Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau, geboren im großen Palais Kinsky am Altstädter Ring, in welchem Jahrzehnte später Hermann Kafka einen Galanteriewarenladen betrieb, stammte aus einem alten böhmisch-österreichischen Adelsgeschlecht, das erstmals 1237 erwähnt wurde und das vielfach in die böhmische Geschichte involviert war - ein Ahne, Ulrich von Kinsky, hatte 1618 mitgeholfen, die kaiserlichen Beamten am Hradschin aus dem Fenster zu werfen, ein anderer, Wilhelm von Kinsky, war Obrist im Heere Wallensteins gewesen und wurde mit diesem am 25. Februar 1634 in Eger ermordet. Der Vater, Franz Joseph von Kinsky, kaiserlicher Feldmarschall-Leutnant und wirklicher Kämmerer wie seine drei Brüder, starb siebzigjährig vor der Geburt der Tochter und hinterließ einen sechsjährigen Sohn Arthur und die Mutter Sophia Wilhelmine Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau, die aus der spät geadelten Familie Körner aus Dresden stammte und niemals als ebenbürtig von der Prager Verwandtschaft anerkannt wurde.
Die Kinskys gehörten in Böhmen zu den deutsch-österreichischen Familien. Die deutsche Sprache verband sie mit dem Wiener Hof, ohne dass sie dabei nationalen Gedanken zugeneigt waren. Der Adel verachtete meist die bürgerlichen Nationalismen, hielt sich von Gelehrsamkeit und demokratisch-politischen Aktionen fern und blieb dem Kaiser und dem Kaiserhaus über den Untergang von 1918 hinaus treu ergeben.
Die Mutter Berthas folgte nach dem Tode ihres Mannes ihrem und der Kinder Vormund Landgraf Friedrich von Fürstenberg nach Brünn, wo Bertha behütet bis 1852 aufwuchs. Prägend für ihre Entwicklung war in begrenztem Umfang ihre Cousine Elvira (†1866), die mit ihrer gleichfalls verwitweten Mutter mit den Kinskys die Wohnung teilte, als frühreife „Dichterin“ hervortrat und auch Bertha zum Schreiben animierte (1849 schrieb die Sechsjährige eine erste Novelle). Prägend war das von Spielleidenschaft bestimmte Leben der Mutter und der Tante, prägend bis zum Überdruss war auch das typische Komtessenleben, das sie in diesen Jahren von Vergnügung zu Vergnügung führte und gegen das sie eine tiefe Abneigung entwickelte, zumal sich bald abzeichnete, dass die Mutter das kleine Familienvermögen verspielt hatte. Prägend war für die junge Komtesse vor allem die Welt der Literatur, die sie sich, oft gemeinsam mit Elvira, lesend erschloss: Shakespeare, Schiller, Goethe, Uhland, Körner, Hölderlin, Victor Hugo, Grillparzer, Lord Byron, Shelley, George Sand, Balsac, Corneille, Racine, Molière waren ihr früh ebenso vertraut wie die bekannten Autoren trivialer Belletristik wie Anastasius Grün oder Alexander Dumas. Besonders naturwissenschaftliche und philosophische Schriften (Kant, Hegel, Fichte) las sie gründlich.
Ein Hochschulstudium war in diesen Jahren für eine junge Dame unvorstellbar, auch wenn sie fließend Englisch, Französisch und Italienisch beherrschte. Die einzige Karriere, die sich einer jungen Adeligen bot, war die Ehe. So richteten sich auch alle Bestrebungen der Mutter dahin, der Tochter nach der Übersiedlung nach Wien eine „gute Partie“ zu vermitteln. Diese Bemühungen erwiesen sich jedoch als wenig erfolgreich: 1861 löste Bertha eine erste Verlobung mit einem uns heute unbekannten Adeligen; die Verbindung mit dem wohlhabenden Bruder Heinrich Heines - Baron Gustav von Heine-Geldern - scheiterte am Altersunterschied; die Verlobung mit einem Schwindler wurde gelöst, als der Bräutigam feststellte, dass die Braut unvermögend war, und die letzte versuchte Bindung an den Prinzen Adolf von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein fand keine Erfüllung, da der Prinz 1872 bei der Überfahrt nach Amerika starb. Bertha von Kinsky war auf dem besten Weg, eine unverheiratete Jungfer zu werden.
