M. Lichnowsky ist sowohl durch eigenes literarisches Schaffen als auch durch viele Kontakte zu den Schriftstellern der deutschen (R. M. Rilke, J. R. Becher, H. von Hoffmannsthal, C. Sternheim etc.), deutsch-französischen (A. Kolb) und englischen (J. B. Shaw, R. Kipling) Literatur bekannt.
Nach der Heirat mit K. M. Lichnowsky (1904) lebte sie in Grätz bei Troppau, Kuchelna und London, später in Berlin, Cap d´Ail bei Monte Carlo und seit 1949 wieder in London.
Obwohl die literarischen Anfänge M. Lichnowskys durch verschiedene Genres geprägt wurden, konzentriert sie sich später vor allem auf den Roman. 1917 wurde ihr erster Roman Der Stimmer veröffentlicht. Die Autorin setzt sich im Werk mit den Fragen nach der Botschaft der Sprache und Musik auseinander. In K. Wolffs Verlag erschien das untypische Reisebuch Götter, Tiere und Könige in Ägypten, in dem die historisch-geographischen Informationen von der Schilderung der subjektiven Eindrücke M. Lichnowskys verdrängt werden. Mit dem Todesthema befasst sich M. Lichnowsky im Drama Ein Spiel vom Tod. Inhaltlich geht das Werk nicht nur auf den Problemhorizont des individuellen Todes ein, sondern die Verfasserin konzentriert sich auch auf die Kritik an der Gesellschaft. Die Thematik der Sprache und des Gesprächs dominiert im Werk Der Kampf mit dem Fachmann, in dem die Autorin auf die beschränkten Möglichkeiten der menschlichen Kommunikation hinweist. Die Sprache wird auch in der Erzählung Das Rendezvous im ZOO problematisiert. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges entstand die Tragödie Gespräche in Sybaris (1941), in der die Geschichte vom Untergang einer Stadt als Allegorie für den Verfall menschlicher Werte ausgearbeitet ist. Autobiographisch motiviert ist nicht nur der Roman Kindheit (1954), sondern auch die in Wien verbrachten Jugendjahre der Autorin wurden zum Thema des Romans Der Lauf der Asdur. Die Problematik der Sprache und deren Missbrauch zur Zeit des Dritten Reiches spielen eine wichtige Rolle im Werk M. Lichnowskys Worte über Wörter. Die Schriftstellerin beweist aufgrund einer Analyse von Hitler-Zitaten, dass die Sprachmoral mit den moralischen Werten insgesamt zusammenhängt. Das letzte unvollendete Werk Heute und Vorgestern besteht aus Erinnerungen, Aphorismen und Gedichten.
Während des Ersten Weltkrieges entstand die Freundschaft zwischen M. Lichnowskys und R. M. Rilke. Rilkes Briefe an die Fürstin Lichnowsky sind einerseits von einer großen Bewunderung der Reisebeschreibung Götter, Tiere und Könige in Ägypten durchdrungen, andererseits vermitteln sie viele Informationen über Rilkes persönliche und finanzielle Probleme. 1918 wandte sich Mechtilde Lichnowsky mit der Bitte um finanzielle Unterstützung des Dichters an ihren Bekanntenkreis. Obwohl die Initiative der Fürstin infolge der Kriegsereignisse nicht erfolgreich war, haben sich die Freunde M. Lichnowskys um die Herausgabe einiger Werke des Schriftstellers (z. B. Puppen – Zu den Wachspuppen von Lotte Pritzel) verdient gemacht.
Am 26. 3. 1916 hat der morphiumsüchtige und völlig ausgeschöpfte J. R. Becher einen Brief an M. Lichnowsky gerichtet, in dem er sie um finanzielle Hilfe gebeten hat. M. Lichnowsky und H. Kessler halfen dem expressionistischen Dichter bei der Überwindung seiner finanziellen und gesundheitlichen Probleme. In diesem Zusammenhang wurde M. Lichnowsky in der Korrespondenz J. R. Bechers überwiegend positiv charakterisiert, was ebenfalls das der Fürstin gewidmete Gedicht Bechers Ode an eine Fürstin (1916) belegt.
Die Freundschaft M. Lichnowskys mit H. von Hofmannsthal wird durch eine hohe Anerkennung des literarischen Schaffens dieses Autors gekennzeichnet. Ende September 1910 hat H. von Hofmannsthal einige Tage auf dem Herrschaftsgut der Lichnowskys in Grätz bei Troppau verbracht und in demselben Jahr besuchte M. Lichnowsky den Schriftsteller in Rodau. Weitere Kontakte H. von Hofmannsthals mit M. Lichnowsky wurden auf der Ebene der Korrespondenz gepflegt und nach dem Tode des gemeinsamen Freundes W. von Staufenberg (1918) beendet. Der literarische Einfluss H. von Hofmannsthals auf das Schaffen M. Lichnowskys fand vor allem in der Verarbeitung der Todesthematik (Ein Spiel vom Tod) seinen Nachhall.
