Seltsam unklar (im Schweigen um die jüdische Herkunft freilich aufschlußreich) zeigen sich die Anfänge des bedeutendsten österreichischen Theoretikers des aufgeklärten Absolutismus. Sonnenfels’ Leben beginnt für den Biographen mit dem Moment der Taufe des etwa Zweijährigen; Geburtsort und -datum, ja sogar sein ursprünglicher hebräischer Name bleiben im dunkeln. Der Vater Perlin (auch: Berlin) Lipmann, Sohn des brandenburgischen Oberrabbiners Michel Chosid, konvertiert am 18.9.1735 in der Wiener Schottenkirche mit seinen drei Söhnen zum katholischen Glauben und nimmt nach seinem Paten Aloys Graf von Harrach und dem Ort des Geschehens den Namen Aloys Wienner an. Als Taufzeuge von Carl, Joseph und Franz zeichnet Carl Graf von Dietrichstein, Hofkämmerer und Herr von Nikolsburg. In welchem Verhältnis Wienner, zu seinen hochgestellten Förderern stand, ist nicht gänzlich geklärt. Doch dürften sie dazu beigetragen haben, daß auch das Nobilitierungsgesuch des ehemaligen ‚Kuchlschreibers’, Hausinspektors und (seit 1745) Universitätsdozenten für orientalische Sprachen am 20. 10. 1746 positiv erledigt wurde, und sich der erst gut eineinhalb Jahrzehnte zuvor über Eisenstadt in die österreichische Monarchie eingewanderte sprachenkundige Neophyt fortan ‚von Sonnenfels’ nennen durfte. Im selben Jahr beendet Joseph seine Schulausbildung am Nikolsburger Piaristengymnasium, die ihm Graf Dietrichstein ermöglicht hatte, und wohnt beim Vater in der Wiener Vorstadt Laimgrube, lernt dort Hebräisch und Chaldäisch, ohne sich jedoch über seinen weiteren Lebensweg im klaren zu sein. Da es ihm, wie er in de Lucas Das Gelehrte Österreich schreibt, „an Erziehung mangelte“, rückt er 1749 zu den Deutschmeistern nach Klagenfurt ein, absolviert mit seinem Regiment Manöver in Kärnten, Böhmen und Ungarn und nützt die Wintermonate zur Lektüre und zum Sprachstudium (Französisch, Italienisch, Tschechisch). 1754 nimmt er als Unteroffizier seinen Abschied und beginnt an der Wiener Universität Rechtswissenschaften (u.a. bei K.A. v. Martini und P.J. v. Riegger) zu studieren, widmet sich aber zugleich bereits sprachwissenschaftlichen Untersuchungen. Nach Beendigung seiner Studien will sich zunächst kein Erfolg einstellen; als Adjunkt bei der niederösterreichischen Landesregierung (vermutlich als Gehilfe seines Vaters bei der Übersetzung hebräischer Schriften) und (unbezahlter) Rechtspraktikant in der Kanzlei des Grafen Hartig unterfordert, versucht er sich auf dem Feld der Sprachpflege und tritt der nach Leipziger Vorbild von Joseph Anton von Riegger ins Leben gerufenen ‚Deutschen Gesellschaft’ bei (der u.a. auch der Gründer der Olmützer Societas incognitorum, Joseph von Petrasch, angehört). Seine programmatische Rede zur Konstituierungssitzung vom 2.1.1761, in der er gut gottschedianisch die Verbreitung des „guten Geschmacks in unserer Muttersprache“ und „ein vollkommenes Kenntnis der deutschen Sprache“ (Ankündigung einer deutschen Gesellschaft) als Ziele definiert, erregt Aufsehen auch außerhalb Österreichs.