1873 trat Bertha von Kinsky im Hause des Barons Ritter Carl von Suttner die Stelle einer Gouvernante für die vier heranwachsenden Töchter an und verbrachte die Sommertage mit der Familie auf deren Sitz Schloss Harmannsdorf. Bald entwickelte sich eine Liebesbeziehung zu dem viel jüngeren Sohn des Hauses, Arthur Gundaccar von Suttner (1850 - 1902). Als diese bekannt wurde, verließ Bertha von Kinsky die Familie und nahm eine Anstellung als Sekretärin bei dem schwedischen Industriellen und Erfinder des Dynamits Alfred Nobel (*21.10.1833 in Stockholm; †10.12.1896 in San Remo) in Paris an. Dieser hatte sich aus einfachen Verhältnissen emporgearbeitet, beherrschte neben der schwedischen Muttersprache Russisch, Deutsch, Englisch und Französisch, hatte als Autodidakt Chemie studiert und war bald im Besitz von über 350 Patenten. Die Erfindung des Dynamits - „Nobel's Safe Gun Powder“ - weckte in ihm die Hoffnung, dass künftige Kriege durch Abschreckung unmöglich würden. Bertha von Kinsky, die sich zunehmend der Friedenspolitik zuwandte, war nur kurze Zeit bei Nobel in Paris tätig, doch blieb die Verbindung zwischen ihr und dem Industriemagnaten bis zu seinem Tode erhalten. Bald wurde Nobel der wichtigste Mäzen der Friedensbewegung Bertha von Kinskys.
Als Bertha von Kinsky in Paris einen Brief Arthur von Suttners erhielt, in dem er seine Einsamkeit und Sehnsucht beklagte, eilte sie nach Wien, wo am 12.06.1876 die geheime Hochzeit der beiden stattfand. Da die Familie Suttner nicht bereit war, Bertha in die Familie aufzunehmen, nahm das junge Paar eine Einladung der Fürstin (Dedopoli) Ekaterina Dadiani von Migrelien an und reiste in den Kaukasus. Bertha erteilte Klavier-, Gesangs- und Sprachunterricht, Arthur entwarf Tapeten und arbeitete als Buchhalter. Als 1877 der russisch-türkische Krieg ausbrach, gingen die Arbeitsmöglichkeiten rasch zurück. Um den Lebensunterhalt zu gewährleisten, begann Bertha von Suttner zu schreiben. Rasch wurde sie eine bekannte Schriftstellerin, deren Beiträge in populären Zeitschriften (z. B. Neue Illustrierte Zeitung; Über Land und Meer; Die Gartenlaube; Berliner Tagblatt) und als Fortsetzungsromane (z. B. Es Löwos) erschienen. Auch sozialphilosophische Texte (z. B. Wahrheit und Lüge; Inventarium einer Seele, 1883), die unter dem Einfluss der Evolutionslehre Charles Darwins (1809 - 1882) und des Monismus Ernst Haeckels (1834 - 1919) entstanden, veröffentlichte sie in diesen Jahren. Auch Arthur von Suttner trat in diesen Jahren als Schriftsteller an die Öffentlichkeit.
Als das Ehepaar Suttner 1885 wieder nach Österreich zurückkehrte, wurde es von der Familie Arthurs aufgenommen; Bertha und Arthur von Suttner ließen sich in Harmannsdorf nieder und wurden rasch durch die Verlagshonorare zu Ernährern der gesamten Familie. Die Honorare reichten jedoch zum Unterhalt keineswegs aus, und das Gut wurde immer weiter verschuldet. Jetzt begann Bertha von Suttner mit einem vielfältigen Romanschaffen, das ihr große Anerkennung brachte. Da es jedoch für eine Dame der Gesellschaft unschicklich war, als Autorin hervorzutreten und dazu die von ihr aufgegriffenen Themen kontrovers waren, publizierte sie ihre Werke bis 1888 unter dem Pseudonym „B. Oulot“ und den Roman Das Maschinenzeitalter (1888) unter dem Pseudonym „Jemand“. Noch stark an die literarische Tradition gebunden und abhängig von Gedanken Ernst Haeckels, Herbert Spencers und Henry Thomas Buckles veröffentlichte Bertha von Suttner die romanhafte Schrift Inventarium einer Seele (1883) und würdigte Henry Dunants (1828 - 1910) Gründung des Roten Kreuzes, doch setzte sie gegen dessen Gedanken, die Kriegsleiden zu mildern, die Forderung, die Ursachen der Kriege überhaupt zu beseitigen.
