Ferdinand von Saar wurde in Wien in der Laimgrube Nr. 19 (jetzt Getreidemarkt) geboren. Er stammte aus einer alten Familie höherer Beamter. Sein Großvater väterlicherseits, Adam von Saar, war Ober-Hofpostamts-Controllor, eine beim Postamt damals ziemlich hohe Stellung. Sein Vater Ludwig von Saar hat kein öffentliches Amt bekleidet, er diente als Kadett im Infanterieregiment No. 1, hat die Befreiungskriege, z. B. die Schlacht bei Leipzig 1813, mitgemacht, zog sich dann ins Privatleben zurück und starb im Jahre 1834, kaum 34 Jahre alt, plötzlich an einem Herzinfarkt. Nach seinem Tode wurde der verwaiste Ferdinand im Hause seines Großvaters mütterlicherseits, Ferdinand Edler von Nespern, erzogen, gleich seinem Vetter August von Pettenkofer, dessen Mutter auch frühzeitig Witwe geworden war und ebenfalls mit ihren Kindern im Hause des Großvaters lebte.
Der kleine Saar hat die städtische Schule im Heiligenkreuzerhofe und auch die des städtischen Waisenhauses besucht. Dann kam er an das Schotten-Gymnasium. Im Jahre 1849 entschied sein Vormund, dass er Kadett in der österreichischen Armee werden solle, schließlich wurde er Berufsoffizier. Er lebte dann unter schwierigen materiellen Bedingungen und hatte viele Schulden. Als Soldat lernte er Olmütz, Brünn, Iglau, Theresienstadt und Prag kennen und nahm im Jahre 1859 am italienischen Feldzug teil.
Dann verließ er jedoch das Militär und lebte als freischaffender Schriftsteller meist in Wien und auf Besitzungen befreundeter Adelsfamilien (Blansko, Raitz). Im Jahre 1873 besuchte er Italien, nach seiner Rückkehr lebte er erst in Ehrenhausen in der Steiermark, dann wieder in Wien. Seine Hochzeit mit Melanie Lederer fand auf dem Schloss Blansko bei Brünn statt (1881), wo er auf Einladung von Elisabeth von Salm-Reifferscheidt zu dieser Zeit lebte. Nach nur dreijähriger Ehe verlor er aber seine Frau. Er wurde im Jahre 1903 Mitglied des Herrenhauses. Schließlich beging er, unheilbar erkrankt, Selbstmord.
Seine Erstlingswerke sind nicht überliefert, er hat fast alle vernichtet. Erhalten sind nur - dank seinem Freund Stephan Milow - ein Fragment des Sonettenkranzes Die Kunst und die kulturhistorische Novelle Elsbeth. Anton Bettelheim stellt fest, dass Elsbeth an spätere Leistungen Saars erinnere: „In der Form einer poetischen Erzählung in Hexametern präludiert Elsbeth dem Alterswerk Saars Hermann und Dorothea, in der Stoffwahl den Novellen aus Österreich.“
Zuerst schrieb Saar Gedichte. Als realistischer Lyriker war er von Lenau, Grün und Grillparzer beeinflusst. Als Dramatiker ist er beinahe ohne Bedeutung, nur seine zweiteilige Tragödie Kaiser Heinrich IV. hat ihn bekannt gemacht. Grillparzer hat sie als ein Meisterstück bezeichnet.
Erst seine Novellen und Erzählungen waren aber beim Leserpublikum beliebt, schon sein Prosa-Erstling Innocens fand Beifall. Sein Prosawerk hat viele Dekadenz-Elemente, seine Novellen spielen auf dem mährischen Lande und in Wien. Sein Alterswerk Hermann und Dorothea befasst sich mit der Nationalfrage. Während es bei Goethe im gleichnamigen Werk um die Beziehung zwischen den Deutschen und Franzosen geht, ist es hier die zwischen Deutschen und Tschechen. „Wir leben in Mähren/und, dem Himmel sei Dank! nicht oben im böhmischen Lande,/Wo sich Tschechen und Deutsche bereits bis aufs Messer bekämpfen,/Und auch Blut schon gegossen“, liest man dort. „Unüberwindlich ist der deutsche Geist!“ heißt es weiter.
Der Verfasser schildert oftmals düstere, schwermütige Schicksale von Sonderlingen, von Menschen, die moralisch oder psychisch nicht völlig normal sind, des Öfteren enden seine psychologischen Novellen mit einem Mord oder Selbstmord. Saar wird wegen der schlichten Schönheit seiner kultivierten Novellen, die auf den Wiener Impressionismus hindeuten, auch als österreichischer Theodor Storm bezeichnet. Er war mit Moritz Hartmann und Marie von Ebner-Eschenbach jahrelang befreundet.
(Jiří Veselý)
Ferdinand von Saar wurde in Wien geboren. Er stammte aus einer Familie hoher Beamter. Als Soldat diente er in mehreren böhmischen und mährischen Städten (Brünn, Iglau, Prag). Von 1849 bis 1851 verweilte er als Kadett des 16. venezianischen Infanterieregiments in Olmütz. Später wirkte er als freier Schriftsteller in Wien. Er wurde oft von adeligen Mäzenen unterstützt und hielt sich auch auf deren Gütern in Mähren auf (Blansko, Raitz). Unheilbar krank, beging er im Jahre 1906 Selbstmord.
Saar ist Autor eines umfang- und facettenreichen Werkes. Seine Leserschaft fand Gefallen an seinen Erzählungen und Novellen, die oft in Mähren oder Wien spielen (Novellen aus Österreich, 1877; Doktor Trojan, 1896) und sich an der Grenze zwischen Realismus, Naturalismus (Die Steinklopfer, 1874) und Dekadenz bewegen. In seinen Texten befasste er sich oft mit nationalen Problemen (Epos Hermann und Dorothea, 1902). Saar schrieb auch Lyrik (Wiener Elegien, 1893) und Dramen (die zweiteilige Tragödie Heinrich IV., 1863).