Rosenfeld absolvierte das Gymnasium in Ungarisch Hradisch und ging anschließend zum Studium der Kunst und Philologie nach Wien, wohin auch seine Mutter, Jeanette Rosenfeld geb. Jellinek, ihr Geschäft für Brautmoden verlegt hatte. Mit einer Promotion über Philipp Otto Runge in der Romantik (1. Gutachter: Jakob Minor, 2. Gutachter: Joseph Seemüller) schloss er dort sein Studium 1908 ab. Die Arbeit scheint nicht erhalten zu sein.
Früh geriet Rosenfeld in den Bannkreis von Theodor Herzl, dessen zionistische Ideen den jungen Rosenfeld wesentlich prägten. Herzl führte ihn auch in zionistische Pressekreise ein, und so begann Rosenfeld eine bemerkenswerte journalistische Karriere. 1904 gehörte Rosenfeld zu den Mitbegründern der jüdischen Studentenzeitschrift „Unsere Hoffnung“, zu der er zahlreiche Aufsätze und Rezensionen beisteuerte. Als Kritiker arbeitete er auch für „Die Welt“ und die „Jüdische Volksstimme“. Rosenfelds Interesse galt schon früh der Auslotung eines dezidiert jüdischen Kunstbegriffs. Sein Engagement blieb aber nicht auf den Journalismus beschränkt: 1909 gehörte er – u.a. neben Hugo Zuckermann – zu den Begründern der „Jüdischen Bühne“ Wiens, die zwar nicht lange bestand, immerhin aber für sich in Anspruch nehmen konnte, das erste jüdische Theater der österreichischen Metropole gewesen zu sein. Rosenfeld setzte sich aber auch weiterhin für die Schaffung einer jüdischen Theaterszene ein: Neben seinem indirekten Wirken durch zahlreiche Kritiken und Rezensionen wurde er mehrfach abermals selbst aktiv und holte u.a. das Ensemble des Moskauer jüdischen Theaters „Habima“ erstmals nach Wien (1926). Außerdem gehörte er 1927 erneut zu den Gründern eines jüdischen Theaters: Er rief die „Jüdischen Künstlerspiele“ mit ins Leben. Anlässlich seines 50. Geburtstages wurde dieses breite Engagement für die jüdische Theaterszene Wiens durch einen Oskar-Rosenfeld-Theaterabend auch ausgiebig öffentlich gewürdigt.
Rosenfelds literarisches Schaffen begann 1910 mit seiner Erzählung Die vierte Galerie. Ein Wiener Roman. Mittelpunkt dieses impressionistischen Romans ist Michael Irrgang, ein junger jüdischer Student, der mit seinen Freunden – Deutschen, Juden und russischen Emigranten – in der vierten Galerie des Wiener Opernhauses vor allem Wagners Werken lauscht. Hanno Loewy fasst den Gehalt der Erzählung präzise zusammen:
Die Handlung wird in einem schwerelosen Stimmengewirr entfaltet und verbleibt im Ungefähren. Die vierte Galerie, der Olymp des Opernhauses, mit seiner wogenden Menge, romantischen Träumen nachhängender Jugend, wird zum Sinnbild der Erwartung auf ein erlösendes Ereignis. Michael Irrgang [...] weiß ebenso wenig wie seine Freunde, wohin seine schweifenden ästhetischen Energien wie erotische Sehnsüchte sich hinwenden sollen.
Der Roman erfuhr eine kontroverse Aufnahme. So lehnte beispielsweise Felix Stössinger im „Literarischen Echo“ (15.10.1910) Rosenfelds Romankonzeption rundheraus ab:
Rosenfelds stotternde Schilderung ist mit der Ungewandtheit des Anfängers bemüht, das Eruptive dieser Kreise im Stile des Buches zu spiegeln. Da der Verfasser sich nicht über das Durchschnittsniveau seiner Objekte erhebt und sich einem noch nicht überwundenen Zustand gegenüberstellt, ist die Lektüre so ermüdend wie der Verkehr mit Leuten vom Schlag seiner Helden.
Hermann Hesse dagegen urteilte milder, wenn er Rosenfelds Roman in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (27.07.1910) so beschrieb:
Mitten aus dieser kleinen Welt heraus spricht das Buch, halb überlegen, halb befangen, selber jung und altklug, jung und töricht, jung und begeistert. Neben dem oft schwächlichen Lyrismus und oft müden Intellektualismus der jungen Wiener Literatur wirkt das kleine bunte Buch erfreulich kräftig und lebendig.