In den folgenden Jahren trat Bertha von Suttner in Verbindung mit dem Politiker Bartolomäus von Carneri auf, der sie in der Friedenspolitik bestärkte und mit Rudolf von Hoyos und Balduin Grotter, die beide Beiträger des Illustrierten österreichischen Volkskalenders waren, reiste sie 1885 zur Konferenz des Deutschen Schriftstellerverbandes, wo sie für ihre Friedensgedanken warb. Die Zuwendung zum Deutschen Schriftstellerverband führte zur Gründung der Österreichischen Literarischen Gesellschaft, in deren Publikationsreihe Suttners Roman Vor dem Gewitter (1894) als Band 1 erschien. Als sie sich 1895 aus dem literarischen Vereinsleben zurückzog, verlor die österreichische Vereinigung rasch ihre Bedeutung. Zunehmend stand Bertha von Suttner der unverbindlich literaturverliebten österreichischen Aristokratie, die vornehmlich dem Militär und der Rüstungspolitik verpflichtet war, kritisch gegenüber. In dem Roman High-life (1896) hat sie die Geistigkeit der Aristokratie charakterisiert:
In der hiesigen Atmosphäre herrscht ein seliges Nichtwissen all der Dinge, die das Jahrhundert bewegen. Die Entwicklung, die die Sozialwissenschaft zu nehmen beginnt, wird als „Sozialismus“ in die Verbrechenskategorie gereiht, und man setzt ruhig voraus, daß ein paar Ausnahmegesetze damit fertig werden. Die Bewegung der Wissenschaft, die nach allen Seiten die Darwinsche Methode anzuwenden strebt, wird als lächerliche Gelehrtenschrulle unbeachtet gelassen; das Werk der Kritik, das sich mit unwiderstehlicher Zersetzungskraft an alte Glaubensüberlieferungen herannaht, wird unter dem Vorwand: „über heilige Dinge soll man nicht diskutieren“, als verbotener Gegenstand nicht einmal der Gegenwehr gewürdigt; die Tendenz, welche in Literatur und Kunst nach immer größerem Realismus führt, wird nicht wahrgenommen, denn zum Lesen hat man einmal wenig Zeit [...] (High-life, S. 210 f.)
Neu in dem Roman High-life ist der Realismus der Darstellung. Nicht ästhetisierende Gestaltung, sondern Wahrheit und Wissenschaftsorientierung sind die literarischen Ziele. In diesem Zusammenhang hat man auf die Anfänge des politischen Tendenzromans und auf die Vorbildwirkung des Sklavenromans von Harriet Beecher-Stowe (Onkel Toms Hütte) verwiesen. Realistische Elemente prägen auch den Schriftsteller-Roman (1899). 1888 sorgte Bertha von Suttner mit dem Roman Das Maschinenzeitalter - Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit für großes Aufsehen. Gegen die konservativ-historisierende Gegenwart setzt sie Zukunftsoptimismus, gegen Glaubensdogmen den Fortschritt der Wissenschaften, gegen die Anpassungserziehung die liberale Selbstfindung, gegen die Monarchie die Demokratie, gegen Nationalismus die Humanität. Obwohl der Roman vom Publikum interessiert aufgenommen wurde, hielten sich die Sozialdemokraten unter Bebel zurück, da sich der Friedensgedanke des Buches nicht mit den sozialistischen Forderungen der klassenlosen Gesellschaft deckte. Das Buch, das Bertha von Suttner unter dem Pseudonym „Jemand“ veröffentlicht hatte, brachte der verschuldeten Familie vorübergehend etwas Geld und ermöglichte eine Reise nach Paris, wo Bertha von Suttner wieder mit Alfred Nobel zusammentraf, der sie in die kulturellen Kreise der französischen Hauptstadt einführte (Ernest Renan, Alphonse Daudet).
