Um das literarische Schaffen der Schriftstellerin Marianne Wintersteiner würdigen zu können, muss man sich dessen bewusst sein, dass sie ihrem Wesen nach tief im Urgrund ihrer nordmährischen Heimat verwurzelt war. Die Vorfahren der als Marianne Portisch geborenen Schönbergerin stammen aus dem Teßtal sowie der näheren und weiteren Umgebung von Mährisch - Schönberg und waren vor allem Bauern und Handwerker. Ihr Vater war zuletzt Abteilungsleiter einer großen Firma in Mährisch - Schönberg, ihre Mutter als Modistin Landesinnungsmeisterin des Sudetenlandes.
Marianne besuchte die Bürgerschule in Mährisch - Schönberg, genoss die Gemeinschaftserziehung eines Mädchenpensionats in Hohenstadt und leistete anschließend ein „soziales Pflichtjahr“ in Deutschland. Als Teilnehmerin eines Lehrganges der Turnschule in Asch (Westböhmen) wurde sie Schriftleiterin der Mädchenzeitschrift des Deutschen Turnvereins in der Tschechoslowakischen Republik. Die kritischen Verhältnisse von 1938 veranlassten sie dazu, in Berlin eine Bleibe zu suchen, wo sie die Hochschule für Leibesübungen absolvieren wollte. Wegen einer Sportverletzung gelangte sie in das Sanatorium Hohenlychen im östlichen Mecklenburg. In der Nachbarschaft von Lychen, am Carwitzer See, wohnte damals bereits der Romancier Hans Fallada, der Marianne dazu ermunterte, ihren schriftstellerischen Neigungen zu folgen.
Als Zwanzigjährige schrieb sie ihren ersten Roman, Ein heißer Sommer, der wegen kriegsbedingter Umstände 1942 nicht erscheinen konnte, obwohl ihn Fallada seinem Verlag empfohlen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg von mehreren Verlagen als „zu sudetendeutsch“ abgelehnt, konnte er jedoch unter dem Titel Helenenhof angeboten werden.
Die Vertreibung aus der Heimat brachte für Marianne mancherlei Komplikationen mit sich. Sie machte eine Ausbildung zur Rotkreuzschwester und arbeitete als Erzieherin in dem Landschulinternat Schloss Gaibach bei Volkach. 1957 heiratete sie den Germanisten Gerhard Wintersteiner, einen Heimatvertriebenen aus Brünn, der im Schuldienst tätig war. Seit Jahrzehnten lebte die Familie, bis zu einigen Enkeln angewachsen, in Lindberg, einem Stadtteil von Zwiesel, im Hinteren Bayerischen Wald, der jenseits der Staatsgrenze bekanntlich Böhmerwald heißt. Über die familiären Verhältnisse hinaus widmete sich Marianne mit großem Eifer ihren schriftstellerischen Aktivitäten.
Ehe der Tag begann (1976) nennt sich ein Roman mit unverkennbar autobiographischen Bezügen. Und freundlich lächelt der Morgen (1977), ein Roman etwa aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und der unmittelbar folgenden Nachkriegsjahre, beschreibt Ereignisse aus Mährisch-Schönberg und gilt als erster Teil einer Familiengeschichte. Zusammen mit den Romanen Katzengold (1979) und Alles ist Wiederkehr (1984) entstand so eine lose zusammengefügte Trilogie, um die Familiengeschichte zu erfassen, deren Schicksalsweg im dritten Band bis in die Epoche der Vertreibung und der sich anschließenden Existenzgründung weitergeführt wird.
Die Gemeinde Tattenitz, westlich von Hohenstadt, ist der Ausgangspunkt für den Roman Maries Seidenschuhe (1984) mit der Schilderung eines typischen Dienstbotenlebens, mit dem Schicksal einer Magd „vom Lande“ um die Jahrhundertwende, die bis zur Köchin einer vornehmen Herrschaft in Wien aufsteigt und damit den Gipfel ihrer Traumkarriere erklimmt.