Zu Rosenfelds frühen Werken gehören auch kleinere Gedichte, die er an verschiedenen Orten publizierte. Zu den gelungensten zählt das 1911 im „Merker“ abgedruckte Manche tiefe Stunde:
Wenn die Bäume sich verdüstern, / Merkst Du tausend Schatten kauern. / Bald beginnt dein Leid zu flüstern. / Nachtgespenster drohn und lauern. // Lichter dämmern schwach und schwächer. / Nur zwei giftig grüne Funken / Gleißen rings um Kirchturmdächer. / Nacht ist in den See gesunken, // Pocht an deine Schläfen, Bruder, / Jeder Laut will sanft zerschellen, / Rührt mit silberblankem Ruder / Deiner Inbrunst süße Wellen. // Und du fühlst, dem All verbunden / Wie ein An-sich-selbst-besinnen / In der tiefsten deiner Stunden / Nur des Blutes bangen Rinnen.
1914 erschien Rosenfelds erste Kurzgeschichte: Mendel Ruhig. Eine Erzählung aus dem mährischen Ghettoleben. Sie wurde in der Folge mehrfach in diversen Zeitschriften und Zeitungen abgedruckt. Im Zentrum der Erzählung steht der Titelheld Mendel: Als Vierzehnjähriger will dieser eines Nachts einen Segensspruch über den Regen sprechen. Doch ein unglücklicher Griff nach dem Gebetbuch führt zur Katastrophe, die Mendels weiteren Lebensweg bestimmen wird: Der Schrank stürzt um und erschlägt seine Eltern. Fortan lebt Mendel vereinsamt in seiner Gemeinde, er wird Kostgänger und Gemeindediener, wohnt alleine und in ärmlichen Verhältnissen im ehemaligen Frauenbad. Eines Tages macht er sich auf, einen nahen Berg zu besteigen, um von dort „die große Stadt zu schauen“. Von dort kehrt er nicht mehr zurück – was mit ihm geschehen ist, bleibt unklar.
Auch als literarischer Übersetzer ist Rosenfeld bekannt geworden. Im Kreise von Martin Buber, Berthold Feiwel und Hans Müller tat er sich als Interpret der ostjüdischen Literatur hervor und übersetzte u.a. Scholem Alechem, Bialik, Asch, Reisen und Perez.
Der Erste Weltkrieg brachte Rosenfeld nach Sofia, wo er im Auftrage der österreichisch-bulgarischen Handelskammer Chefredakteur der „Bulgarischen Handelszeitung“ wurde. Obgleich Rosenfeld am Ende seiner Tätigkeit, wie er später in einem Brief an Edward Beneš schrieb, aus politischen Gründen „in Gegensatz zur Politik der Mittelmaechte geriet“, wurde Rosenfeld am 17. Mai 1918 noch vom Kaiser das Ritterkreuz des Kaiserlich-Österreichischen Franz Joseph-Ordens verliehen.
1920 erschienen sechs Novellen Rosenfelds unter dem Titel Tage und Nächte. Dem kleinen Bändchen widerfuhr eine große Beachtung. V.a. die den Erzählungen vorangestellte, impressionistische Definition dessen, was eine Novelle enthalte, wurde mehrfach zitiert:
Das Alltägliche und das Wunderbare, sie stammen aus derselben menschlichen Quelle. Und doch – wer kann sie deuten? Ein Augenblick nur, daß Schicksale sich enthüllen, so daß der Mensch zum Helden wird oder verdirbt. Ein Augenblick nur, daß der Mensch sich erkennt und im kleinen Wörtchen „Vielleicht“ Trost findet. Bekenntnis und Erkenntnis, Tatsache und Tat stehen hart nebeneinander und in Ewigkeiten getrennt.
Im Mittelpunkt von Rosenfelds Erzählungen stehen immer wieder Figuren, die entfremdet in einer beinah surrealen Umwelt leben, an der sie scheitern. Am eindrucksvollsten ist sicher die Novelle Joachims Verzweiflung, in der der Titelheld, ein Bahnwärter, in der slowakischen Provinz seinen Dienst tut und zusehends verzweifelt. Am Ende stellt er – ohne ersichtlichen Grund – die Weichen falsch, wodurch der heranbrausende Zug wohl entgleisen wird.