Um seinen Vater finanziell nicht länger zur Last zu fallen, bewirbt sich der 28-jährige um die Stelle eines Rechnungsführers der neuorganisierten Arcieren-Garde, die er aufgrund seiner Militärerfahrung auch erhält. Zufrieden kann er freilich mit dieser leidlich bezahlten Stelle, die sich auf intellektuell wenig herausforderndes „Nullenspalten“ (An mein Herz) beschränkt, nicht sein. Doch hat er hier mit Ernst Gottlieb von Petrasch einen Vorgesetzten, der die Fähigkeiten seines Fouriers richtig einzuschätzen weiß und ihn dem Staatsrat Borrié empfiehlt. Dessen Absicht, den jungen Juristen in die anstehenden Wirtschafts- und Sozialreformen einzubinden, entspricht freilich nicht den ursprünglichen Plänen Sonnenfels’; dieser hatte sich, ermutigt von seinen Erfolgen in der ‚Deutschen Gesellschaft’, kurz zuvor noch um den Lehrstuhl für deutsche Sprache beworben (den allerdings seit 1753 der naturwissenschaftlich orientierte Dialekt- und Sprachforscher Johann Popowitsch innehat). Doch als geschickter Kompilierer mit einem Gespür für die didaktische Aufbereitung komplexer Zusammenhänge findet er sich schnell in seinem neuen Aufgabenbereich zurecht. Seine Denkschrift zur Errichtung einer ‚Lehrkanzel für Polizey- und Kameralwissenschaft’ findet Wohlwollen bei den zuständigen Stellen, und so er erhält den Auftrag, in den traditionellen Kameralismus als staatstragende Lehre die neuesten europäischen Entwicklungen einzuarbeiten und ihn an die Bedürfnisse der österreichischen Monarchie anzupassen. 1763 wird ihm der neue Lehrstuhl übertragen mit der Bedingung, seine Arbeiten und Vorträge, bei denen er sich u.a. auf Montesquieu, Hume, Bielfeld, Hörnigk und vor allem Johann Heinrich Justi (der Jahre zuvor unter jesuitischem Druck seine Professur am Wiener Theresianum aufgeben mußte) bezieht, als Lehrwerk zu gestalten. Das Ergebnis, seine Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft, sollten – trotz systematischer Schwächen, rigoroser Anleihen und der (besonders an den verschiedenen Auflagen ersichtlichen) einseitigen Orientierung an der jeweiligen Praxis absolutistischen Herrschens – bis zum Vormärz an den Universitäten der Monarchie als Standardwerk für Staatswissenschaft und Nationalökonomie gelten. Der 1765 fertiggestellte erste Band Die Polizey gilt den Maßnahmen und Grundsätzen, „die innere Sicherheit zu gründen und zu erhalten“, 1769 folgt mit der Handlung ein Kompendium der „wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen“ und der abschließende dritte Band Die Finanzwissenschaft (1776) beleuchtet die Prinzipien des Steuerwesens und der Marktwirtschaft hinsichtlich der Konsolidierung des Staatshaushalts. Durch Sonnenfels wird die Kameralistik zu einer akademischen Schlüsseldisziplin, nicht zuletzt, da er es versteht, urgente Fragestellungen zur öffentlichen Diskussion aufzubereiten. An der praktischen Umsetzung seiner Lehre im Sinne einer Mitgestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist er indes zeit seines Lebens nur am Rande beteiligt. Beruflich nun situiert, heiratet Sonnenfels 1763 Theresie Hay, Tochter eines Fulneker Oberamtsmanns und Schwester Johann Leopold Hays, des späteren Bischofs von Königsgrätz.
Sein kameralistisches Arbeitsfeld hindert Sonnenfels jedoch nicht, sich auch weiterhin in Fragen der Sprache und Literatur zu äußern. Mehr noch, so entfernt die Bereiche auf den ersten Blick auch liegen mögen, sein Bemühen war es, sie als gegenseitig Bedingendes zu zeigen und zu nutzen. Grundlage dafür war Sonnenfels’ Vorstellung, daß sich öffentliches und privates Leben der Idee eines aufgeklärten absolutistischen Staats unterzuordnen habe, der seinen Untertanen Sicherheit und Wohlergehen garantiert. Literatur, zumal dem Theater, kommt dabei eine zentrale Bildungsfunktion zu; die Schaubühne habe – so fordert er in der Polizey – eine „Schule der Sitten“ zu sein, sollte demnach als bewußtseinsbildendes Medium des Aufklärungsdiskurses fungieren. Vor allem die Komödie, bislang ja im unteren Bereich der Gattungshierarchie angesiedelt, soll ihr sozialpädagogisches Potential nützen, indem sie „das Laster [...] in seiner scheuslichsten Gestalt und mit der Strafe als einer unabsönderlichen Folge, die Tugend mit allen ihren Reizungen, in ihrer liebenswürdigsten Gestalt, und wenigstens am Ende siegend“ (Sätze aus der Polizey) zeigt. Über die Ablehnung des Lasters und der Identifikation des Rezipienten mit den in ihrer Tugend bestätigten Figuren vermag – so Sonnenfels – das Spiel auf die ethisch-rationale Entwicklung des Staatsbürgers einzuwirken. Diese Funktionalisierung des Lustspiels zum moralischen Exempel orientiert sich an den diesbezüglichen Forderungen Johann Christoph Gottscheds in seiner Critischen Dichtkunst, allerdings mit der intentionalen Verschiebung, daß die propädeutische Wirkung weniger der Konstituierung eines bürgerlichen Selbstverständnisses und Selbstbewußtseins dienen soll als der Einübung in den Regelkodex des aufgeklärten Absolutismus. Dementsprechend sollte der Staat einerseits durch subventionelle und ideelle Absicherung, anderseits durch ein rigides Zensurwesen auch Sorge tragen, daß die öffentlichen Bühnen ihre meinungsbildende Aufgabe auch in der richtigen Weise wahrhaben.
