Rudolf Rittner wurde als zweiter Sohn des Grundbesitzers und Bürgermeisters Franz Rittner (1842 – 1916) in Weißbach, einem kleinen Dorf unweit von Jauernig geboren. Mit 12 Jahren schickten die Eltern den begabten Jungen an das Musikkonservatorium nach Wien, wo er von September 1881 bis Jänner 1887 Geigen-und Oboenunterricht hatte und sofort im Jänner 1887 in die Schauspielschule des Konservatoriums übertrat. Im Sommer 1888 beendete Rittner erfolgreich das Schauspiel-Konservatorium und trat sein erstes Engagement am Residenztheater in Hannover an. Die Theater-Saison 1889/90 wirkte er am Olmützer Theater. Nach kurzen Aufenthalten in Karlsbad, Preßburg und Temešvar gelangte er in das Residenztheater nach Berlin, wo ihn der Regisseur Sigmund Lautenberg engagierte und hier begann Rittners 16-jährige Tätigkeit.
Das Berlin Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts war das Zentrum der neuen geistigen Kultur, repräsentiert hauptsächlich von den hiesigen Dramatikern Max Halbe, Hermann Sudermann und vor allem Gerhard Hauptmann.
Der Freundeskreis der jungen Naturalisten nahm ihn im Sommer 1892 auf, zusammen mit den Malern Lovis Corinth (von ihm stammt das bekannte Bild Rittners als Florian Geyer) und Walter Leistikov. Rittner stellte sein außerordentliches schauspielerisches Talent ganz in die Dienste der neuen Strömungen, um erbarmungslos das Spießbürgertum zu entlarven. Im Jahre 1893 spielte er die Hauptrolle in Max Halbes Jugend. Das Drama feierte einen großen Erfolg und Rittner wurde sofort an Brahms Deutschem Theater engagiert (1894). Unter seiner Regie, die Rittner wegen der naturalistischen Methoden völlig entsprach, schuf Rittner eine ganze Reihe von imponierenden Figuren, hauptsächlich in Hauptmannschen Dramen, wie in Fuhrmann Henschel, Rose Bernd, Florian Geyer oder in der Rolle des Moritz Jäger in Die Weber.
Viele Stücke von Hauptmann rettete Rittner durch seine Kunst vor Misserfolg und mit Hauptmann verband ihn eine lebenslange Freundschaft (siehe: Šolle, Zdeněk: Slezský přítel Gerhardta Hauptmanna). Im Jahre 1905 zerwarf sich Rittner mit Brahm und ging zurück ans Deutsche Theater von Max Reinhardt, wo er große Erfolge mit Florian Geyer feierte. Zum letzten Mal stellte er diesen Dramenhelden 1907 in Wien dar, woraufhin er die Theaterwelt verließ und in seine Heimat zurückkehrte, wo er sich der schriftstellerischen Tätigkeit widmen wollte. Die Bühne verließ Rittner unangekündigt auf dem Gipfel seiner Laufbahn, obwohl er seinen Abgang vom Theater seit langem vorbereitet hatte (s. Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1896).
In Weißbach hatte er ein Grundstück von ca. 15 ha käuflich erworben, das Wohnhaus ließ er zu einem Schlösschen umbauen. Rittner erreichte auf seinem Gut den langersehnten Frieden und die Freizeit in der Hoffnung, dass er zu einem großen Volksdichter reifen werde. Doch bald erkannte er, dass er sich in Weißbach langweilte und tief unzufrieden fühlte. Nur in den Jahren 1912 – 1914 verließ er das Dorf, um in Berlin das Lessing-Theater nach Brahms Tod zu leiten. Der Erste Weltkrieg und der Tod seiner beiden Eltern im Jahre 1916 und 1918 verschlechterten seinen Gesundheitszustand. Seine schwierige finanzielle Situation zwang ihn, auf Aufforderung seiner Freunde Hauptmann und Heinemann, die Arbeit beim Film aufzunehmen. Im Jahre 1922 trat er als Führer Rumont im Graf von Charolais auf, weitere Stummfilm-Rollen waren z. B. Belingbrok in Ein Glas Wasser, Owe Heiken in Zur Chronik von Grieshuus oder Rüdiger von Berlach in den Nibelungen. Einen großen Filmerfolg bedeutete die Hauptrolle als Hans Sachs in dem Film Meistersinger von Nürnberg. Im Jahre 1929 machte er sich seine Erfahrungen aus der Rolle des Florian Geyer während der Heidelberger Spiele als Regisseur dieses Dramas zu Nutze und in den 30er Jahren arbeitete er gelegentlich mit dem Rundfunk in Berlin und Breslau zusammen, doch eine doppelte Operation im Jahre 1934 zwang ihn zur Beendigung dieser Arbeit. Der alternde Künstler schloss sich immer mehr von der Welt ab und verstarb am 4.2.1943 in Weißbach.
