Ernst Schafer
- Pseudonym
- Ernst Sarnold
- Geburtsdaten
- 25.03.1898
- Wien/Floridsdorf
- Sterbedaten
- 28.09.1942
- Konzentrationslager Mauthausen
Verbindungen
Hermann Steinschneider
Ernst Schafer war der einzige Sohn und das älteste der drei Kinder des Bahnangestellten Philipp Schafer und seiner Frau Antonia, geborene Steinschneider. Beide Eltern stammten aus mährischen Familien aus den Gegenden um Freiwaldau und Prossnitz. Alle Vorfahren waren jüdischen Glaubens.
Mütterlicherseits sind zwei Verwandte zu erwähnen, die auf ihre Art Anerkennung fanden. Der erste ist der Orientalist und Bibliograph Dr. Moritz Steinschneider (1816-1907), der zweite ist Herrmann Steinschneider (1889-1933), der als Hellseher den Namen Erik Jan Hanussen führte.
Während seiner Kindheit verbrachte Schafer selbst mehrere Jahre in Mähren (Znaim), wo seine Schwestern Margarete und Emma 1901 und 1905 geboren wurden. Ab etwa 1906 wohnte die Familie jedoch wieder in Wien und zwar, den persönlichen Angaben in einer späteren Novelle nach zu schließen, zeitweise im Ersten Bezirk in unmittelbarer Nähe der Kirche Maria am Gestade.
Aus der frühen Jugend Schafers ist bis jetzt sehr wenig bekannt. Sie scheint, außer dass das Kind extrem somnambul war, und das bis ins Erwachsenenalter, im Ganzen nicht untypisch verlaufen zu sein. Stark künstlerische Neigungen zeigten sich darin, dass er sich ohne Unterricht im Geigen- und Klavierspiel übte, wobei er es auf beiden Instrumenten nach kurzer Zeit zu beträchtlicher Virtuosität brachte. Als Heranwachsender liebte er es, mit einem Zylinder auf den langen roten Locken, Violinkonzerte an Straßenecken und auf Baugerüsten zu geben, die allgemein wohlwollende Beachtung fanden. Schafers Schulbesuch und späteres Musikstudium scheinen wegen seiner zur Unkonventionalität neigenden Natur unregelmäßig gewesen und früh abgebrochen worden zu sein. Jedoch las er, was immer sich ihm bot, lernte ganze Shakespearedramen auswendig und eignete sich, dank seines guten Gedächtnisses auf diese Weise ein Wissen an, das ihm noch Jahre später von den belgischen Einwanderungsbehörden „hohe Intelligenz und sehr umfassende Kenntnisse“ zuerkannte.
Im April 1915 meldet sich Schafer, knapp siebzehnjährig, zur freiwilligen Kriegsteilnahme. Laut Haupt-Grundbuchsblatt ist er zu diesem Zeitpunkt heimatzuständig nach Mährisch-Aussee, Bezirk Hohenstadt, Mähren. Von seiner Dienstzeit selbst ist nichts dokumentiert. Sie schließt aber einen mehrtägigen schweren Gefechtseinsatz und eine Kopfverwundung nicht aus. Im Jahre 1917 erwirkt er wegen „Geistesstörung“ seine Entlassung aus dem Heer. Unter dem Eindruck des Kriegserlebnisses wird Schafer Pazifist und engagiert sich in den folgenden Jahren für die kommunistische Revolution in Wien und Berlin, während der er in Wien mit dem Revolutionär und Mitbegründer der „Roten Garde“ Leo Rothziegel in Verbindung steht.
Im Februar 1919 erscheint Schafers Legende in der Wiener Zeitschrift „Der Friede“. Die knapp fünfzig Zeilen lange Geschichte – eine Begegnung des Gindra mit der lebendigen Natur in Gestalt einer Lotosblume - scheint auf eine indische Quelle, möglicherweise auf den Dichter Rabindranath Tagore, hinzuweisen, der seit seiner Ehrung mit dem Nobelpreis 1913 in Europa bekannt und beliebt war. Die Worte der Legende: „Einsam will ich leben und in Feuer will ich sterben, meine Erlösung sei der Untergang!“ zeigen einen gewissen Einfluss des revolutionären Expressionismus, wie er besonders in den Gedichten Trakls und Heyms zum Ausdruck kommt. Nicht zu übersehen ist aber auch ein früher Hang zum Nihilismus, der in fast keiner der späteren Schriften fehlt.
