"Glücksmann ist eine anachronistische Erscheinung. Äußerlich und innerlich. Sein schöner Künstlerkopf mit den vollen langen weißen Locken, dem Schnurr- und Knebelbart, seine schlanke Gestalt würden sich in einer weißen Halskrause, in einem Lederkoller, samtenen Pumphosen und hohen Reitstiefeln prächtig ausnehmen." (Auředníček, Zdenko: Heinrich Glücksmann zum 60. Geburtstag. In: Neue Illustrierte Zeitung (20. Juli 1924). XXIX. Jahrgang, Nr. 39, S. 7.)
Heinrich Glücksmann (ursprünglich Heinrich Blum) wurde im Juli (entweder am 7. oder 8.) 1863 (nach einigen Quellen 1864) im mährischen Dorf Rakschitz (heutzutage ein Teil der Stadt Mährisch Kromau) in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater hieß Lipman (Leopold) Blum und arbeitete als Kaufmann und Landwirt. Seine Mutter Amalie (geb. Bauer) war eine Lehrerstochter und fühlte sich im kulturfremden Milieu einer Bauernfamilie nicht heimisch. Aus diesem Grund pflegte sie oft ein Wandertheater im Nachbarstädtchen zu besuchen und nahm auch den kleinen Heinrich und seinen älteren Bruder mit. Zu dieser Zeit entdeckte Glücksmann zum ersten Mal die Schönheiten der Theaterwelt. Eine weitere Theatererfahrung erlebte er, als er einmal einem Charakterdarsteller, der bei der Familie Glücksmann als Zimmermaler arbeitete, seine Garderobe in den Gasthaussaal bringen und dann jenem Theaterstück zuschauen konnte.
Glücksmann besuchte zuerst die tschechische Volksschule in seinem Heimatdorf, dann ging er an die deutsche Bürgerschule nach Mährisch Kromau und später an die Realschule in Brünn. Der damalige Direktor Ignatz Csernitz, ein ausgezeichneter Komiker, leitete auch das Schauspielhaus. Er war mit dem Onkel Glücksmanns befreundet und ermöglichte den Theaterhunger des Jugendlichen zu stillen. Glücksmann lernte mehrere SchauspielerInnen kennen, unter ihnen auch Paula Conrad, in die er sich damals verliebte. Unter dem Einfluss dieser Gefühle schrieb Glücksmann im Jahre 1879 sein Erstlingswerk - das dreiaktige Lustspiel Liebesbrief - und schenkte es der geliebten Frau, die angeblich noch Jahrzehnte danach von Zeit zu Zeit in diesem dramatischen Brief zu blättern pflegte. In dieser Zeit veröffentlichte er unter dem Pseudonym Henriette Namskilg ebenfalls seine erste journalistische Schrift - Aufsätze über Frauensitten und Unsitten in der Wiener Hausfrauen-Zeitung.
Glücksmann widmete sich weiter der Schauspielerei und befreundete sich u. a. mit Paul Kirsch-Strzemcha, der ihm erlaubte, seine oder andere Dichtungen bei festlichen Anlässen vorzulesen. Nicht nur aufgrund dieser Freundschaft entschied sich Glücksmann nach Wien zu gehen, wo er zwischen den Jahren 1880 und 1882 die Schauspielschule des Konservatoriums besuchte. Gleichzeitig studierte er an der Universität als außerordentlicher Hörer. In der Schauspielschule wurde er zum Klassenvertreter gewählt und zu seinen Kollegen gehörten u. a. Rudolf Schildkraut, Julius Freund oder Teresina Geßner.
Aus der Theaterwelt begab sich Glücksmann auf das journalistische Feld: 1882-83 wirkte er als Redakteur bei der Fünfkirchener Zeitung, in den Jahren 1884-86 arbeitete er in den Redaktionen des Neuen Pester Journals und des Politischen Volksblatts in Budapest. Glücksmann war in den folgenden Jahren in weiteren zeitgenössischen Redaktionen angestellt - als Redakteur (Wiener Almanach, 1892; Schlaraffia-Konzil-Zeytung, 1909), Feuilletonredakteur (Wiener Allgemeine Zeitung, 1894-95; Wiener Tagblatt, 1900-01) und Chefredakteur (Neue Zeitung, 1903). Außerdem war er in den Jahren 1911-1918 Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Freimaurerzeitung Der Zirkel (Glücksmann selbst gehörte zu den Freimaurern und war u. a. Mitglied der Großloge Wien) und seit 1920 wirkte er in der Schriftleitung weiterer Blätter wie Wiener Freimaurer-Zeitung, Das literarische Echo, Die Fackel oder Neues Wiener Journal. In Bezug auf die Freimauerei können wir an dieser Stelle Glücksmanns historische Studie Der erste Freimaurer auf dem Throne (1904) und den Text Vom Vater der österreichischen Freimaurerei (1910) erwähnen.