Gleichzeitig arbeitete sie an ihrem Hauptwerk Die Waffen nieder (1889), in dem sie sich gegen den Krieg als Kulturverbrechen aussprach. Von Daudet hatte sie von der internationalen Friedensbewegung erfahren - jetzt fügte sie ein Kapitel über die Friedensbewegung in Das Maschinenzeitalter ein und schrieb Die Waffen nieder als autobiographische Fiktion einer adeligen Dame (Martha), deren Leben durch den Krieg bestimmt und zerstört wird. Besonders die realistische Darstellung fand allgemein Beachtung:
Jetzt erst sieht man die Massenhaftigkeit der umherliegenden Leichen: Auf den Straßen, zwischen den Feldern, in den Gräben, hinter Mauertrümmern; überall, überall Tote. Geplündert, mitunter nackt. Ebenso die Verwundeten. Diese, die trotz der nächtlichen Arbeit der Sanitätsmannschaften noch immer in großer Zahl umherliegen, sehen fahl und zerstört aus, grün und gelb, mit stierem, stumpfem Blick; oder aber unter wütenden Schmerzen sich krümmend, flehen sie jeden an, der in die Nähe kommt, daß er sie töte. Schwärme von Aaskrähen lassen sich auf die Wipfel der Bäume nieder und verkünden mit lautem Gekrächz das lockende Festmahl. [...]
In immer dichteren Scharen wankten Verwundete heran, sich selber oder einander mühsam fortschleppend. Das sind solche, die doch noch gehen können. Unter sie wird der Inhalt der Feldflaschen verteilt, man legt ihnen eine Binde auf quellende Wunden und weist ihnen den Weg nach der Ambulanz. Und wieder geht es weiter. An Toten vorüber - an Hügeln von Leichen. Viele dieser Toten zeigen die Spuren entsetzlichster Agonie. Unnatürlich weit aufgerissene Augen - die Hände in die Erde gebohrt - die Haare des Bartes aufgerichtet - zusammengepresste Zähne unter krampfhaft geöffneten Lippen - die Beine starr ausgestreckt, so liegen sie da. (Die Waffen nieder, S. 308 und 235).
Alfred Nobel sprach in einem Brief vom 01.04.1890 von einem „Meisterwerk“, Carneri pries das Buch in der Rezension der Neuen Freien Presse als „Umbruch einer besseren Zeit“ (15.03.1890) und Wilhelm Liebknecht bat um die Genehmigung eines Fortsetzungsabdrucks in der sozialistischen Zeitung Vorwärts. Ablehnend verhielten sich der germanisierende Felix Dahn und Rainer Maria Rilke, der stets vom Militarismus erschreckt sich nach außen gerne den Habitus eines Militaristen gab. Zahlreiche Karikaturen versuchten, das Werk und die Autorin lächerlich zu machen und auch die eigene Familie wandte sich ab.
Literarisch ist das Buch der sogenannten Gebrauchskunst verpflichtet, die sich um die Jahrhundertwende in vielen Lebensbereichen gegen den herrschenden Ästhetizismus wandte. Die Forderung nach Wahrhaftigkeit der Darstellung wirkte provokativ als „Nestbeschmutzung“ für die nationalen Gemüter. Das Honorar ermöglichte dem Ehepaar Suttner, den Winter 1890/91 in Venedig zu verbringen, wo sie an der Gründung einer Friedensgesellschaft teilnahmen.
Durch die Romane war Bertha von Suttner in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu einer bekannten Autorin geworden, deren künftiges Leben sich vornehmlich an drei politischen Zielvorstellungen orientierte: Friedenspolitik (I), Kampf gegen den Antisemitismus (II) und Einsatz für die Rechte und die Gleichberechtigung der Frauen (III).
Die Friedenspolitik (I) hatte es schon seit längerer Zeit gegeben, wobei sich drei Richtungen, die bis heute wirksam sind, unterscheiden lassen; weit verbreitet war eine irrationale auf utopischer Friedenssehnsucht gründende Bewegung, die von dem Glauben getragen war/ist, dass individuelle Kriegsverweigerung, emotionale Solidarisierung und die Ablehnung überkommener Sozialstrukturen eine friedvolle Zukunft garantieren. Dagegen setzten Regierungen und das Militär die Behauptung, dass nur durch permanente Hochrüstung Kriege künftighin vermieden werden könnten. Gegen diese Positionen forderte Bertha von Suttner ein System von funktionierenden zwischenstaatlichen Verträgen.