Die zwanziger Jahre waren für den jungen Schafer Jahre einer krisenreichen Identitätssuche. 1922 heiratete er die Wiener Künstlerin Rosa Krombert und 1923 wurde ihr Sohn Wolfgang geboren. Die folgenden Jahre brachten ein unstetes journalistisches Wanderleben, das Schafer als Musik- und Kulturkritiker nach München, Berlin, Paris, Köln und schließlich nach Brüssel führten. Geistig und weltanschaulich stand seine Laufbahn und Entwicklung unter den Zeichen seiner tiefen Enttäuschung vom Marxismus, seinem Austritt aus dem Judentum (1923) und, nach einem kurzfristigen Rücktritt ins Judentum wahrscheinlich zum Anlass des Todes seines Vaters, seinem endgültigen Übertritt zum Katholizismus (1925). Die Scheidung von Rosa Schafer, die als Lyrikerin, Bildhauerin und Malerin diesen Namen beibehielt, erfolgte etwa 1926.
Die bis jetzt aufgefundenen Schriften aus dieser Zeit legen ein beredtes Zeugnis von einer höchst ungesicherten und wechselvollen Existenz ab: In den Jahren 1924/25 hielt sich Schafer zeitweise in Paris und in München auf. In den „Münchner Neuesten Nachrichten“ und in der Zeitschrift „Dur und Moll“ erschienen in der Zeit neben mehreren Konzertkritiken und Musikbetrachtungen auch einige literarische Beiträge, wie Phantasie über das Vorspiel zum ‚Fliegenden Holländer’, Zaubergeiger, Wiederkehr und Brief an einen Künstler. In diesen erscheint besonders die Gestalt des begnadeten Musikers, meistens Geigers, der Paganini gleich, die Menge zu verzaubern weiß, aber selbst einsam leidend und unerlöst bleibt. Dieselbe Gestalt wird in der Novelle Maria am Gestade noch einmal in ihrer höchsten Gefährdung dargestellt. Schon mit dem Untertitel, die Geschichte eines irrsinnigen Musikanten, weist der Autor auf das Musikerschicksal des Studenten Bandlers hin, das sich im Zentrum Wiens im Schatten der Kirche Maria am Gestade erfüllt.
Die genaue Darstellung dieses Schauplatzes und die Beschreibung der ihm eigentümlichen historischen und kulturellen Atmosphäre legt autobiographische Bezüge nahe. Schafer nennt sich zu dieser Zeit Jeremias Himmelstößer, was auf den Namen der Gasse „Stoss im Himmel“ in unmittelbarer Nähe der Kirche zurückgehen mag. Auch besteht die Möglichkeit einer frühen Bekanntschaft mit dem Dichter und Redemptoristen Heinrich Suso Waldeck, der der Priesterschaft der Gemeinde Maria am Gestade angehörte, und an Schafers Eintritt in ein staatliches Gymnasium und seiner späteren Entscheidung für den Katholizismus nicht unbeteiligt gewesen sein mag.
Zwei weitere Titel aus dieser Zeit, zu denen bisher keine näheren Informationen gefunden werden konnten, sind Das Judaskreuz und Heinrich von Plauen. Der Verräter Judas wird kurz in Maria am Gestade erwähnt: „[...] war Judas nur Jude? Vielleicht war Judas dem Friedensbringer beigegeben, um dessen Weg zu stören.“ Von Heinrich von Plauen besteht nur eine Erinnerung Marias, der ältesten Tochter Schafers, an den ersten Satz des später verlorenen Manuskripts: „Du bist mein Schicksal, Heinrich von Plauen.“
Am Ende der zwanziger Jahre brach Schafer alle Beziehungen zu seiner Familie in Wien ab und versuchte sich erst in Deutschland, später in Belgien eine journalistische Existenz zu schaffen. In diese Zeit fällt auch seine Bekanntschaft mit Dr. Fritz Gerlich, dem Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“. Schafer unterstützte Gerlich, der sich von einem Hitlerfreund zu einem Hitlergegner entwickelte, bei der Herausgabe von dessen katholischer Zeitschrift „Der Gerade Weg“. Gerlich wurde im März 1933 in München verhaftet und ein Jahr später im Zusammenhang mit dem Röhm Putsch im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Ebenfalls um 1930 trat Schafer mit der katholischen Filmzentrale (später Filmliga) in Belgien in Verbindung. Diese war 1928 von dem Dominikanerpater Felix A. Morlion gegründet worden. Bis 1935 beteiligte sich Schafer aktiv an dieser Arbeit und veröffentlichte 1933 in Antwerpen einen Erzählband mit dem Titel Charlie Chaplin. Dieser Band wurde von Schafers mittlerer Tochter Anna 1998 