Philipp Langmann wurde am 5.2.1862 in Brünn als Sohn jüdischer Eltern geboren. Über Langmanns Kindheit und Jugend kann man sich bloß ein ungefähres Bild anhand seines einzigen veröffentlichten Romans Leben und Musik machen. Dieser Roman ist höchstwahrscheinlich als ein zum Teil autobiographisches Werk zu interpretieren, wovon unter anderem ein Brief vom 1.2.1911 an Herrn Schubert zeugt, in dem Langmann schreibt: „gebeichtet habe ich bloß in ‚Leben und Musik‘“. In Brünn besuchte Philipp Langmann die Landesoberrealschule (ehemals Kommunalschule), die er 1880 mit dem Abitur abschloss. Danach begann er das Studium an der k.k. technischen Hochschule, ebenfalls in Brünn, wo er im Juli 1883 die erste und 1885 die zweite Staatsprüfung für das chemisch-technologische Fach ablegte. Während der letzten zwei Jahre des Studiums bekam Langmann ein Staatsstipendium. Nach der zweiten, abschließenden Prüfung betätigte sich Langmann im Oktober und November 1885 als Stipendiat an der Lehrkanzel für chemische Technologie. Danach trat er in der Bandwirkfabrik von S. Blach & Sohn in Lettowitz einen Posten als Chemiker ohne Praxis an. Später wurde er Fabriksleiter bei der Firma J. Czajanek & Co. in Frydek-Mistek. Diesen Posten behielt er bis zum Ende des Jahres 1890. Von 1891 bis 1898 arbeitete er als Beamter bei der Arbeiterunfall-Versicherungsgesellschaft in Brünn.
Seine ersten literarischen Versuche fallen gerade in diese Zeit und thematisieren in erster Linie das Arbeitermilieu, mit welchem Langmann aufgrund seines Berufes in engem Kontakt stand. Bereits die Titel der ersten Novellenbände deuten auf die realistische, mittlerweile naturalistische Richtung Langmanns frühen Werkes hin. Das erste Buch, mit dem sich Langmann 1893 dem Publikum präsentierte, trägt den Titel Arbeiterleben und umfasst sechs Erzählungen, welche ihren Stoff ausschließlich aus dem Arbeiteralltag nehmen. Überraschend in diesen Erzählungen ist die präzise Beobachtungsweise und die detailhafte, von der Außenperspektive geführte Schilderung der meist tragisch endenden Geschichten. Zwei Jahre später trat Langmann mit dem nächsten Novellenband, Realistische Erzählungen, hervor. In der Vorrede zu diesem Buch äußerte sich Langmann sehr entschieden gegen die neu aufkommenden literarischen Strömungen und plädierte explizit für die realistische Kunst. Er drückt sich hinsichtlich der neuen Strömungen folgendermaßen aus:
Lieber unbeholfenes Natursschnitzwerk als diese Drechselware, lieber törichte Jungfrauen als diese verlogenen Puppen und du, klares Herz im schmierigen Arbeiterkittel sollst uns villkommen sein, diese pomadisierten Schwerenöter, diese in Bier schwelgende und an Weinliedern sich begeisternde, chauvinistische Gesellschaft zum Teufel zu jagen.
In der gleichen Vorrede deklariert Langmann entschieden: „Es gibt nur eine Kunst, und diese ist realistisch.“ Von den sieben Novellen des Bandes Realistische Erzählungen entstammen diesmal nur vier dem Arbeitermilieu, drei andere sind teils dem bürgerlichen, teils dem aristokratischen Milieu entnommen. In denjenigen Erzählungen, die sich an dem Alltag der Arbeiter orientieren, hält Langmann den naturalistischen, mit der Kleinmalerei an Zola erinnernden Stil ein. Kennzeichnend ist gleichfalls der zumeist für die Hauptfiguren tragische Ausgang der Novellen. In der Novelle Die vier Gewinner, die im Jahre 1899 zum Drama verarbeitet wurde, gewinnen drei Arbeiter und eine Arbeiterin in der Lotterie eine beträchtliche Summe Geld. Dieses durchaus beglückende Ereignis wird ins Tragische gezogen, indem alle Gewinner das Geld auf eine bestimmte Weise verlieren. Der eine vertrinkt sein Geld, der andere verspielt es, die Arbeiterin legt ihren Gewinn auf ein gefälschtes Sparbuch. In manchen Szenen lässt Langmann, möglicherweise ungewollt, die Tragik in die Tragikomik übergehen. Der Arbeiter Hoffmann verhungert z. B. mit seinem Weib, weil er aus Gier nicht imstande ist, den gewonnenen Hunderter zu wechseln.
