Karl Emerich Hirt wurde in Troppau in Schlesien als Sohn eines Bergwerkmeisters geboren, seine Familie jedoch stammt aus Wagstadt. 1868 übersiedelte seine Familie nach Wien, wo Hirt 1872 in die Volksschule eintrat, seit 1877 besuchte er Gymnasien in Wien, Köflach, Graz, dann in Bielitz in Österreichisch-Schlesien und in Brünn. Er verließ das Gymnasium ohne Reifeprüfung. Seine Schulzeit und seine Lehrer übten großen thematischen Einfluss auf sein Werk aus. Wieder in Wien besuchte Hirt kurz die Handelsschule von Prof. Glasser. Am 30.6.1890 wurde er in der Österreichisch-Ungarischen Bank angestellt. Er war in den Filialen in Warnsdorf (Böhmen), Wien, Innsbruck sowie Troppau (21.7.-12.9.1905) tätig und am 15.9.1905 begann er als Adjunkt seine Banklaufbahn in Innsbruck, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Am 24.5.1901 kam das erste seiner elf Kinder, die Tochter Marianne, zur Welt. Sein Privatleben verlief ruhig. Am 1.10.1923 wurde er als Oberinspektor pensioniert.
Er interessierte sich für Literatur, bildende Künste (eine langjährige Freundschaft verband ihm mit dem Maler Albin Egger-Lienz) und vor allem für Theater (Bekanntschaft mit einigen Mitgliedern des alten Burgtheaters). Aus den literarischen Kreisen gehörten Ferdinand von Saar, Adolf Wildbrandt und Anton Wildgans zu seinen Freunden. Literarisch ließ er sich von den größten deutschen Autoren beeinflussen: Goethe, Hörderlin, Eichendorff, Adalbert Stifter, Theodor Storm und Bertha von Suttner.
Sein ganzes Leben lang fühlte sich Hirt als "Sudetendeutscher", obwohl er in Tirol lebte (Brief vom 30.7.1943: „...Da ich mich stolz zum Sudetentum bekenne, ist man hier beleidigt und schaltet mich von aller Tirolerei grundsätzlich aus. O me miserum!“).
Sein erstes Gedicht wurde in Peter Roseggers Heimgarten gedruckt. Seine zweite Veröffentlichung war das Versepos Heereszug Gottes. Das Bekenntnis eines Deutschen (34 Versgruppen pro ca. 10 Verszeilen), das in langen jambischen Verszeilen verfasst und gereimt ist. Die Dichtersprache kann man als „feierlich kompliziert“ bezeichnen. Oft wurde dieses Gedicht mit Dantes Göttlicher Komödie verglichen, das Thema ist sehr ähnlich, im Text findet man aber keine direkten Hinweise auf Dante. Das Werk ist in zehn Abschnitte geteilt, die Bilder werden kaleidoskopartig aneinandergereiht - Schreckvisionen und erhabene Bilder zusammengemischt. Hirt nennt sich selber im Prolog einen Seher, indem er die Entstehung der Dichtung als Ergebnis der Beobachtung der Bilder, die in seinem Gedächtnis entstanden, betrachtet. Das Epische wird von der Schilderung der Gefühle des Dichters zurückgedrängt, Zeit und Ort spielen keine Rolle, die Sprache ist sehr emphatisch. Der Kampf der Heere Gottes mit der Hölle endet mit dem ewigen Sieg Gottes. Hirts Bewunderung für Homer und Dante ist deutlich.
1919 erscheint seine erste Gedichtsammlung Gott bleibt Sieger! Sie beinhaltet 150 Gedichte, die während des Ersten Weltkriegs geschrieben, und von denen 58 1914-1918 in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden,
„…um dem Ausland Beweise vorzulegen, daß auch während des Krieges im deutschen Volke alle seine alten und heiligen Gesinnungen lebendig geblieben sind und sogar von der Zensur nicht unterdrückt werden konnten“ (Nachwort des Herausgebers in: K. E. Hirt, Gott bleibt Sieger!, 1919, S. 185).