in der belgischen Nationalbibliothek gefunden und ins Deutsche zurückübersetzt. Charlie Chaplin ist eine phantasievolle, philosophische Betrachtung des Filmkünstlers, der bis zu seinem Tod 1976 allgemein als Jude galizischer Herkunft galt. Der Erzähler verbirgt nicht, dass er sich besonders stark mit der chaplinschen Gestalt des „kleinen Vagabunden“ identifiziert, dass er aber gleichzeitig an sich selbst dessen berühmtes realitätsbewusstes Lebenskünstlertum vermisst. Das Ende dieser Betrachtung ist von einer tiefen Melancholie überschattet. Der Erzähler sieht sich gefangen zwischen seiner Bindung an eine alte österreichisch–jüdische Kultur und seinem Streben nach einer neuen Bindung an die moderne flämisch-katholische Kultur. Entfremdet der einen und noch fremd der anderen, verschreibt er sich, wie schon in Maria am Gestade, einer religiösen Gefühlskultur, die jedoch zu nichts als einer Nietzsche-ähnlichen existentiellen Todesstimmung führt. „Ein feierlicher Schattenreigen verlässt meine Kammer […]. Wie einsam ich bin! Wie furchtbar einsam wir alle sind…“
Um 1931 war Schafer mit der Studentin Susanne Arnold aus Chemnitz bekannt geworden und führte unter Verwendung ihres Familiennamens von dem Zeitpunkt an das Pseudonym Ernst Sarnold. Sie wurden 1934 in Brüssel getraut und hatten im Jahr darauf ihr erstes Kind Joseph. Dasselbe Jahr 1935 brachte auch die Übersiedlung der Familie nach Luxemburg, wo Schafer auf Vermittlung von Pater Morlion Mitarbeiter bei der deutschsprachigen Zeitung „Luxemburger Wort“ wurde. In den Jahren 1935/36 erschienen dort sowohl der Fortsetzungsroman Das Rätsel von Heideborcht, wie auch die Erzählung Geschichte von den drei Glocken, die Jugenderinnerung Kala-Bim, Kala-Bum, und andere Geschichten und Artikel über Film und Theater, die nicht mit vollem Namen gezeichnet sind.
Während Geschichte von den drei Glocken sprachlich und thematisch an die frühere Legende anknüpft, reflektieren die übrigen Arbeiten Schafers Leben und Wirken im niederländischen Sprachraum. Das Rätsel von Heideborcht ist eine Sherlock Holmes nachempfundene Detektivgeschichte, die von August 1935 bis Januar 1936 in Fortsetzungen auf der Filmseite des „Luxemburger Wortes“ erschien. Inhaltlich geht es um einen jahrhundertealten ungesühnten Treuebruch, der zum Anlass einer Geistererscheinung bei einer ländlichen Kinovorstellung wird. Gegengewicht zu der im ganzen niederländisch gehaltenen Atmosphäre bildet die Gestalt eines mysteriösen, ostjüdischen Hausierers, durch die das Rätsel schließlich gelöst wird.
Auch die anderen feuilletonistischen Artikel und Erzählungen drücken Schafers Bereitschaft zur aktiven Beteiligung am Kulturleben Belgiens und Luxemburgs aus, der Region, die er sich zu einer neuen Existenz zu machen gehofft hatte. Als oft schmerzlich vermisst erscheint aber auch seine Wiener Vergangenheit, besonders in ihrer volkstümlichen Musik- und Theaterkultur.
Die Existenz der Familie in den Jahren 1936 bis 1942 ist nur äußerst lückenhaft dokumentiert. Nach einem Aufenthalt in Prag, wo das zweite Kind Maria 1937 zur Welt kam, und einem weiteren in München, ist die Familie von Ende 1937 ab in Wien gemeldet. Dort wurden 1939 und 1940 die beiden jüngeren Töchter, Anna und Regine, geboren. Wegen der schweren Polioerkrankung Susanne Schafers und der wachsenden politischen und rassischen Bedrohung der Familie sahen sich die Eltern gezwungen, alle vier Kinder nichtjüdischen Verwandten und Pflegefamilien zu übergeben. Schafers eigene Eltern waren 1925, respektive 1931 gestorben. Seine jüngere Schwester Emma Reiter hielt sich während des Krieges außerhalb Wiens versteckt. Der Verwandte Jan Erik Hanussen, alias Herrmann Steinschneider, war 1933 in Berlin ermordet worden. Eine Anzahl anderer Verwandter hatte Österreich und die Tschechoslowakei verlassen, unter ihnen auch Rosa und Wolfgang Schafer, die 1938 nach England flohen. Eine Großzahl von Verwandten, unter ihnen seine ältere Schwester, die Tänzerin Margarete Kaltonek, wurden in Minsk und Theresienstadt ermordet.