Das Tal der Hexen (1984) ist zweifellos identisch mit dem Tal der Teß, also wiederum mit der Heimat der Autorin, die damit einen Beitrag zur Darstellung der Hexenverfolgung in Mährisch - Schönberg geleistet hat. Schon vor Marianne Wintersteiner hatte sich Marie Knitschke mit obiger Thematik befasst. Auch in die tschechische Literatur der Nachkriegszeit fand der Hexenwahn Eingang. 1963 veröffentlichte Václav Kaplický seinen historischen Roman mit dem Titel Kladivo na čarodějnice (Der Hexenhammer). Viel Heimatliches haftet auch dem Roman Bezaubernde Felicitas (1990) an.
Eine Art Überleitung aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in die Nachkriegszeit stellt die Geschichte eines sudetendeutschen Waisenkindes dar unter dem Titel Elischka (1993). Elischka wird 1945 durch einen Tschechen gerettet und ihr Lebensweg wird bis in die achtziger Jahre weiterverfolgt.
Als Sudetendeutsche hatte Marianne Wintersteiner auch Verständnis für andere Volksgruppen mit tragischer Geschichte und Existenzproblemen. Den Kärntnern und ihrem Slowenenproblem widmete sie den Roman Wen die Stürme fassen (1977), und in Anlehnung an tatsächliche Begebenheiten entstand Die goldene Brücke (1979) zum Gedenken an das Schicksal der Wolyniendeutschen, ebenso wie Die Schwabenbraut (1986).
Literarische Denkmäler setzte Marianne Wintersteiner einzelnen Frauen von geschichtlichem Format oder mit Vorbildfunktion. Der historische Roman Verena und der Kardinal (1981) behandelt das kämpferische Leben der aus dem Schwabenland stammenden Äbtissin Verena vom Kloster Sonnenburg bei Bruneck in Südtirol und ihre Auseinandersetzungen mit dem Kardinal Nikolaus Kusanus von Brixen. Zu den Frauen, die an der Seite bedeutender Männer ihre Größe erlangt haben, zählen Katharina Luther und Anna Magdalena Bach. Marianne Wintersteiner hat ihr Leben in den Romanen Luthers Frau, Katharina von Bora (1983) und Willst du dein Herz mir schenken (1984) historisch-biographisch dargestellt.
Der Roman Die Baronin (1984) ist der Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner gewidmet. Gott hat sie mir gegeben (1985) ist die Geschichte der Liebe zwischen dem Erzherzog Johann und der Anna Plochl. Chronologisch nach dem Erscheinen muss sodann die Rabenzeit - Die Hexe von Salzburg (1985) genannt werden, das das Schicksal der Elisabeth von Degenau nach historischen Tatsachen frei erzählt.
In dem Roman Prinzessin Courage (1986) lernen wir Marie Leopoldine von Habsburg-Este kennen, eine Enkelin Maria Theresias. Auf den Spuren der Hocharistokratie wandelt man auch mit der Markgräfin Wilhelmine und ihrem Bruder Friedrich dem Großen, der Wilhelmine als Meine Schwester in Bayreuth (1987) apostrophiert. In dem Roman Die Amme des Zaren (1987), in dem die Amme und Erzieherin Agra eine entscheidende Rolle spielt, breitet die Autorin ein Sittengemälde aus dem Russland des 16. Jahrhunderts aus. Auch Guta von Habsburg (1994) führt in die Hocharistokratie. Guta ist die Tochter Rudolfs II., die als Siebenjährige mit Wenzel II. von Böhmen verheiratet wurde.