1891 nahm Bertha von Suttner am Internationalen Friedenskongress in Rom teil, forderte die Mitglieder der Interparlamentarischen Union (IPU), der Parlamentsabgeordnete verschiedener Länder angehörten, auf, einem zu vereinbarenden internationalen Schiedsgericht zuzustimmen. Obwohl Zweifel an der Wirksamkeit eines Schiedsgerichtes vorgetragen wurden, kam es zur Gründung einer österreichischen Sektion der Interparlamentarischen Union und zur Gründung einer österreichischen Friedensgesellschaft (30.10.1891). Die Vorarbeiten für diese Gründungen hatte Bertha von Suttner ganz alleine geleistet; ihr Engagement führte dazu, dass nach der Gründungsversammlung in Wien im September 1891 zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (u. a. Peter Rosegger, Carl Ritter, Pierre von Picquet) dem Komitee beitraten und andere (u. a. Leo Tolstoi, Friedrich Spielhagen, Ernst Haeckel, Conrad Ferdinand Meyer) öffentlich ihre Zustimmung bekundeten. Bertha von Suttner wurde zur Vorsitzenden gewählt und nahm im November 1891 an der Tagung der Interparlamentarischen Union und am dritten Friedenskongress in Rom teil, wo sie als erste Frau Gelegenheit erhielt, auf dem Kapitol zu sprechen. In Rom wurde sie zur Vizepräsidentin (Präsident war Elie Ducommun) der Internationalen Friedensgesellschaft, die ihr Büro in Bern unterhielt, gewählt. Gemeinsam mit Alfred Hermann Fried, einem Wiener Buchhändler in Berlin, gründete sie die Zeitschrift Die Waffen nieder als Publikationsorgan der Deutschen Friedensgesellschaft, die beim Publikum wenig Beachtung fand, doch von Bartolomäus von Carneri, Peter Rosegger, Leo Tolstoi, Johann Strauß, Franz von Suppé, Marie von Ebner-Eschenbach und Fridtjof Nansen begrüßt wurde.
1892 konstituierte sich die Deutsche Friedensgesellschaft in Berlin durch Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried und in Bern trat der Vierte Internationale Friedenskongress zusammen. Die Teilnehmer aus Deutschland waren in nationalen Fragen so zerstritten und durch Vereinsgiftigkeiten in ihrer Arbeit behindert, dass Bertha von Suttner sich aus der Bewegung zurückziehen wollte. Auch in Österreich kam es zu Schwierigkeiten, die zu speziellen Entwicklungen in Ungarn und Böhmen führten: In Böhmen wurde die Vereinigung zuletzt durch die nationalen Differenzen verhindert. In Ungarn vollzog sich die Gründung 1995 ohne Schwierigkeiten, so dass der Internationale Friedenskongress 1896 in Budapest zusammentrat. Bertha von Suttner war die zentrale Gestalt der Tagung.
1898 trat mit großer öffentlicher Beachtung die Erste Haager Friedenskonferenz zusammen, zumal Zar Nikolaus II. (1868 - 1918) am 24. August 1898 ein Friedensmanifest vorgelegt hatte. Bertha von Suttner reiste, da sie keine parlamentarische Funktion innehatte, als Korrespondentin für Theodor Herzls Zeitschrift Die Welt zur Konferenz nach Haag, die am Geburtstag des Zaren (18.05.1899) eröffnet wurde. Das Ergebnis der Verhandlungen war gering; so wurde u. a. statt eines Schiedsgerichtes nur eine unverbindliche Schiedskommission vereinbart. Zu den Verhandlungen war Bertha von Suttner als Frau und ohne politisches Mandat nicht zugelassen, doch wurde sie rasch zum „inoffiziellen Mittelpunkt“ (Herzl) des Kongresses, der bei den meisten Teilnehmern großen Optimismus verbreitete, auch wenn die Delegierten aus Deutschland, Österreich, der Türkei und Rumänien einen Erfolg der Verhandlungen verhinderten.
1898 gab Bertha von Suttner die Zeitschrift Die Waffen nieder auf und publizierte dafür intensiv in Die Friedenswarte, die von Alfred Hermann Fried herausgegeben wurde.
Die Korrespondenz mit Fürst Albrecht I. von Monaco, die 1900 begann, führte bald zu zahlreichen Besuchen in Monaco: Es entstand eine gemeinsame Friedenspolitik, die 1902 in der Gründung des Friedensmuseums in Luzern und 1903 im Internationalen Friedensinstitut in Monaco sichtbaren Ausdruck fand.
