V. A. Polák war der letzte deutschschreibende Dichter, der nach dem Krieg im Lande verblieb. Er kam aus einer traditionsreichen jüdischen Gemeinde und lebte seit 1928 in Olmütz. Nach dem Einmarsch der Nazis im März 1939 wurde er vorübergehend verhaftet, danach stand er unter Polizeiaufsicht. Im Herbst 1944 wurde er nach Theresienstadt deportiert (über das Durchgangslager Hagibor in Prag); im „Ghetto“ war er Mitglied einer Widerstandsgruppe.
In den dreißiger Jahren schrieb er Gelegenheits- und Liebesgedichte, die z. T. in der Lokalpresse veröffentlicht wurden, und verbreitete gegen die örtlichen Befürworter des Nationalsozialismus gerichtete satirische Flugblätter. Seine Erlebnisse aus der Okkupationszeit und seine Betrachtungen über die persönliche, nationale und gruppenspezifische Situation seit 1939 hat er in reflexiven Gedichten und Zeitgedichten poetisch gestaltet. In Theresienstadt entstand sein Zyklus Die Stadt der schwarzen Tore; die darin enthaltenen Gedichte verschiedener Gattungen und Stimmungen wurden z. T. von seiner Frau Olga Poláková ins Tschechische übersetzt. Veröffentlicht wurden sowohl die deutschen als auch die tschechischen Fassungen in verschiedenen Zeitschriften (z. B. in Mnemosyne, Klagenfurt 2000). Das Erlebnis des Verfolgtwerdens drückt Polák z. T. „dokumentarisch“, z. T. visionär aus. Er erfasst das Grauen in dem Alltag des Lagers, er fasst das Entsetzen, die Erinnerungen an die Ermordeten, seinen Patriotismus und auch die Erotik „in den Dachkammern“ in Worte. – Im Jahre 1975 erschien in Wien Poláks Gedichtzyklus Die große Einsamkeit (unter dem Pseudonym Roman zur March), der intime und religiöse Reflexionen enthält. In tschechischer Übersetzung (von Olga Poláková) erschien 1996 Poláks Sammlung jüdischer Sagen aus Mährisch Aussee, die ihm einst von inzwischen längst Verstorbenen oder Ermordeten in Jiddisch erzählt worden sind: Bílá paní z ghetta (Die weiße Frau aus dem Ghetto). Auf diese Weise erhält der Verfasser ein verschollenes Gebiet des jüdischen Geisteslebens und der Folklore für die Zukunft.
(Prof. Václavek)
Das immer noch das alte Haus ist
aus dem man uns vertrieben
der Garten davor, rosenumsaunt
Wo sind sie alle die hier gewoht
In meinen glückstillen Jugendjahren
Zu Asche verbrannt, keiner blieb verschont
Von allen einst meine Liebsten waren.
Ich gehe durch den Garten zu Tore hinaus,
die Tränen auf den Wangen den blassen.
Und fand auch alles, nicht mehr Elternhaus,
seit mich so einsam, allein gelassen-
Wo finde ich noch ihrer Leiber Rest
die Asche von ihren Herzen den roten
nur noch bei denen die schon lange verwest
unsere Ahnen sind, an den Gräbern der Toten,
Jahrhundert sieben, die von unserem Haus
ruhen stille dort in geweihter Erdekrume
noch einmal beten, dann ziehen in Fremde hinaus
der Letzte ich, aus geweihtem, alten, heiligen Bunde.
die Lücken am Dach Himmel zu den Lieben
die Zimmer blank im Hause drinn
Wie leere noch blutende Wunden -
doch keinen die bewohnten das Haus
von meinen Lieben nicht einen gefunden.