Rittner war als Mensch und Schauspieler Perfektionist und bemühte sich ehrgeizig Vollkommenheit auf der Bühne als auch in zwischenmenschlichen Beziehungen zu erreichen. Als Schauspieler beherrschte er seine Stimme perfekt. Seine Freunde schätzten ihn für sein Gerechtigkeitsgefühl und seinen Sinn für Humor. Sein Lebensmotto stammt aus seinem Drama Narrenglanz: „Lobe Gott und hilf dir selber”. Der Anfang seiner Schaffensphase beginnt in den 90er Jahren. Im Wiederfinden und im Narrenglanz wird die künstlerische Welt mit den Augen eines alleinstehenden Schauspielers betrachtet. Es handelt sich um ein Dokument des allmählichen Abklangs des Naturalismus, den er als Schauspieler verkörperte. Er bemüht sich um den sogenannten „erweiterten Naturalismus”, d. h. das Bauerntum in vielseitigen Beziehungen zur Stadt darzustellen, das Bauerntum als Erbe der alten Höfe und der schönen Poesie (nahe zu der Blut- und Bodenliteratur). Sein Schaffen ist mit der „Heimatliteratur”, mit dem Glauben in den germanisch-slawischen Mythos eng verbunden, wobei auch in der Bauernwelt Kleinmut und Neid vorkommen.
An Wiederfinden arbeitete Rittner seit dem Jahre 1899 und im Jahre 1901 wurde das Drama herausgegeben. Es behandelt das Leben des Komponisten und Librettisten Wolfgang Hartmann und der Chansonsängerin Else Doldner im Künstlermilieu und die problematische Beziehung des Künstlers zu seinem Beruf. Er sucht nach Werten, die ihm ein Gefühl der Heimat vermitteln, vernachlässigt dabei jedoch Elsa, die Selbstmord begeht. Der Autor projizierte viele autobiographische Züge in die Hauptfigur und begründete damit die Entscheidung, die Schaubühne zu verlassen und nach Weißbach zurückzukehren.
Im März 1901 wurde das Drama fünfmal auf der Bühne des deutschen Theaters aufgeführt und einmal in Breslau, sonst blieb das Werk erfolglos.
Die Konzeption des Dramas Narrenglanz war im Jahre 1903 fertig, das Drama selbst im Jahre 1904. Das Hauptthema ist die Frage nach dem Wert der Schauspielerkunst. Als historische Kulisse wurde die Zeit des Bauernkrieges im 16. Jahrhundert gewählt. Der Hofnarr Wolf entblößt durch seinen Beruf die Tiefen seines menschlichen Inneren und verkauft ständig sein Ich vor Publikum. Aufgrund des Verlusts seiner Ehre, die er über alles schätzt, muss er sterben. Er wird sich seiner sozialen Stellung als leiblicher Untertan des Fürsten bewusst und verliert zugleich die Liebe einer von ihm schwangeren Adeligen, die aus Not einen Junker heiratet.
Das Drama hatte am 2.3. 1907 seine Premiere im Berliner Schiller Theater – Ost und wurde siebenundzwanzigmal aufgeführt. Dieses Drama ist weniger sentimental und verfügt über eine größere dramatische Spannung.
Der Einakter Kälte entstand während eines Monates im Winter 1912 und spielt an einem Winterabend. Ein Mann wird während seines Nachdenkens durch die Anwesenheit eines Tannweibels gestört. Sie beginnen miteinander ein Gespräch zu führen. Rittner hält hier eine Rede mit seiner inneren Stimme über seinen Abgang nach Weißbach und die Begründung seiner Rückkehr nach Berlin (die Leitung des Theaters nach Brahms Tod). Rittner wiederholt aber seine alten Fehler - weitschweifende Dialoge.
Der Einakter ohne Namen schildert das Treffen eines alten Musikers mit seiner alten Liebe. Die Frau kommt und reißt den Mann aus seiner Tätigkeit heraus. Sie regt ihn zum Nachdenken über sich selbst an. Er erkennt die negative Seite seines Künstlerlebens – als Künstler hat er sich sein ganzes Leben lang der Kunst gewidmet und ist doch innerlich einsam geblieben. Die Dekadenzgefühle, die die männliche Figur ausspricht, sind typisch für den Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der letzte Einakter Dorf – Weihnachtsspiel ist in Berlin im Jahre 1912 entstanden. Rittners Äußerung nach geht es hier um die Verknüpfung des Realismus mit Elementen des Bauerntums und schlesischer Sagen. In einer schlesischen Schenke während des Heiligen Abends sitzen der Jäger Hannes und die Wirtsfrau, die sich um die Rückkehr von Hannes zu seiner Familie bemüht. Nachdem der betrunkene Hannes seine kleine Tochter grob abweist, kommt ein Bergmännlein in die Schenke, das den Mund und die Nase von Hannes mit einer Salbe bestreicht. Diese verursacht, dass Hannes das Bier wie Jauche zu schmecken beginnt. Das Stück ist den naturalistischen Gewohnheiten nach von ausführlichen Regieanweisungen begleitet und die Volkssprache rutscht sehr oft ins Vulgäre. Das ganze Stück stellt ein pseudovölkisches Sentiment der Weihnachtsidylle dar.
Alle Dramen Rittners weisen eine sehr ähnliche Thematik, Struktur und ähnliche Fehler auf. Die handelnden Personen sind durch ihr Milieu determiniert, das häufigste Thema ist die Künstler-Bürger-Problematik, es tauchen neuromantische Züge in den Gestalten des Bermännleins und des Tannweibls auf. Die Dramen sind stark sentimental gefärbt und leiden an Übertriebenheit. Der gemeinsame Charakter der Helden ist die ewig suchende Unruhe und Unzufriedenheit des Künstlers und die Nicht-Vollendung der Liebesbeziehung. Die Haupthelden sind durch den bäuerlichen Ursprung determiniert und leiden am steten Heimweh. Sie tragen stark autobiographische Züge. Rittners Inspiration durch Hauptmann ist klar und sein Werk steht der Gattung der Heimatliteratur sehr nahe.