Im Vorwort, das 1919 geschrieben wurde, beschreibt der Autor seine Zeit als eine Zeit der Wende, nachdem „ein tausendjähriges Lügenreich“ (S. 1) zusammengebrochen ist, er fordert die Leser auf, für die Ankunft des Propheten bereit zu sein. Die Sammlung ist sowohl thematisch - Kriegslyrik, Reflexionslyrik, die den Krieg indirekt behandelt, Stimmungslyrik -, als auch formal nicht einheitlich. Alle Gedichte sind gereimt, man findet hier Gedichte mit langen Versen, aber auch Sonette usw. In den Kriegsgedichten ist die Verwandlung der Einstellung des Autors zum Krieg sichtbar - von der anfänglichen Begeisterung, die den Krieg als eine Erlösung der sündigen Menschheit empfindet, dann aber in patriotische und nationalistische Gefühle mündet ("Es mußte sein! - Der Geist der Zeit und uns'res Volk's hat es gewollt, kein Gott galt mehr!..." S. 6), die oft gegen die Feinde des „deutschen Volkes“ - vor allem England - gerichtet sind. Darunter mischen sich biblische Bilder der Apokalypse, es wird das Elend der Kriegszeit beschrieben, einmal sieht er den Krieg als eine „Zeitenwende“ (Gedicht an Anton Wildgans, S. 15-16), einmal als das „Ende...“ (S. 14), aber der begeisterte Ton zieht sich wie ein Faden durch die ganze Sammlung. Die Gedichte sind chronologisch geordnet, deswegen auch sehr inkohärent - nach einem bluttriefenden Heldengedicht kommt häufig ein stimmungsvolles Natur-Gedicht, das von einer Wanderung inspiriert wurde usw. In solchen Gedichten geht die harte kriegerische Entschiedenheit in eine milde Besinnung über. Der Dichter besingt sein Vaterland (Österreich, Österreichisch-Schlesien), das Heldentum, das kulturelle Erbe der Deutschen, das Deutschtum - das alles vor einem stark christlich-gläubigen Hintergrund -, anderseits besingt er die Schönheit der Natur und wird durchaus sehr lyrisch.
1923 trat Hirt in den Ruhestand und begann sich mit der Literatur intensiver zu beschäftigen. Den überwiegenden Teil seines Werkes bilden Novellen. Nach einigen Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften und nach einem Streit über das Deutschtum mit Karl Kraus in seiner Zeitschrift Die Fackel erschien 1925 seine erfolgreichste Novelle Contessa Hekuba in der Zeitschrift Die Kultur. Halbmonatszeitschrift für Bücherfreunde. Sie weist mehrere typische Züge seiner novellistischen Schöpfung auf: Es ist eine Rahmennovelle, die den Leser in Hirts Erinnerungen führt, und sie ist stark autobiographisch. Der Erzähler ist ein alter Mann, der sich an seine Jugendzeit in Brünn um 1880 erinnert. In der Novelle werden die Beziehungen zwischen den Tschechen und den Deutschen in Brünn am Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben, die politischen Ereignisse und Bewegungen. In den Burschenschaften diskutiert man über Politik und über Literatur im Hinblick auf das Deutschtum (bzw. Sudetendeutschtum), zu den wichtigsten Themen gehören: Romantik, Antike, deutsche Klassik, Philosophie, Christentum, Sittlichkeit, Religiosität und Mystik. Besonderer Wert wird auf die „Volkserziehung“ nach den großen Vorbildern gelegt. Die Novelle ist in elf Teile gegliedert, man kann sie als realistisch bezeichnen, sie trägt aber auch romantische Züge (Dunkelheit, Einsamkeit der Hauptfigur, Traumszenen, Herbst, Zitate aus Eichendorff...) und an manchen Stellen könnte man sogar über eine magische Novelle sprechen (übernatürliche Elemente - Gestalt der Prinzessin, Hellsehen, Telepathie, „Gruselatmosphäre“...). Politik und Mystik werden hier als „zwei Seelen“ in der Gestalt von „Contessa“ vereinigt. Für diese Novelle erhielt Hirt 1925 in Wien den ersten Literaturpreis.