Glücksmann hielt zahlreiche Vorträge (mehr als 1000) über Literatur und Kunst und er begann mit dieser Tätigkeit bereits im Jahre 1883 in verschiedenen ungarischen Städten. Er betätigte sich als Redner in verschiedenen literarischen, künstlerischen und Volksbildungsvereinen schon seit 1891 - z. B. im Verein der Literaturfreunde, Wissenschaftlichen Club, Niederösterreichischen Gewerbeverein usw. Er begründete und wurde gleichzeitig der erste Präsident des Literarisch-künstlerischen Friedenvereins. 1932 hielt er die Festrede Goethe als Theaterleiter anlässlich der Goethefeier des Österreichischen Vereins des Welttheaterbundes.
Obwohl sich Glücksmann für lange Jahre der journalistischen Tätigkeit widmete, zog es ihn immer wieder ans Theater zurück. 1883 verfasste er unter dem Pseudonym Hermann Heinrich das Drama Bileam, nach dem dann in der zweiten Hälfte der 80er Jahre noch weitere Stücke folgten, z. B. Therese (1888) oder Ballkönigin (1889). In seiner schriftstellerischen Karriere beschränkte er sich nicht nur auf Dramen und journalistische Beiträge, sondern er veröffentlichte auch lyrische Texte, z. B. Gedichte und Epigramme (1892) oder Wiedersehen (1897). In seinen Texten beschäftigte sich Glücksmann oft mit zeitgenössischen Persönlichkeiten, über die er biographische Skizzen verfasste - z. B. über den österreichischen Schriftsteller Adolf Pichler (im gleichnamigen Aufsatz aus dem Jahre 1899), die Schauspieler Hugo Thiemig und Max Devrient, den ungarischen Maler Mihály von Munkácsy (Biographie über Michael von Munkáczy, 1886; Munkácsyana, 1892) oder die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner. Aus seiner Herausgebertätigkeit lässt sich Damenwahl (1898), eine Sammlung heiterer und ernster Vorträge für Damen, erwähnen. Die enge Beziehung Glücksmanns zum ungarischen Raum zeigte sich u. a. in einigen von ihm verfassten Texten - neben der bereits erwähnten Schriften zu Munkácsy lassen sich noch der Aufsatz Die ungarische Kunst der Gegenwart (1892) oder Ungarns Millenium (1896) und Eine ungarische Schlacht (1901) nennen.
Am 3. Februar 1895 heiratete Glücksmann in Wien die aus einer jüdischen Familie stammende Helene Rechnitz (sie war die Schwester seines ehemaligen Direktors Adolf Weisse) und das Ehepaar hatte insgesamt vier Söhne. Paul Hans (*1897) wirkte als Journalist und emigrierte 1939 nach Großbritannien. Joseph/Josef (*1900) war als Dramaturg und Regisseur in Wien und Deutschland bekannt, 1933 emigrierte er nach Österreich, 1938 in die USA, wo er u. a. in Hollywood bei Filmen arbeitete, 1949 kehrte er nach Wien zurück. Die jüngeren Söhne hießen Otto (*1901) und Hans Karl (*1904).
1909/1910 wurde Glücksmann Dramaturg des Deutschen Volkstheaters in Wien, später wirkte er als Professor an der hiesigen Schauspielschule. 1935, nach 25 Jahren im dramaturgischen Büro, entschied sich Glücksmann aus Gesundheitsgründen in Rente zu gehen, da er, bereits über 70 Jahre alt, nicht mehr der aktuellen Theaterwelt recht gewachsen war.
Glücksmann war sprachlich begabt, aus diesem Grund widmete er sich in großem Maße dem Übersetzen ausländischer Autoren - er übersetzte aus dem Englischen, Französischen, Ungarischen und Tschechischen. Die bekanntesten Übersetzungen stammten aus dem Ungarischen - z. B. Die Bürde der Schönheit (1897) von Lenke Beniczkyné Bajza, Der Charlatan (1910) von Emerich/Imre Földes oder Lenchen, das liebe Kind (1912) von Desider Szomory. In der zeitgenössischen Sekundärliteratur findet man noch weitere Übersetzungen von Texten, deren Autoren sich aber aufgrund von üblichen Werktiteln schwer auffinden lassen - aus diesen Übersetzungen können wir z. B. die Dramen Das Diplom (1910), Die Tochter (1912) oder Prometheus (1921) erwähnen. Daneben schrieb Glücksmann einige Drehbücher zu Stummfilmen - So fallen die Lose des Lebens (1918), Mozarts Leben, Lieben und Leiden (1921) und Theodor Herzl, der Bannerträger des jüdischen Volkes (1921).
Zu den meist gelobten Werken Glücksmanns gehört der Gedichtband Fährten und Narben (1913), in dem sich thematisch verschiedenste Gedichte befinden - Glücksmann widmete sich Leben, Lieben, Reisen, Frauen, Begegnungen und weiteren Bereichen. Die enge Beziehung zum Theaterwesen lässt sich auch in seinen späteren Texten finden, wie z. B. in den Aufsätzen Anton Wildgans und das Deutsche Volkstheater (1932) oder Grillparzer und Shakespeare (1937).