Unter diesen Voraussetzungen mußten Sonnenfels die beliebten, aber pädagogisch völlig ungeeigneten Produktionen des Wiener Volkstheaters mit ihren grobianischen Extempores, lustvoll unvernünftigen Handlungen und derbdrastischen Dialogsequenzen im Dialekt ein Dorn im Auge sein. Dezidiert wendet er sich ab 1765 gegen sie in seinen Wochenzeitschriften; schon im kurzlebigen Vertrauten, vor allem aber in der bedeutendsten Wiener Moralischen Wochenschrift des 18. Jahrhunderts, seinem Mann ohne Vorurtheil (1765-67). Zumal dem Hanswurst, von Gottfried Prehauser genial in Szene gesetzt, gilt seine Kritik, widersetzte sich dieser doch dem aufklärerischen Vernunft- und Tugendanspruch in mehrfacher Hinsicht: Zum einen definieren Hanswurst und Konsorten (wie Weißhaupts Odoardo, Kurz’ Bernardon und Laroches Kasperl) ihre Existenz über ‚tugendlose’ Aggressions-, Sexual-, Fäkal- oder Infantilitätskomik, die sich - zweitens - nicht für ein didaktisches Programm funktionalisieren läßt; und schließlich ist der angestammte Platz der komischen Figur der Raum zwischen Bühne und Publikum, der die von Sonnenfels eingeforderte Illusionierung zur Identifikationsmöglichkeit unterminiert. Der Hanswurst ist das Element des Anormativen im Regelwerk der Gesellschaft, der Vertreter karnevalesker Komik, der dem Unterdrückten zum Ausdruck, Ausbruch verhilft – und damit für ein Propädeutikum staatsbürgerlicher Pflichten in keiner Weise brauchbar. Noch befinde sich seine Anhängerschaft, die „Parthey des grünen Hutes“, in der Überzahl, doch ist der ‚Mann ohne Vorurtheil’ zuversichtlich, daß dem Treiben durch eine Erziehung des Publikums und durch striktere Zensurbestimmungen („Man thue ehe [sic] in der Strenge zu viel als in der Nachsicht“) ein Ende gesetzt werden könne. Dem Lesepublikum sollte deshalb mit polemischen Angriffen gegen Werke wie Philipp Hafners Megära die Notwendigkeit der Reinigung, Literarisierung und Disziplinierung des traditionellen Wiener Theaters vor Augen geführt werden.
Die rigorose Ablehnung des Volkstheaters zugunsten einer Regeldramaturgie ruft jedoch selbst Gegner auf den Plan, die sich ihrerseits um eine Theaterreform bemühten, wie Christian Gottlob Klemm und Franz von Heufeld. Sonnenfels’ stadtbekannte Selbstgefälligkeit und zur Schau gestellte Intellektualität gaben dabei eine gute Zielscheibe des Spotts. Ebenso wie in Heufelds Kritik des Geburtstags wird er auch in Klemms durchaus witzigem Stück Der auf den Parnaß versetzte grüne Hut in der Gestalt eines eitlen, besserwisserischen Gelehrten dem Lachen preisgegeben, hier pikanterweise verkörpert eben durch Hanswurst-Prehauser, der Apoll und den Musen als Rechtfertigung seines Treibens Proben seiner Darstellungskunst zu geben hat. Sonnenfels, der die Aufführung nicht verhindern konnte, ließ sich durch diese persönlichen Angriffe freilich nicht in seinen Reformbemühungen irritieren. Indes versucht er mit seinen Briefen über die Wienerische Schaubühne (1767 – 69) seine Vorstellungen auf theoretischer Basis zu präzisieren. Vorbild war ihm dabei Gotthold Ephraim Lessings Hamburgische Dramaturgie, deren Wirkungskraft und Tiefe seine Briefe trotz auffälliger Bezüge und inhaltlicher Parallelen allerdings nicht erreichten. Fokus der Rezensionen, theoretischen Reflexionen und praktischen Anleitungen ist die Idee des Erziehungsinstruments ‚Nationalschaubühne’, die er mit Repertoireempfehlungen, regietechnischen, organisatorischen und theaterpraktischen Anweisungen und vor allem einer Aufwertung der Schauspielkunst konkretisiert. Auch