In diesen Jahren kam es zu einer Belastung der Ehe Bertha von Suttners durch die Nichte ihres Gatten, die nach Harmannsdorf kam und mit dem Roman Wie es Licht geworden (1898) dilettierte, diesen Bertha von Suttner zueignete und familiäre Details öffentlich ausbreitete. Bertha von Suttner empfand die junge Frau als Rivalin, reagierte eifersüchtig, auch wenn Arthur von Suttner immer wieder betonte, dass seine Beziehung zu der Nichte nur freundschaftlicher Art sei.
In der Öffentlichkeit war Bertha von Suttner eine international anerkannte Persönlichkeit geworden: Am 7. Mai 1903 vom Berliner Tagblatt zur bedeutendsten Frau der Gegenwart gewählt, wurde ihr 60. Geburtstag international - nicht in Berlin und in Wien - mit Ehrungen begangen und ihr selbst eine Ehrengabe von 20.000 Kronen von ihren Freunden zugeeignet. Das Glück war jedoch getrübt durch die Trauer um ihren Gatten, der am 10. Dezember 1902 verstorben war und an den das geplante neue Buch Briefe an einen Toten erinnern sollte.
Am 10. Dezember 1896 war Alfred Nobel gestorben und hatte testamentarisch 25 Mill. Kronen für Preise für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Frieden für diejenigen Persönlichkeiten ausgesetzt, die am meisten zum Wohle der Menschen vollbracht hatten. Die Anregung, einen Friedenspreis zu stiften, hatte Alfred Nobel von Bertha von Suttner übernommen, auch wenn beide unterschiedliche Vorstellungen hatten - während Bertha von Suttner auf eine dauernde finanzielle Förderung der Friedensbewegung hoffte und den Frieden durch Verträge sichern wollte, vertraute Nobel auf die Abschreckung durch Rüstung und stiftete einmalig zu vergebende Preise. Trotz der unterschiedlichen Positionen wurde das Einvernehmen zwischen Alfred Nobel und Bertha von Suttner nie belastet. Erbstreitigkeiten verzögerten die Preisverleihung, die erstmals 1901 stattfand. Bertha von Suttner war enttäuscht, nicht erwählt worden zu sein. Auch in den folgenden Jahren wurde sie übergangen, obwohl sich ihr Ruhm seit ihrer Amerika-Reise von 1904 weltweit verbreitete. Umso größer war die allgemeine Empörung darüber, dass der Friedenspreis 1904 dem Institut für internationales Recht, das kaum etwas für die Friedenskultur geleistet hatte, verliehen wurde. 1905 erhielt Bertha von Suttner endlich die lang erwartete Anerkennung - jetzt konnte sie Schulden tilgen, großzügige Spenden und Geschenke verteilen, die Familie unterstützen und ihren aufwendigen Lebensstil aus eigenen Mitteln bestreiten. Vortragsreisen führten sie nach Deutschland und Norwegen; überall würdigte sie die Persönlichkeit Alfred Nobels, wie sie dies auch bei der Preisverleihung getan hatte.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte der traditionelle europäische Antisemitismus (II) eine neue Qualität, indem er von einer christlich-theologischen Ideologie zur Rassenlehre mutierte. Besonders in Wien - bedingt durch die Zuwanderung einer armen jüdischen Bevölkerung aus dem Osten des Habsburger Reiches - fanden die antisemitischen Schlagworte bei der christlichen, aber auch bei der wohlhabenden ansässigen jüdischen Bevölkerung, die in die Wiener Gesellschaft integriert war, große Zustimmung.
Bereits im Maschinenzeitalter hatte Bertha von Suttner den Antisemitismus angegriffen und in dem Roman Vor dem Gewitter (1894) gezeigt, wie stark der Antisemitismus das tägliche Leben durchsetzt hatte. Als die antisemitischen Parteien 1891 bei der Reichstagswahl als stärkste Gruppe hervortraten, fand der Verein zur Abwehr des Antisemitismus, dem Arthur von Suttner vorstand, breite Unterstützung durch Adelige, Professoren, Intellektuelle und Künstler (u. a. Graf Rudolf Hoyos, Hermann Nothnagel, Bartholomäus von Carneri, Rudolf Virchow, Edurd Sueß, die Architekten Fritz Fellner und Hermann Helmer, Peter Rosegger, Ludwig Ganghofer, Marie von Ebner-Eschenbach, Johann Strauß).