In einer weiteren Gruppe von Romanen werden Vertreterinnen aus Literatur und Kunst vorgestellt. Das Glanzlicht (1988) beschreibt die Schriftstellerin Clara von Nordström, der Band Lou von Salomé (1988) bezieht sich auf Lou Andreas-Salomé, Ein kleines Lied, wie fängt's nur an ... (1989) auf Marie von Ebner-Eschenbach, Lola Montez (1990) auf die Tänzerin Lola Montez und Anna Maria und Nannerl Mozart (1991) auf Mozarts Mutter und seine Schwester.
Als Romane mit recht freier Thematik wären zu nennen: Vierhändig zu dritt (1986), Die Leute von Buchenau (1990), auch als Vorlage für einen Fernsehfilm verwendet (2004), Der Schnitzer von Einödhof (1989), Das Silberne Medaillon (1990, 1993), Der Erbe des Dornleitenhofes (1992), Die Magd Valerie (1991), Pfad der Liebe (1995), Schloß Tramin (1997) und Die Schwiegermutter Europas (1997).
Zu ihren Jugendbüchern zählen: Annemone (1975), Die Bayerwaldkinder in Berlin (1977), Annemones sonderbare Freundin (1979), Sabine (1980) sowie Sabines geheimnisvolle Freundin und Sabine im Internat (1982).
Erzählungen bzw. Kurzgeschichten wurden zusammengefasst unter dem Titel Der Liebe festes Band (1986) und in der Sammlung Lach a Bißl, Zwiderwuzn! (1978). Lyrik enthält das Bändchen Der helle Himmel über mir (1988). Der Vollständigkeit halber sei noch vermerkt, dass viele Bücher in mehreren Auflagen oder verschiedenen Ausgaben erschienen sind – vom Zeitungsroman bis zum Taschenbuch.
Für ihre schriftstellerischen Aktivitäten wurde Marianne Wintersteiner mehrfach ausgezeichnet. Hervorzuheben sind: der Kulturpreis für Schrifttum der Sudetendeutschen Landsmannschaft (1979), der Ehrenbrief der Stadt Mährisch-Schönberg (1980), der in Bad Hersfeld verliehen wird, und die Adalbert-Stifter-Medaille (1990).
Zusammenfassend darf man festhalten, dass Marianne Wintersteiner unter den literarisch Tätigen des Ostsudetenlandes ganz gewiss zu den besonders produktiven gezählt werden muss und dass sie sich einen Ehrenplatz unter den literarisch Schaffenden der jüngsten Vergangenheit gesichert hat. (Josef Walter König, Donauwörth)
Marianne Wintersteiner, als Marianne Portisch geboren, war eine deutsche Schriftstellerin. Sie stammte aus Nordmähren und ihre literarischen Werke sind sehr fest mit ihrer nordmährischen Heimat verwurzelt.
Als Zwanzigjährige schrieb sie ihren ersten Roman, Ein heißer Sommer, der wegen kriegsbedingter Umstände 1942 nicht erscheinen konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg von mehreren Verlagen als „zu sudetendeutsch“ abgelehnt, konnte er jedoch unter dem Titel Helenenhof angeboten werden. Nach der Vertreibung aus ihrer Heimat macht sie die Ausbildung zur Rotkreuzschwester und arbeitete als Erzieherin in dem Landschulinternat Schloss Gaibach bei Volkach. Im Jahr 1957 heiratete sie den Germanisten Gerhard Wintersteiner.
Marianne Wintersteiner schrieb vor allem historische Romane. Die Hauptfiguren waren meistens bedeutende Frauen der Geschichte, wie Katharina Luther (in dem Roman Katharina von Bora, 1983) oder Guta von Habsburg (Guta von Habsburg, 1994).
Andere Romanen stellen wichtige Persönlichkeiten aus dem Bereich Kultur und Kunst dar, wie Lou von Salomé, 1989. Sie schrieb aber auch Lyrik, z. B Der helle Himmel über mir, 1988 und kürzere Erzählungen oder Bücher für Jugendliche, z. B. Sabines geheimnisvolle Freundin.