Manche Erzählungen dieses Bandes scheinen jedoch im direkten Widerspruch zu der zitierten Vorrede zu stehen, wie es z. B. bei der Novelle Dreiaug und der Tod der Fall ist, welche in der Form eines Dialoges zwischen einem alten Haus und einem Wagen verfasst ist. Ein solches Durchdringen von märchenhaften Elementen mit einem rein realistischen Stil ist im Allgemeinen das Spezifikum der Werke Langmanns. Der dritte Novellenband, Ein junger Mann von 1895, weicht noch mehr von der angekündigten naturalistischen Richtung ab und besteht aus Erzählungen, die man eher als reflexive Milieustudien bezeichnen würde.
Obgleich Langmann bereits mit den ersten Novellenbänden die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, erntete er den großen Erfolg erst mit dem Proletarierdrama Bartel Turaser, welches im Jahre 1897 im Verlag Friese erschien und dessen Erstaufführungen in Wien und Berlin riesige Ovationen hervorriefen. Des Öfteren wird dieses Stück mit dem Drama Die Weber von G. Hauptmann verglichen, wobei Langmann die Rolle der Arbeiter als einzelne Individuen in den Vordergrund stellt, während Hauptmann eher die Wirkung der Masse betont. Das Drama beruht teilweise auf einer wahren Begebenheit. Langmann passt jedoch die Geschehnisse, die sich während eines Streiks in einer Brünner Hutfabrik tatsächlich ereignet hatten, an die dramatische Bearbeitung an und fügt manche fiktive Szenen hinzu. Er lässt den Streik in einer Baumwollwarenfabrik ausbrechen. Die Arbeiter verlangen die Entlassung des Meisters Kleppl, welcher seine Macht über die jungen Arbeiterinnen missbraucht. Es kommt zu einem Gerichtsprozess, in welchem die entscheidende Rolle (die beschuldigende Aussage) von dem Arbeiter Bartel Turaser gespielt werden soll. Turaser ließ sich jedoch von dem Meister bestechen, um seine Kinder vor Hunger zu bewahren. Im dritten Akt, als beide seiner Kinder an ungewohntem Übermaß an Nahrung sterben, bekennt Turaser seine Schuld und will sich dem Gericht ergeben. Langmann hat diesen dritten Akt vollständig denaturalisiert, nach den zwei sehr dramatischen Akten wirken manche mystische Szenen des letzten Aktes äußerst überspannt, wie es z. B. bei der höchst pathetischen Erscheinung des toten Söhnchens der Fall ist.
Nach Bartel Turaser, erschienen in rascher Folge weitere Dramen, keines von ihnen erzielte jedoch den Erfolg von dem ersten Stück. Im Jahre 1899 kam neben dem bereits erwähnten Drama Die vier Gewinner das Drama Unser Tedaldo heraus, in dem sich Langmann dem bürgerlichen Milieu zuwandte. Man kann dieses Drama als eines der weniger gelungenen einstufen. Im Text kommen einige Regiefehler vor, die Handlung der Hauptfiguren ist des Öfteren unmotiviert, die Zusammenhänge bei manchen Stellen verworren. Im Zentrum des Interesses steht eine Liebesbeziehung zwischen einem aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Hauslehrer und der Ehefrau seines Schülers.