Für die Suttners war der Kampf gegen den Antisemitismus ein Teil der Friedenspolitik. Immer wieder wandte sich Bertha von Suttner in der seit 1892 erscheinenden Zeitschrift Das Freie Blatt gegen die antisemitische Propaganda, schilderte in dem Phantasiestück Schach der Qual (1897) einen österreichischen antisemitischen Skandal und forderte die deutschen Frauen auf, Antisemiten die Liebe zu verweigern. Katholische Kreise um die Zeitschrift Das Vaterland diffamierten Bertha von Suttner nunmehr als „frauengefährdend“ und als „gottentfremdetes Kulturweib(ertum)“ (14.04.1896). Bertha von Suttner hielt den Antisemitismus für eine vorübergehende Verirrung, die in dem Maße verschwinden werde, in dem sich die jüdische Bevölkerung in die christlich-deutschösterreichische Kultur assimilieren werde.
In dieser historischen Situation fand Bertha von Suttners Verbindung zu dem Juden und Zionisten Theodor Herzl, der aus Begeisterung für die deutsche Kultur seine ungarische Muttersprache aufgegeben hatte und als Chefredakteur der Zeitschrift Das Freie Blatt und seit 1897 der Zeitschrift Die Welt seine zionistischen Gedanken gegen den Antisemitismus stellte, die seit dem Dreyfus-Prozess in Frankreich zunehmend Anhängerschaft fanden. Bertha von Suttner stand dem Zionismus skeptisch gegenüber, da sie fürchtete, dass durch die Auswanderung der Juden in einen eigenen Staat, ein Kulturvakuum in Europa entstehen könnte. In dem Roman Der Menschheit Hochgedanken (1911) hat sie diese Probleme gestaltet.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders seit der Jahrhundertwende, stellte sich, bedingt vornehmlich durch den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbruch, die Frage nach der Stellung der Frau (III) in der Gesellschaft. Die traditionellen Rollen relativierten sich in dem Maße, in dem die Frauen in das öffentliche Leben drängten und im öffentlichen Leben - besonders als Arbeitskräfte - benötigt wurden.
In zahlreichen Romanen und Erzählungen engagierte sich Bertha von Suttner für eine neue Frauenrolle (z. B. Daniela Dormes, 1886; Das Maschinenzeitalter, 1888) gegen die affirmative Literatur (z. B. die Frauenromane der Eugenie Marlitt und Hedwig Courths-Mahler; Mädchenliteratur über Prinzen und Pferde, Eheglück in häuslicher Zurückgezogenheit) und wandte sich gegen das Vorurteil, Frauen seien dem Mann geistig unterlegen und zu eigenständiger und künstlerischer Arbeit nicht fähig. Immer wieder wies sie darauf hin, dass es keine spezifisch weibliche Form des Schreibens gebe (vgl. Vorwort zur 3. Auflage des Romans Das Maschinenzeitalter), immer wieder wandte sie sich gegen den von Suffragetten entfachten Streit der Geschlechter und gegen die irrational lysistrahafte Ablehnung des Krieges durch Mütter, Töchter und Ehefrauen. Bald fand ihre Frauenpolitik - besonders in den Vereinigten Staaten von Amerika, die sie 1912 zum zweiten Mal bereiste - große Anerkennung.
Bereits in den neunziger Jahren war Bertha von Suttner eine der bekanntesten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geworden, obwohl kaum jemand wusste, welche privaten Probleme die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens begleiteten. Das Gut Harmannsdorf konnte nicht mehr unterhalten werden; die Verschuldung war so groß, dass häufig nicht einmal das Geld für Briefe vorhanden war und Fahrten nach Wien abgesagt werden mussten. Ihr äußeres Erscheinungsbild verdeckte diese finanzielle Misere; immer trat sie als Dame der Gesellschaft auf. Um der Not zu begegnen, intensivierte Bertha von Suttner ihre Publikationstätigkeit (Doctor Hellmuts Donnerstage, 1891; Eva Siebeck, 1892; Vor dem Gewitter, 1893; Einsam und arm, 1896; Schmetterlinge, 1897; Ku-i-kuk, 1899; Marthas Kinder, 1903; Ketten und Verkettungen, 1904; Franzl und Mirzl, 1905), die jedoch zunehmend an Qualität verlor und gegenüber der neuen Moderne (u. a. Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann) altmodisch, harmlos und ästhetisch reizlos wirkte. Das Publikum wandte sich zunehmend vom Realismus ab und forderte Ästhetisierung, psychologisch motivierte Handlungen und Kultivierung des impressionistischen Augenblicks.