Von einer journalistischen oder schriftstellerischen Betätigung Schafers in diesen Jahren, ist bisher nichts bekannt. Allerdings erinnert sich Josef Arnold an ein Buch, welches ihm als Kind von Susanne Schafer geschenkt worden war. Der Name des Autors war Ernst Sarnold, von dem Josef wusste, dass dies das Pseudonym seines Vaters war. Inhaltlich handelte es sich, soweit sich Josef erinnert, um eine Abenteurergeschichte aus einem Land Südamerikas.
Im Winter 1941 wurde Ernst Schafer in Haft genommen und nach zahlreichen Ortswechseln im August 1942 als politischer Jude in das Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert. Dort wurde er nach mehrtägiger Folterung am 25. September 1942 erschossen. Die Anwesenheit, Behandlung und Erschießung Schafers in Mauthausen konnte von einem Augenzeugen, dem Mithäftling und früheren Bekannten Schafers, Vincent Sawel aus Wien, bestätigt und bezeugt werden.
Maria Tomischko erinnert sich daran, dass Pater Morlion 1941/42 in Wien anwesend war. Dieser hatte Schafer im Gefängnis betreut und Briefe zwischen ihm und seiner Frau vermittelt. Dazu überbrachte er Susanne Schafer, die zu der Zeit bei Marias Pflegeeltern wohnte, nach Schafers Ermordung dessen Nachlass. Diese Sammlung von Briefen, Fotos und Manuskripten ist in den 60er Jahren von Susanne Schafer vernichtet worden. Nur zwei Briefe Schafers aus der Haftzeit 1941/42, welche seine jüngste Tochter Regine als Kind heimlich an sich genommen hatte, sind erhalten geblieben.
Sie geben Zeugnis von einem Menschen, der sein Leben als verloren ansah und eine tiefe Schuld auf sich geladen zu haben meinte, nicht nur an seinem eigenen Schicksal, sondern vor allem am Schicksal seiner Familie.
Über den Verbleib von Schafers engsten Familienangehörigen ist folgendes zu berichten: Rosa Schafer wurde in England zu einer vielfach anerkannten Malerin und Graphikerin. Sie starb dort 1986. Ihr Sohn Wolfgang änderte seinen Namen, trat der englischen Armee bei und verstarb noch vor 1950. Susanne Schafer zog 1944 nach Deutschland zu ihrer Schwester, die ihre beiden jüngeren Töchter in Pflege genommen hatte. Sie starb dort 1984. Joseph Arnold und Maria Tomischko wuchsen bei getrennten Pflegefamilien in Wien auf. Joseph lebt heute in Kalifornien, Maria in Wien, Anna in Kanada und Regine in der Schweiz. Ernst und Susanne Schafer haben fünf Enkel und zwei Urenkel.
Anna Schafer, Guelph (Kanada)
Ernst Schafer hat seine Kindheit in Mähren verbracht und zwar in Znaim. Seine Eltern stammten aus Mähren, aus Gegenden um Freiwaldau und Prossnitz. Alle Vorfahren waren jüdischen Glaubens. Im Jahr 1915 meldete sich Schafer zur freiwilligen Kriegsteilnahme. Laut dem Haupt-Grundbuchsblatt lebte er damals in Mährisch-Aussee. In seinem Leben war Schafer mehrmals umgezogen, er lebte zum Beispiel in Wien oder in Paris. Schafer war zweimal verheiratet. Seine erste Ehefrau war Rosa Krombert, die zweite Ehefrau war Susanne Arnold, nach deren Nachname das Pseudonym Ernst Sarnold entstand. Ernst Schafer starb im Konzentrationslager in Mauthausen.
Ernst Schafer arbeitete bei mehreren Zeitschriften, in denen hat er seine Werke publizierte. Zu Schafers Werke gehören die Novelle Maria am Gestade, der Fortsetzungsroman Das Rätsel von Heideborcht oder die Erzählung Geschichte von den drei Glocken.
Werke |
Jahr der Publikation |
---|---|
Legende | 1919 |
Phantasie über das Vorspiel zum Fliegenden Holländer | 1925 |
Der Zaubergeiger | 1925 |
Wiederkehr | 1925 |
Brief an einen Künstler | 1925 |
Maria am Gestade | 1925 |
Charlie Chaplin | 1933 |
Das Rätsel von Heiderborcht | 1935 |
Geschichte von den drei Glocken | 1935 |
Kala-Bim, Kala-Bum | 1935 |
Anni, die Apfelfrau | 1935 |
Forschungsliteratur
Mnemosyne. ZEIT-Schrift für jüdische Kultur. Hg. v. Armin A. Wallas u. Andrea M. Lauritsch. Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Nr. 32 Ivan Klíma / Ernst Schafter. Klagenfurt 2010. |