Ein Mann von Herz; begabt und stark zu geben;
Ein Dichter, dem so manches Lied gelang,
Ein Auserlesner, der sein inneres Leben
Sich rein erhielt in allem Daseinsdrang,
Der, jung in Wollen, ernst und reif im Denken,
Berufen ist, der Künste Spiel zu lenken;
Ein Freund den Freunden, der in Wort und Werken,
Mit Kopf und Hand, die nimmer müssig ruhn,
Hilfreich bereit, im Guten zu bestärken -
Sein Wohlgefühl ist wirksam wohlzutun -
Kennt' ich ihn nicht und lernt' erst jetzt ihn kennen -
Wie könnt' ich anders ihn als Glücksmann nennen?
(Klaar Alfred: Fortunatus zum 60. Geburtstag. In: Neue Illustrierte Zeitung (20. Juli 1924). XXIX. Jahrgang, Nr. 39, S. 8.)
Glücksmann förderte junge Theaterautoren, insbesondere Stefan Zweig und Arthur Schnitzler. Im Jahre 1938 emigrierte er nach Argentinien und schrieb dort seine Memoiren nieder. Im Exil publizierte er im Argentinischen Tageblatt, in der Jüdischen Wochenschau und in der jüdischen Zeitschrift Porvenir. Im Laufe seines Lebens erhielt er mehrere Auszeichnungen: Er war u. a. Ehrenbürger Wiens, seit 1924 Mitglied des Deutsch-österreichischen Bühnenvereins und 1935 wurde ihm das Ritterkreuz des österreichischen Verdienstordens verliehen. Im Hinblick auf das Judentum vertrat er einen aufgeklärt-liberalen Standpunkt. Außerdem war er Mitglied des PEN-Clubs und der Schlaraffia, Ehrenmitglied der Petöfi-Gesellschaft und der Pariser Societé literaire und er gehörte zur Organisation der Wiener Journalisten. Heinrich Glücksmann - Dramatiker, Journalist, Herausgeber, Schauspieler, Übersetzer und Drehbuchautor, der unter seinen Kollegen beliebt und verehrt war - verstarb am 1. März 1947 in Buenos Aires im Alter von 83 Jahren.
(Auf Basis der Sekundärliteratur bearbeitet von Radek Flekal)
Heinrich Glücksmann (*1863/4) wurde im mährischen Dorf Rakschitz in eine jüdische Familie geboren, er besuchte die Schulen in Mährisch Kromau und Brünn, dann übersiedelte er nach Wien, wo er an der Schauspielschule und der Universität studierte. Sein Erstlingswerk Liebesbrief (1879) entstand aus der Liebe zur Schauspielerin Paula Conrad und zu dieser Zeit begann auch seine journalistische Karriere. Zuerst arbeitete er bei verschiedenen ungarischen Blättern (z. B. Fünfkirchener Zeitung) und hielt Vorträge über Literatur und Kunst. Später wirkte er in den Redaktionen verschiedener Wiener Zeitungen, wie z. B. Wiener Almanach, Wiener Allgemeine Zeitung, die Freimaurerzeitung Der Zirkel (Glücksmann gehörte selbst zu den Freimauern) oder Die Fackel.
Glücksmann liebte seit seiner Kindheit das Theater: In den 80er Jahren veröffentlichte er einige Dramen, z. B. Bileam (1883), Therese (1888) oder Ballkönigin (1889), und er beschäftigte sich mit der Theaterwelt auch in seinen journalistischen Aufsätzen. Außerdem widmete er sich der Lyrik - 1913 erschien die gelobte Gedichtsammlung Fährten und Narben - und er verfasste mehrere biographische Skizzen über seine Zeitgenossen (z. B. Bertha von Suttner, Adolf Pichler). Einen großen Teil seines Schaffens bildeten auch Übersetzungen, v. a. aus dem Ungarischen (z. B. Die Bürde der Schönheit, oder Der Charlatan), aber auch aus dem Französischen oder Englischen. Glücksmann war über 25 Jahre lang Dramaturg des Deutschen Volkstheaters in Wien und förderte junge Autoren wie Stefan Zweig und Arthur Schnitzler. Im Laufe seines Lebens erhielt er mehrere Auszeichnungen und war Mitglied verschiedener Vereine (z. B. PEN-Club, Schlaraffia). Mit seiner Frau Helene (geb. Rechnitz) hatte er vier Söhne, unter ihnen Paul Hans, der später Journalist wurde, und Joseph/Josef, der u. a. in Hollywood wirkte. Im Jahre 1938 emigrierte er nach Argentinien, verfasste dort seine Memoiren und arbeitete in den lokalen Redaktionen. Der Dramatiker, Journalist, Herausgeber, Schauspieler, Übersetzer, Drehbuchautor und die in seinen Kreisen sehr beliebte Persönlichkeit Heinrich Glücksmann verstarb am 1. März 1947 in Buenos Aires.