In Wien, wohin Bertha von Suttner nach dem Tode ihres Mannes übersiedelt war, fand sie Zugang zu Künstlerkreisen. Außerdem verband sie eine Freundschaft mit Alfred Hermann Fried (1864 - 1921), der mittlerweile auch in Wien lebte. Intensiv wurden in den folgenden Jahren die Beziehungen nach Monaco und auch die Begegnungen mit zahlreichen europäischen Monarchen hoben ihr öffentliches Ansehen. Lediglich der deutsche Kaiser und der Kaiser von Österreich nahmen das Wirken der Friedenskämpfer nicht zur Kenntnis und beharrten auf der Rüstungspolitik. Zur katholischen Kirche, die sich nicht in die Friedenspolitik einmischte, blieb sie distanziert. Interessiert verfolgte sie die Friedenspolitik der Sozialisten. Der Gedanke eines Europäischen Staatenbundes, den sie mit Ernesto Teodoro Moneta (Italien) und James Capper (England) entwickelt hatte, wurde von Graf Coudenhove-Kalergie (1894 - 1972) in seiner Paneuropapolitik aufgegriffen und wirkt bis in die Gegenwart der Europäischen Union.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts unternahm Bertha von Suttner zahlreiche Vortragsreisen (USA mit Empfang im Weißen Haus 1904 und 1912; Schweden und Deutschland 1905, Schweden und Dänemark 1906), sammelte Geld für die Friedensarbeit und warb überall für ihre Idee. 1912 fand sie in Karl May einen neuen, bewundernden Mitstreiter. Vehement wandte sie sich gegen den von den Militärs favorisierten Luftkrieg (Die Barbarisierung der Luft, 1912) und war tief erschüttert, als durch den Spionageskandal des österreichischen Oberst Redl sichtbar wurde, auf wie schwachen Voraussetzungen der Friede ruhte. Ihr 70. Geburtstag wurde international mit zahlreichen Ehrungen begangen; lediglich die Kaiser von Deutschland und Österreich hielten sich fern. Am 21. Juni 1914 starb Bertha von Suttner. Am 28. Juni 1914 wurden der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin in Sarajewo ermordet - am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus.
Als Literatin hatte Bertha von Suttner wenig Erfolg. Die meisten ihrer Romane und Erzählungen sind heute vergessen. Die Hauptwerke Das Maschinenzeitalter und Die Waffen nieder, publiziert in wunderschönen Jugendstilausgaben von Heinz Pfaff im Pierson-Verlag, haben ihre Aktualität bewahrt und stellen literaturgeschichtlich exemplarische Formen früher Tendenzliteratur dar. Bis heute wird Bertha von Suttner als Begründerin der Friedensbewegung, als aktive Kämpferin gegen den Antisemitismus und als Frauenrechtlerin anerkannt und international bewundert, auch wenn die konservative Geschichtsschreibung in Deutschland und Österreich bis in die Gegenwart mit der Würdigung ihrer Leistungen Probleme hat. So fehlt sie etwa, um einige zufällig ausgewählte Gesamtdarstellungen zu nennen, bei Wilhelm Mommsen Die Geschichte des Abendlandes von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (1951), Gordon A. Craig Geschichte Europas vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart (1983), Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1966 – 1918 (1990) und Gordon Brock-Shepherd Österreich - Eine tausendjährige Geschichte (1998). Gewürdigt wird ihr Wirken - um wiederum Beispiele zu nennen - bei Friedrich Prinz Böhmen und Mähren - Deutsche Geschichte im Osten Europas (1993), Ferdinand Seibt Das alte böse Lied - Rückblicke auf die deutsche Geschichte 1900 – 1945 (2000) und Karl Vocelka Geschichte Österreichs. Kultur - Gesellschaft – Politik (2000). Die Anzahl der Studien und Monographien über Bertha von Suttner ist kaum zu überblicken, da bis heute eine verlässliche Bibliographie fehlt. (Diether Krywalski, Geretsried)