hier ist er wieder weniger origineller Denker als gewandter Eklektiker, der die gesamtdeutsche Diskussion von Gottsched bis Friedrich Nicolai und Lessing auf die Wiener Verhältnisse zu übertragen weiß. In seinen Briefen tritt er wieder massiv gegen die Wiener Lokaldramatik auf und begrüßt – nicht sehr pietätvoll – den Tod Prehausers (1769), des „großen Pan“, als Endpunkt einer Entwicklung, die er als Verirrung sieht und deren Verschwinden er durchaus als sein persönliches Verdienst betrachtet. Das Amt eines Reorganisators der Theaterzensur, das ihm 1770 übertragen wird, macht ihn auch formell zum mächtigsten Mann des Wiener Theaters und gibt ihm Gelegenheit, seine Forderungen (Extemporierverbot, Zensur von Text und Inszenierung, Berufsverbot für Folgetäter u.a.) offiziell durchzusetzen. Erledigt war das Traditionsgut des Wiener Volkstheaters damit nicht, doch erzwang die repressive Situation eine Phase der Umorientierung und Literarisierung, die Grundlage wurde für die Hochphase im 19. Jahrhundert mit Raimund und Nestroy. Sein Amt hat Sonnenfels allerdings nur wenige Monate inne; über die Hintergründe für die Enthebung ist nichts näheres bekannt, zumal auch er selbst dazu schweigt. Denkbar ist, daß ihn der Unmut Maria Theresias über eine Witwensatire Christian Felix Weißes, die die Zensur passierte, um seine Würden gebracht hat; immerhin stammt von der Monarchin persönlich die Order, „sich bei Verlust seines Dienstes weiter nicht in Theatralsachen zu mengen“.
Über mangelnde Beschäftigung kann Sonnenfels sich dank seines Hangs zur Ämterkumulation ohnedies nicht beklagen. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität unterrichtet er seit 1766 auch am Theresianum, ist ab 1768 Sekretär der Zeichen- und Kupferstich-Akademie (1777 nach der Vereinigung der Kunstschulen Sekretär der Akademie der bildenden Künste), als Rat der niederösterreichischen Landesregierung (1773) arbeitet er nach Pariser Vorbild eine moderne Polizeiordnung für Wien aus und als Beleuchtungsdirektor (1776) macht er die Residenzstadt durch besoldete und uniformierte Laternenanzünder zur bestbeleuchteten Stadt Europas (was Maria Theresia 1780 mit einem Hofrattitel honoriert). 1777 übernimmt er die Leitung der Realzeitung der Wissenschaften, Künste und Commerzien, um sich wieder ein Medium zu schaffen, dringende gesellschaftliche Probleme auch öffentlich zur Diskussion zu bringen. Bereits seit den sechziger Jahren tritt er in Wochenschriften und Denkschriften ja entschieden auf gegen Folter und Todesstrafe (die 1776 bzw. 1781 – vorübergehend – nicht zuletzt aufgrund seiner Bemühungen abgeschafft werden), gegen Schwächen des Bildungssystems und des Kirchenrechts, gegen Halbbildung und Sprachfehler u.a.m.. Seine Bemühungen um eine gereinigte Hochsprache würdigend, vertraut ihm Joseph II. 1781 die stilistische Redaktion der neu erstellten Gesetzestexte an, u.a. auch die Ergebnisse der ‚Kompilations-Kommission’ zur Sammlung, Bearbeitung und Interpretation der Gesetze, deren Mitglied er bereits unter Maria Theresia war. In seiner Funktion als Stilexperte ist er auch für die sprachliche Glättung des ‚Juden-Toleranzpatents’ Joseph II. verantwortlich; für inhaltliche Fragestellungen wurde er indes nicht in dem Maß zu Rate gezogen, wie es in der älteren Forschung zum Teil propagiert wurde. Mit seinen stilistischen Empfehlungen für private und öffentliche Bereiche prägte er allerdings nachhaltig den Umgang mit der deutschen Sprache im Habsburgerreich nicht nur im Bereich der Bürokratie.