1937 erschien der Novellenband Menschen aus Österreich, der diese und zehn andere Novellen beinhaltet (Contessa Hekuba; Der Doktor Friedl von Igls; Dem Gerechten gedeiht alles zur Liebe. Ein Schulerlebnis; Blanke Kraft; Der rote Kastellan; Dr. Gerold und sein Buch an die Jugend; Anselm Feuerbachs leidvolles Glück; Das Gericht der Störche und Aus den „Erinnerungen eines Wiener Buben“: Der zerbrochene Spiegel; „Fürchte nichts so sehr wie die Furcht“; Der Farbenkasten). In der Zwischenzeit schrieb Hirt Kunstkritiken und Essays in verschiedene Zeitschriften.
In seinen Novellen kann man das „spezifisch österreichische Lebensgefühl“ ähnlich wie bei F. von Saar oder H. von Hofmannsthal finden (F. Martini: Dt. Literaturgeschichte, S. 376), Hirt fand Inspiration in den historischen Ereignissen und Verhältnissen in der Monarchie, in eigenen Erinnerungen und Erlebnissen vor diesem österreichischen Hintergrund. Einige Motive kommen in seinen Novellen immer wieder vor: das Motiv des gerechten Lehrers (Dem Gerechten gedeiht alles zur Liebe, Unser Deutsch-Professor Dr. Kwertuifl), der dem Autor als ein Beispiel des moralischen Handelns dient. Die Erziehung „im Geiste des deutschen Volkes“ spielt in Hirts Werk eine bedeutende Rolle. Ein anderes Motiv ist das Motiv des Selbstmordes, das fast in jeder Novelle zu finden ist. Hirt hält den Selbstmord für eine Frage der freien Wahl. Geistige Krankheiten erscheinen in den Novellen als schicksalhafte Schläge, die aber geheilt werden können (Der Doktor Friedl von Igls). Das Phantastische und das Unerhörte findet man auch in mehreren Novellen - Hirt setzte sich mit dem Okkultismus, mit der Psychologie und Parapsychologie auseinander.
Nach einer längeren Pause, die wohl seine Erschütterung durch den Zweiten Weltkrieg verursacht hat (er hat zwei Söhne verloren), erschien 1948 seine Novelle Gloria in dolores. Zum 50. Todestag der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich (Amalthea-Verlag, Wien, 1948). Die Handlung spielt im Jahre 1884, Kaiserin Elisabeth wird hier als eine Kennerin und Liebhaberin der Kunst dargestellt, sie fördert die Künstler indem sie sie inspiriert. Bildhauer Bringktorff wird hier als Stellvertreter einer klassischen von den Griechen inspirierten Kunst dargestellt. Die griechische Kunst ist als das beste Produkt des menschlichen Geistes gekennzeichnet, das nicht mehr zu übertreffen ist. Das Hauptmotiv der Novelle ist der tragische beinah schicksalhafte Tod (Zerstörung der Statue, Tod des Kronprinzen Rudolf, Tod der Kaiserin...), der sich mit den griechischen Mythen (Figuren der Nausikaa, Leukothea, Andromache) verbindet. Der Tod stellt zugleich die einzige Lösung für das irdische Leiden dar (Gloria in dolores). Zum Ausdruck kommt in dem Text die Bewunderung der antiken (Reisen nach Italien, Korfu) aber auch der deutschen Kultur, die hier durch Hölderlin und Heinrich Heine verkörpert wird. Die Novelle endet, nachdem der Bildhauer seiner neuen Statue die Gestalt der Kaiserin einprägt. Von der Schönheit der Statue wird sogar der Kaiser selbst zutiefst ergriffen.
1949 erschien seine Novelle Goethe und die polnische Viktuzsa. Es ist eine Hommage an Goethe nicht nur als einen genialen Dichter, sondern auch als einen Menschen vorbildlicher - obgleich nicht gewöhnlich bürgerlicher - Moral und Menschlichkeit. In der Novelle wird der Unterschied zwischen dem „nordisch-apollinischen Menschen“ (Goethe) und dem „slawischen Blute“ klar gedeutet, die gewaltige polnische Religiosität wird als heidnisch bezeichnet.
Im Jahre 1956 wurde Hirt zu seinem neunzigstem Geburtstag der Titel eines Professors h.c. verliehen. Einige seiner Gedichte wurden von Leo Wegner, Josef Peter Rohr und Albinus Kappelsberger vertont und aufgeführt.
Vlasta Jiranová, Olmütz