In demselben Jahr erschien bei Cotta in Stuttgart der Novellenband Verflogene Rufe. In dieser Sammlung ist von dem radikal realistischen Langmann, wie er in Arbeiterleben und Bartel Turaser aufgetreten ist, nicht mehr viel zu erkennen. Es handelt sich vorwiegend um märchenhafte Stimmungsbilder und kleinere Skizzen. Manche von diesen Erzählungen erschienen vor Herausgabe des Buches in der Zeitschrift Die Gesellschaft, manche im Blatt Neue deutsche Rundschau und mehrere Novellen wurden in der Neuen freien Presse und in der Zeitschrift Die Zeit publiziert. In den Erzählungen dieses Bandes kommt noch intensiver der Kontrast zwischen der realistischen Erzählstruktur und den symbolistischen Elementen, des Öfteren sogar ins Mystische übergehend, zum Vorschein. Die Zusammensetzung der Novellen ist äußerst inkoherent. Obgleich sich manche Novellen an den rein realistischen Stil halten (Auf der Flucht, Der Hafen), machen den Großteil märchenhafte Skizzen aus. In der Erzählung Der verflogene Ruf, nach der die Sammlung benannt wurde, schildert Langmann im Erzählton eines Märchens die Rettung eines kleinen verirrten Knabens durch die Naturkräfte, welche mit menschlichen Attributen ausgestattet sind.
Neben solchen lyrischen Skizzen befinden sich in dieser Sammlung Novellen, die Langmanns Vorliebe für das Genre der Kriminalnovelle und für Gerichtsprozessszenen zum Vorschein bringen (Der Nachtwächter von Lösch). In zahlreichen Novellen gliedert Langmann in den Text Gerichtsszenen ein, die des Öfteren zu sehr ausführlichen rhetorischen Duellen erweitert werden (Der Akt Gerenus, Oberhoff).
Nach der Herausgabe dieses Novellenbandes, der bei weitem nicht den Erfolg der ersten zwei Novellensammlungen erreichen konnte, erschien im Jahre 1900 Langmanns nächstes Drama, Gertrud Antleß, in welchem er sich dem bäuerlichen Milieu zuwandte. Die tragische Geschichte einer alten Bäuerin, die den eigenen Hof anzündet, als sie von dem eigenen Sohn und seiner Frau verstoßen wurde, fand jedoch beim Publikum keinen Beifall. In Wien wurde das Stück abgesetzt und in Berlin gab es nur eine einzige Aufführung. Mit dem Drama Korporal Stöhr, das nach der Novelle Der Hafen verfasst wurde, konnte Langmann gleichfalls keinen größeren Erfolg erringen.
Zu dieser Zeit geriet Langmann trotz des erhaltenen Grillparzerpreises (1906) in immer drückendere Verhältnisse. Die Ehrenpension der Gemeinde Wien betrug 100,- Kr., was zum Lebensunterhalt natürlich keineswegs reichen konnte. Langmann publizierte in verschiedenen Zeitungen und betätigte sich mittlerweile als Journalist, um sein Einkommen zu erhöhen. Bis zum Jahre 1905 veröffentlichte Langmann noch drei Dramen und einen Roman. In den Dramen Die Herzmarke und Gerwins Liebestod kann man bereits deutlich einen Wandel in der Motivstellung feststellen. Langmann wandte sich von dem Proletarierdrama ab und konzentrierte sich auf psychologische Konfliktdramen, welche bestimmte Parallelen mit den Dramen von Ibsen und Björnson aufweisen. In erster Linie sind es Frauenfiguren, die in Langmanns Dramen eine zentrale Rolle spielen und deren Psychologie Langmann besonders beschäftigte. Anna von Ridell ist ein Drama, das sich vor dem historischen Hintergrund der Eroberungszüge Robert Guiscards im 11. Jh. abspielt. Die historische Kulisse erfüllt bloß eine marginale, „dekorative“ Funktion, im Zentrum des Interesses steht der Liebeskonflikt, wobei sich Langmann wieder in erster Linie auf die Psychologie der weiblichen Hauptfigur konzentriert.