1782 wird Sonnenfels in die elitäre Loge „Zur wahren Eintracht“ unter dem ‚Meister vom Stuhl’ Ignaz von Born (dem Vorbild für Mozarts Sarastro) inkorporiert. Fasziniert von ihren aufklärerischen und humanistischen Idealen, macht er auch hier schnell Karriere: er wird zunächst Redner, im folgenden Jahr deputierter Meister, begründet ein Journal für Freymaurer, in dem die wichtigsten Vorträge der Loge veröffentlicht werden und ist maßgeblich am Aufbau der österreichischen Landesloge beteiligt. Doch führt sein ambitiöses und selbstherrliches Verhalten zu Spannungen mit Born, die wieder literarische Invektiven gegen Sonnenfels (wie etwa Johann Alxingers Die Musen in Wien auf dem Salzgriess im Hanswurstischen Hause) mit sich bringen. Diese Streitigkeiten, vor allem aber Josephs reglementierendes Freimauer-Patent veranlassen Sonnenfels 1786 aus der Loge wieder auszutreten. Seine tatsächliche Funktion beim Illuminatenorden, einem den Freimaurern verwandten, 1785 verbotenen Geheimbund zur Beförderung der Prinzipien der Aufklärung, ist noch ebensowenig geklärt wie seine Beziehung zur jüdisch-mystischen Bewegung des Sabbatianismus, dem auch sein Großvater angehörte (und der in Nikolsburg eine zahlreiche Anhängerschaft hatte).
1791 sucht Sonnenfels bei Leopold II. um sein Ausscheiden aus den akademischen Lehrverpflichtungen an, wohl auch, weil die politischen Wissenschaften mit der vom Kaiser veranlaßten Auflösung der Studienhofkommission einiges an Stellenwert einbüßen. Gleichwohl schätzt auch Leopold die Fähigkeiten des Hofrats und beauftragt ihn u.a. mit der Restrukturierung des Polizeiwesens nach toskanischem Muster. Obwohl in akademischen Kreisen vielfach angefeindet, wird er 1794 zum Rektor der Wiener Universität gewählt, zwei Jahre später bestellt man ihn für eine weitere Amtszeit. Unter Franz II. ist er in verschiedenen Kommissionen tätig (u.a. seit 1795 als Vorsitzender der Kommission zur ‚Reinigung des Talmud’) und avanciert 1808 – seit zwei Jahren ist er auch Ehrenbürger der Stadt Wien – zum Vizepräsidenten der neugegründeten politischen und kameralistischen Sektion der Kompilationskommission. Sein letztes repräsentatives Amt übernimmt er 1811 als Präsident der Akademie der bildenden Künste, deren Sekretär er ja mehr als vier Jahrzehnte gewesen ist. Bis zuletzt zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen literarisch tätig und vielfach geehrt, stirbt Sonnenfels 85-jährig am 25.4.1817 in Wien.
Auch wenn das Werk des Freiherrn von Sonnenfels im ausgehenden 19. Jahrhundert zumal von katholisch-konservativer Seite eine großteils negative Beurteilung erfährt, bleibt unbestritten, daß er sich in vielen Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen Leben nicht zu übersehende Verdienste erworben hat. Als erster zum Christentum konvertierter Jude in einer höheren administrativen Stelle, ist er an der Modernisierung des rechtsstaatlichen Systems Österreichs ebenso beteiligt wie an der Reformierung des Verwaltungsstaats. Ihm ist es anzurechnen, daß 1784 die Polizei- und Kameralwissenschaft in die Rechtsfakultät eingegliedert wurde und das juridische Studium damit zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt politik- und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte integrierte. Mit seinen Lehrwerken prägte er Generationen von österreichischen Juristen, mit seinem stilistischen Regelwerk reformierte er die österreichische Amts- und Rechtssprache. Daß er in Fragen der Literatur aufgrund aufklärungsoptimistisch überzogener Reformvorstellungen (ähnlich wie Gottsched) letztendlich am Eigentlichen des Theaters vorbeiging, mag in seiner relativen Unerfahrenheit in dramaturgischen Belangen ebenso gründen wie im selbstkritiklosen Glauben an seine Bestimmung als arbiter elegantiae. Immerhin bereiteten sein vehementes Eintreten für eine ‚regelmäßige’ Nationalbühne und seine Bemühungen zur Hebung der Schauspielkunst den Boden für die Etablierung des Burgtheaters als lange Zeit maßgeblicher Bühne im deutschsprachigen Raum. Und indem sich das Volkstheater gezwungen sah, sein traditionelles Formenrepertoire zu reformieren und an die veränderten Produktions- und Rezeptionsbedingungen anzupassen, wurde die Basis gelegt für die erfolgreiche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte. Seine wenigen eigenen lyrischen und dramatischen Versuche waren schon zu seinen Lebzeiten vergessen.
(Christian Neuhuber, Olmütz)