Ab 1923 ist Rosenfeld als Redakteur bei der „Wiener Morgenzeitung“ fest angestellt. Hier setzt er sein intensives Wirken für eine jüdische Kunst weiter fort; immer mehr wird er jedoch auch zum politischen Kommentator. Diese Tendenz verstärkt sich noch mit seinem Übertritt in die Redaktion der „Neuen Welt“ 1929, nachdem die „Wiener Morgenzeitung“ eingestellt werden musste. In diesem, dem zionistischen Revisionismus verpflichteten Organ, wird Rosenfelds Stellung immer wichtiger. Er avanciert schließlich zum Chef des kulturellen Teils der Wochenzeitung. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bereitete 1938 Rosenfelds Wiener Wirken ein jähes Ende. Zusammen mit seiner Frau Henriette emigriert er nach Prag, wo er als Korrespondent des Londoner „Jewish Chronicle“ arbeitet. Nicht nur die Arbeit für das englische Blatt bestärkten Rosenfeld in seiner Absicht, nach England zu übersiedeln.
Während seine Frau 1939 als erste nach Großbritannien ging, schaffte Rosenfeld selbst diesen rettenden Sprung nicht mehr: Der Krieg hatte begonnen und Rosenfelds Lage wurde aussichtslos. Zusammen mit 5000 weiteren Prager Juden wurde er 1941 schließlich in das Ghetto Lodz deportiert. Rosenfeld fand dort relativ schnell Anstellung in der Statistischen Abteilung des „Judenältesten“, der im Ghetto Lodz eine weitverzweigte Verwaltung unterhielt. Die Aufgabe dieser Abteilung war es, Quellen „für zukünftige Gelehrte, die das Leben einer Jüdischen Gemeinschaft in einer ihrer schwersten Zeiten studieren“ zu sammeln, wie es Henryk Neftalin, der Gründer des Archivs, formulierte. Mehr noch: Eine „Schatzkammer für zukünftige Historiker“ sollte sie sein – so der erste Direktor der Abteilung, Jozef Klementynowski. In ihren Zielen ähnelte die Statistische Abteilung durchaus jenen der Oneg Schabat-Gruppe um den Historiker Emanuel Ringelblum im Warschauer Ghetto – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Die Mitarbeiter der Statistischen Abteilung in Lodz waren anders als die Warschauer Archivare ganz offiziell „Beamte“ der scheinbaren jüdischen Selbstverwaltung und damit auch deren Sicht der Dinge weitgehend verpflichtet. Besonders die ab dem 12. Januar 1941 täglich erstellte Ghetto-Chronik diente den skizzierten Zielen. Julian Cukier wurde der erste Leiter des Projektes. Unter der Ägide des unter dem Pseudonym Stanislaw Cerski in Polen populären „Republika“-Journalisten wurden Tag für Tag Bevölkerungsstand, Versorgungslage, Wetter und vieles mehr in polnischer Sprache notiert – ob mit Wissen der deutschen Ghetto-Verwaltung ist nicht mehr ganz klar. Lucille Eichengreen, im Ghetto eine der Sekretärinnen in der Statistischen Abteilung, berichtete von der ständigen Angst, dass die Deutschen zu Kontrollen kommen und die erstellten Texte lesen könnten. Sie war überzeugt, dass zumindest Hans Biebow, der Leiter der deutschen Administrative, von dem Projekt wusste. „Durch seine Spitzel war er bestens über alles informiert“, erinnert sie sich. Auch Mordechai Chaim Rumkowski, der von den Deutschen bestellte „Älteste der Juden in Litzmannstadt“, nahm Einfluss und kontrollierte nicht selten die Texte.
Cukier, der erste Leiter, wurde wie viele andere ernsthaft krank: Die ständige Unterernährung, die Kälte und die hygienischen Bedingungen setzten ihm derart zu, dass er aufhören musste zu arbeiten. Die Chronik wurde nunmehr vier Monate lang in deutscher und polnischer Sprache weitergeführt, die Leitung übernahm zunächst kommissarisch und dann endgültig der Prager Journalist und Zionist Dr. Oskar Singer. Unter seiner Ägide arbeitete Rosenfeld am produktivsten: Er erstellte kurze Reportagen, kleinere Kritiken, verfasste zahlreiche Beiträge für den „Kleinen Ghetto-Spiegel“ und war somit einer der entscheidenden Redakteure der Chronik. Daneben führte Rosenfeld ein Tagebuch: Besonders in sprachlicher Hinsicht sind die Unterschiede zwischen den Textsorten frappierend.
In seinen Tagebuchaufzeichnungen unternimmt Rosenfeld den in dieser Art wohl beispiellosen Versuch, das im Ghetto erlebte Grauen möglichst unmittelbar in eine sprachliche Form zu gießen. In einer Welt, die im Ghetto jede Normalität verloren hat, wird sein über weite Strecken ungrammatischer Telegrammstil, geprägt vom weitgehenden Verlust der Konjunktionen, