische Kinetik 1926 abschließt, entstehen die ersten literarischen und publizistischen Arbeiten. Er engagierte sich im literarischen Bund Blaue Blumen, wo er sich mit den anderen Dichtern traf und über Literatur diskutierte.
So hält es ihn auch nicht lange in seiner ersten Anstellung im Forschungslaboratorium von Siemens und Halske in Berlin und er versucht bald seinen Unterhalt mit dem Schreiben gefälliger Kurzgeschichten zu finden, die in verschiedenen deutschen Zeitschriften veröffentlicht werden. Zu dieser Zeit fing er an, für den sozialdemokratischen Verlag Büchergilde Gutenberg zu arbeiten. Daneben entstehen die ersten Übertragungen zeitgenössischer Literatur aus dem Ungarischen, u. a. Romane des heute vergessenen János Komáromi (1890-1937). Er hatte für die Übersetzungstätigkeit die besten Voraussetzungen, da er von Jugend an im Kontakt mit unterschiedlichen Sprachen war: Mit seiner Mutter sprach er deutsch und ungarisch, mit dem Vater deutsch. Während der Studienzeit stieß er wegen der ständigen Schulwechsel auf Rumänisch und Slowakisch und das Abitur legte er in Griechisch und Latein ab.
In diese Zeit fällt auch Sacher-Masochs erste Ehe mit Ruth Schlesinger, die wie seine aus Ungarn stammende Mutter Elisabeth Flora Ziprisz jüdischer Herkunft war, und die ihm eine Tochter schenkte. Ein festes Einkommen sichert ihm die Anstellung als Kulturredakteur (mithilfe seines entfernten Verwandten Artur Saternus) beim Berliner sozialdemokratischen Parteiorgan Vorwärts, die er allerdings 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgeben muss. Als politisch unliebsamer Autor mit einer jüdischen Frau in Deutschland massiv bedroht, zieht er nach Wien, wo er weiter gegen die deutschen Zustände anschreibt. In den letzten Tagen des österreichischen Ständestaats versucht er mit Kurt Neumann die demokratische Zeitung Neue Österreichische Blätter, in der er vor der nazistischen Okkupation warnte, ins Leben zu rufen, muss aber mit dem Einmarsch der Hitler-Truppen mit einem falschen Pass nach Belgrad in Jugoslawien fliehen. In der Presse des Vorwärts-Verlags bleibt sein bereits gedruckter, mit vollem Namen gezeichneter Leitartikel zu den Verbrechen des Nazi-Regimes liegen. Drei Jahre arbeitet er als Korrespondent des Schweizer Regierungsorgans Der Bund in Belgrad und veröffentlicht unter anderem heftige Polemiken gegen die (deutschlandfreundlichen) serbischen Regierungen unter Stojadinovic und Cvetkovic. Lediglich die Intervention des Schweizer Gesandten Steiner-Zamponi verhindert mehrmals seine Auslieferung an die Nationalsozialisten.
Auch literarisch verarbeitet Sacher-Masoch diese erste Zeit der Flucht und Heimatlosigkeit. In Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Übersetzer Piero Rismondo (1905-1989), der nach seiner Emigration nach Jugoslawien bis 1941 Sprecher des deutschen Radiosenders in Belgrad war, entstand 1939 das Drama Das unsichtbare Volk, eines der raren zeitgenössischen Emigrantendramen in der deutschen Literatur, das schon Romain Rolland begeisterte, allerdings erst 1947 erscheinen konnte.
Im Sommer 1940 entsteht Sacher-Masochs einziger Gedichtband Zeit der Dämonen, der – nach Zeugnis Walter Hollitschers, des Generalsekretärs des Exil-P.E.N. – schon in Belgrad von Paul Bruk in einer Geheimauflage von 500 Exemplaren gedruckt und von oppositionellen Buchhändlern in Belgrad und Zagreb unter dem Ladentisch verkauft worden sein soll und 1946 in Wien erneut erscheint (Csokor spricht im Vorwort allerdings lediglich von früheren Abschriften). In den Gedichten beschrieb er Exzesse, Angriffe und die Gewalt der Nazis, die die jüdische Bevölkerung erleiden musste. Wie viele andere Emigranten verwendet Sacher-Masoch das Sonett, mit dessen strenger, traditionsgebundener Form man dem Chaos der Zeit zumindest sprachlich begegnen wollte. Dienen die ersten Sonette des Bands dazu, das Geschehene anzuklagen, forschen die nächsten nach den Gründen und geben der Hoffnung auf ein Danach Ausdruck; die beiden letzten Sonette aber enthalten eine konkrete Warnung an die neue, vorübergehende Bleibe des Dichters, denn ein Ende des Schreckens sei noch nicht abzusehen:
Vielleicht schon morgen rattern Tanks hinaus,
Kanonen brüllen auf aus starken Lungen,
und es befallen schwere Züchtigungen,
das uns ein Dach bot, dieses fremde Haus.
Dass diese prophetischen Töne im noch kriegsverschonten Belgrad in intellektuellen Kreisen auch Ablehnung fanden, tat der Gültigkeit der Warnung keinen Abbruch. Auch über Jugoslawien sollte bald die Katastrophe hereinbrechen. Am 27. März 1941 führt ein Militärputsch zum Sturz des Regimes in Belgrad und Sacher-Masoch meldet sich als Freiwilliger zur jugoslawischen Armee, um sich am Kampf gegen Hitlerdeutschland zu beteiligen. Nachdem jedoch die Wehrmacht Jugoslawien binnen kürzester Zeit unterworfen hatte, muss er sich vor der deutschen Okkupation in Sarajevo versteckt halten, ehe er sich mit gefälschten Papieren zur dalmatinischen Küste durchschlagen kann.
Mehr als zwei Jahre verbringt Sacher-Masoch auf der Insel Korčula, dem guten Willen der italienischen Besatzer ausgeliefert, die auf eine Abschiebung der Emigranten an die Deutschen verzichten, solange sie sich zur Verfügung hielten. Hier trifft er auch den Dramatiker Franz Theodor Csokor (1885-1969), der als überzeugter Humanist und Verfechter der Menschenrechte schon früh jegliche Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten abgelehnt hatte und dafür mit Schreibverbot belegt worden war. Nach dem Sturz Mussolinis unterstützt Sacher-Masoch als Redakteur einer Wand-Zeitung die einheimischen Widerstandskämpfer, die ihm – wie zuvor schon Csokor – nach dem Einmarsch deutscher Truppen zu Weihnachten 1943 im darauf folgenden Jänner die abenteuerliche Flucht nach Bari ermöglichen, das bereits in den Händen der Alliierten war; mit ihm war auch Milica Leitner, Sacher-Masochs spätere zweite Frau. Noch im Jahre 1943 gründete er auf Bari mit anderen 40 Flüchtlingen und Juden die Zweigstelle der Gruppe Freie Österreichische Weltbewegung (FÖW) und wurde zu ihrem Vorsitzenden. Das Hauptziel der Gruppe war vor allem die Unterstützung der Freiheit, Demokratie und der ökonomischen Interessen Österreichs in Italien.
Nach einem Jahr als Servierkraft in einem Militärhospital wird er als Offizier in den Psychological Warfare Branch der Alliierten aufgenommen und mit der ‚Umerziehung’ von Wehrmachtsoldaten in einem Lager bei Bari für 12000 Kriegsgefangene betraut; eine seiner Aufgaben war dabei die Herausgabe der Lagerzeitung. 1945-46 arbeitet Sacher-Masoch als Radiokommentator des alliierten Rundfunks in Bari und Rom, ehe er (u. a. auf Aufforderung des Präsidenten des Verbandes demokratischer Schriftsteller und Journalisten Österreichs, Edwin Rollett) wie sein Freund Csokor nach Österreich zurückkehrt. Während der Arbeit für Radio Bari konnte er seine Gedichte, Essays und kürzere Prosatexte senden. Im wahrscheinlich bekanntesten Essay Über Erziehung, das nach dem Ende des Kriegs entstand, informierte er über die Herrschaft des „Dritten Reiches“ in Österreich und gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Frage, wie das Schulwesen aussehen soll, damit man die Leute seit der Kindheit zur Demokratie und Humanität führte.
Als prominente Antifaschisten war beiden - Csokor und Sacher-Masoch - hier eine wichtige Rolle bei der Wiedererrichtung des österreichischen P.E.N.-Clubs zugedacht: Auf Vorschlag Hollitschers sollte Csokor als Präsident, Sacher-Masoch aber als Generalsekretär der wichtigsten Schriftstellervereinigung fungieren. Diese musste sich zunächst vor allem – wie der Präsident des Exil-P.E.N., Robert Neumann, forderte – dem „Kampf um die Denazifizierung“ widmen. Sacher-Masoch vertritt in dieser Frage, trotz seiner Erfahrungen im Exil, eine tolerante Haltung, indem er die Zwänge jener Schriftsteller nachzuzeichnen versucht, die während der NS-Herrschaft im Land verblieben waren. In mehreren Beiträgen der linksliberalen Wochenzeitschrift Österreichisches Tagebuch, deren Mitbegründer und Chefredakteur (bis 1950) er war, präzisiert er seine konziliante Position des ‚primären Vertrauens’, die die verschiedenen Möglichkeiten der Verstrickung im Auge behalten sollte. Nach langfristigen Verhandlungen und verschiedenen Querelen wurde am 5. Juni 1947 beim Internationalen P.E.N.-Kongress in Zürich der Antrag für eine Wiedereinrichtung des österreichischen P.E.N. einstimmig angenommen; ein Ergebnis, an dem der neue Generalsekretär entscheidend beteiligt war und das er selbst als den ersten wesentlichen außenpolitischen Erfolg Österreichs seit Kriegsende wertete.
Schon im Jahr zuvor erschien, mit einem Vorwort Csokors, sein noch in Italien abgeschlossener erster ‚Roman’ Die Parade, Sacher-Masochs wohl erfolgreichstes, mehrfach aufgelegtes Buch, das mit einem deutlichen Hang zum Sentimental-Elegischen stimmungsvolle Bilder einer Kindheit in der vergangenen Habsburgermonarchie zeichnet. Dass diese Beschreibung der problematischen Adoleszenz eines Offizierssohns, der die emotionale Nähe und Anerkennung seines Vaters schmerzhaft vermisst, stark autobiographische Züge trägt, bestätigt etwa ein Brief Hollitschers, der Neumann dieses Buch als Informationsquelle zu Sacher-Masochs biographischem Hintergrund empfiehlt. Weniger ein Roman, wie die Gattungsbezeichnung insinuiert, als eine Novelle traditionellen Zuschnitts, verarbeitet der Autor hier das beliebte Motiv des Vater-Sohn-Konflikts in einer – im Vergleich etwa zu ähnlich angelegten Werken Hasenclevers, Werfels oder Kafkas – weitaus friktionsärmeren Handlung, die konsequenterweise auch glücklich endet. Kurz vor Sacher-Masochs Tod fand die Geschichte als Fernsehspiel des Österreichischen Rundfunks ein noch breiteres Publikum.
In seinem Jugendbuch Abenteuer eines Sommers, das 1948 erscheint, verbindet Sacher-Masoch 1948 publikumswirksame Zutaten seiner Kurzgeschichten (wie die liebevoll-karikierende Schilderung des Alltagslebens vergangener Tage in der Provinz, Zigeunerromantik, verklärte Kinderstreiche u.a.m.) mit einer Raubmordhandlung, die das Städtchen, in dem die Geschichte spielt, in Aufruhr versetzt. Neben Übersetzungen aus dem Ungarischen und Serbokroatischen gibt Sacher-Masoch in den folgenden Jahren drei Sammlungen teils schon früher entstandener Erzählungen heraus, (nicht nur) Zigeunergeschichten unter dem Titel Piplatsch träumt (1949), zum Themenkreis Kindheit das Buch Der verlorene Garten (1953), das eine weiteres Mal das vergangene Alt-Österreich lebendig werden lässt, und seine Vierbeinigen Geschichten (1953), die den großen Tierliebhaber verraten. Dazwischen liegt die umfangreichere ‚Liebesgeschichte’ Es war Ginster (1951), in der ein ehemaliger Oberst (für den erneut Sacher-Masochs Vater Modell stand) mit Liebe und Umsicht in die Geschicke der jungen Leute eingreift. 1955 trennt Sacher-Masoch sich von seiner Frau Milica und geht nach Frankfurt, wo er mit umtriebigem Geschäftssinn die Vielzahl seiner Kurzgeschichten und Skizzen in einer erstaunlichen Anzahl von Zeitungen und Zeitschriften platziert.
1956 erscheint, nach einem Vorabdruck in der Hamburger Anderen Zeitung, sein Roman Die Ölgärten brennen, der – bei aller Problematik der literarischen Gestaltung der unheilvollen Zeit, die sich im Buch zeigt – als Hauptwerk Sacher-Masochs gelten kann. Seine Erfahrungen auf Korčula hatte er erstmals 1948 in seinem heiteren ‚Roman einer Insel’ Beppo und Pule verarbeitet; nun aber stellt der Autor seine Impressionen von der dalmatinischen Insel ein in den zeithistorischen Kontext der Exilerfahrung, der deutlich genug von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen geprägt ist. Einzelne Teile dieses Romans mögen bereits während der Emigrationszeit entstanden sein, seine endgültige Form hat er allerdings, entgegen der gängigen Forschungsmeinung, mit Sicherheit erst später bekommen.
1958 kehrt Sacher-Masoch wieder nach Wien zurück. Als selbstständiger Autor ist er nun nur mehr wenig tätig. Neben einigen Übersetzungen ungarischer Literatur (darunter Arbeiten von Kálmán Mikszáth und László Passuth) entstehen noch die ‚Geschichten von einer dalmatinischen Insel’ Plaotina (1963), eine weitere Kurzgeschichtenanthologie (Vierbein und Zweibein, 1968) wird zusammengestellt, mehrere Film- und Fernsehprojekte beschäftigen ihn, vieles aber bleibt unerledigt liegen, so etwa eine Weltgeschichte der Zigeuner für den Ullstein-Verlag. Am 17. August 1972 stirbt Sacher-Masoch in Wien und findet in Grinzing seine letzte Ruhestätte. Sein literarisches Werk ist heute weitgehend vergessen, zumindest sein Name aber ist seit einiger Zeit in literarischen Kreisen durch eine begehrte Auszeichnung wieder bekannt geworden. Der mit 7.000 Euro dotierte Alexander-Sacher-Masoch-Preis, von der Alexander-Sacher-Masoch-Stiftung 1994 ins Leben gerufen und vom Wiener Literaturhaus alle drei Jahre verliehen, dient der Förderung junger österreichischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Zu den Preisträgern, die von jeweils einem Herausgeber oder Chefredakteur eines österreichischen Mediums gekürt werden, zählen u.a. Robert Menasse und Kathrin Röggla.
Christian Neuhuber (Graz)