Auf K. Kraus hat M. Lichnowsky zum ersten Mal Dezember 1913 K. Wolff aufmerksam gemacht. Trotz Kraus´ kritischer Besprechungen einiger Werke M. Lichnowskys entwickelte sich zwischen der Fürstin und dem Autor eine jahrelange Freundschaft. Obwohl der Anfang der erwähnten freundschaftlichen Beziehung mit dem Frühling 1917 verbunden ist, stammen die ersten Briefe von Kraus an die Fürstin Lichnowsky erst vom Sommer 1918, den er auf den Schlössern Janowitz (S. Nádherná) und Pottenstein (M. Dobrženská) verbrachte. Im August 1920 besuchte K. Kraus zum ersten Mal Grätz bei Troppau und Kuchelna. Im Laufe des gemeinsamen Aufenthaltes in Pottenstein widmete Kraus der Fürstin sein Gedicht Du, seit langem einziges Erlebnis und auch später hat er seine hohe Anerkennung M. Lichnowskys im Gedicht An eine Heilige zum Ausdruck gebracht.
Da M. Lichnowsky auch musikalisch tätig war, hat sie einige Teile des Werks J. Nestroys vertont, an dessen Wiener Aufführung sich K. Kraus beteiligte. Das literarische Schaffen M. Lichnowskys und ihre Kontakte zu den Schriftstellern der ersten Hälfte des 20. Jh. bereichern nicht nur die Literatur- und Musikgeschichte ihres Geschlechtes, sondern sie sind auch in Bezug auf die Literaturgeschichte der deutschsprachigen Länder von großer Bedeutung. (Iveta Rucková, Olmütz)
Lichnowsky entstammte der gräflichen Familie Arco-Zinneberg. Nach der Heirat mit Karl Max Fürst Lichnowsky (1904) lebte sie in Grätz bei Troppau und Kuchelna. Später hielt sich Lichnowsky in London, München und in Südfrankreich auf. Lichnowsky ist sowohl durch ihr eigenes literarisches Schaffen als auch durch ihre Kontakte zu bedeutenden Schriftstellern (etwa R. M. Rilke, J. R. Becher, F. Wedekind, K. Kraus) oder Verlegern (Kurt Wolff) bekannt. Langjährige Korrespondenz verband Lichnowsky mit Karl Kraus. Lichnowskys Bücher wurden während des Nationalsozialismus verboten, nach ihrem Besuch in Deutschland 1939 erhielt sie Hausarrest. Seit 1946 lebte sie in London.
Lichnowskys Frühwerk ist durch eine Vielfalt an Genres gekennzeichnet, später konzentrierte sie sich jedoch v. a. auf den Roman. Im Vordergrund stehen Themen wie Sprache und Musik (Roman Der Stimmer, 1917), Sprachskepsis (die die beschränkten Möglichkeiten der Sprache reflektierende Satire Der Kampf mit dem Fachmann, 1924) und Sprachmissbrauch (die zur Zeit des Dritten Reiches entstandene Satire Worte über Wörter, 1949). Während des Zweiten Weltkriegs verfasste Lichnowsky die allegorische Tragödie Gespräche in Sybaris (1941), in der der Verfall menschlicher Werte geschildert wird. Das Krisenbewusstsein und der Zweifel an der Sprache rücken in ihren zum großen Teil autobiographischen Romanen (Kindheit, 1934; Der Lauf der Asdur, 1936) in den Hintergrund.
Lexikon deutschmährischer Autoren. Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2003.
Motyčka, Lukáš/Veselá, Barbora (Hgg.): Anthologie der deutschmährischen Literatur. Universita Palackého v Olomouci, Olomouc 2014.
Braunbehrens, Volkmar: Mozart in Wien. o.V., München 1986.
Castle, Eduard/Pechowitz, Hilda (Hgg.): Goethe und Österreich. o.V., Wien 1949.
Czibulka, Alfons: Mozart in Wien. o.V., Gütersloh 1962.
Hanecker, Wilhelm: Mechtilde Lichnowsky. In: Ott, Ulrich (Hg.): Marbacher Magazin 64 für die Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum in Marbach (Marbach 1993).
Lichnowsky, Leonore: Aus der Geschichte unserer Familie. In: Stachelin, Martin (Hg): Das Beethoven-Bildnis des Isidor Neugaß und die Familie Lichnowsky. o.V., Bonn 1983.