Im Jahre 1903 verfasste Langmann den Roman Leben und Musik, der einzige, der herausgegeben wurde. Man kann annehmen, dass Langmann mit der Figur des Musikers Ludwig Stanger sein eigenes Schicksal schildert. Aus dem beklemmenden, kleinbürgerlichen Milieu stammend versucht Stanger, den Weg zur eigenen künstlerischen Existenz zu finden. Dabei verliert er seine Stellung im bürgerlichen Leben und gerät in eine tiefe persönliche Krise, wird jedoch von der eigenen Kunst gerettet, als er in einem Rausch von Inspiration eine geniale Symphonie komponiert. Mit diesem Werk überwindet er den Zusammenbruch der bürgerlichen Existenz und entdeckt die eigene künstlerische Identität. In diesem, teilwese autobiographischen Roman, ist der Übergang zur psychologischen Charakterstudie vollendet. Dieser Wandel könnte jedoch der Grund für die ablehnende Reaktion des Publikums sein. Nach dem überraschenden Erfolg von Bartel Turaser hat man Langmann als Naturalist eingestuft und dementsprechend orientierte Werke erwartet. Als Langmann nach der Jahrhundertwende eine vollkommen andere Richtung eingeschlagen hat, konnte sich die Leserschaft auf den „neuen“ Langmann nicht einstellen und lehnte seine Werke vollständig ab (im Jahre 1926 wurde nur ein Exemplar des Dramas Die Herzmarke bei dem Verlag Cotta verkauft, wofür Langmann einen Betrag von 2,30 S. erhielt).
In den vier folgenden Novellenbänden, die Langmann vom Jahre 1908 bis zum Jahre 1923 verfasste, verarbeitete er verschiedenartige Stoffe. Der Band Wirkung der Frau enthält acht Novellen, von denen sieben in verschiedenen Zeitschriften publiziert wurden. In den meisten Novellen dieses Bandes spielt eine weibliche Figur die zentrale Rolle, wobei sie des Öfteren als ein vernichtendes Element präsentiert wird. In der Novelle Die schöne Bronwa schildert Langmann in Form eines Gerichtsprozesses den Niedergang einer Ehe, welcher von einem egoistischen, männersüchtigen Weib verursacht wurde. Ihr Mann entscheidet sich dafür, die Gerechtigkeit selbst in die Hand zu nehmen und tötet seine Frau, wird jedoch aufgrund seiner Aussage vor dem Gericht wieder freigesprochen. Drei Jahre später trat Langmann mit dem nächsten Novellenband Erlebnisse eines Wanderers hervor. Die zwölf Novellen dieses Bandes sind sehr unterschiedlich was den Stil und die Themenauswahl anbelangt. Die Zusammenstellung besteht aus Balladen, Kriminalnovellen, märchenhaften Traumbildern und kleinen Milieuskizzen. Vier Novellen wurden bereits vor der Herausgabe des Bandes in verschiedenen Zeitungen publiziert, die acht übrigen waren Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt. Auch die zwei letzten Novellenbände Ein fremder Mensch und Der Akt Gerenus, welche erst im Jahre 1923 herausgegeben wurden, leiden an einer thematischen und stilistischen Inkoherenz und blieben von dem Publikum unbemerkt.
Nach dem durchaus kalten Empfang der letzten zwei Sammlungen zog sich Langmann im Jahre 1923 entgültig zurück. Im Jahre 1930 meldete er sich im Versorgungshaus in Lainz an und am 15.12.1930 trat er dort ein. Er verließ es am 8.2.1931 ohne Abmeldung und kehrte in seine Wohnung in Wien zurück. Am 23.5.1931 starb Philipp Langmann nach kurzer Krankheit im Rudolfinerhaus. (Marie Beránková, Olmütz)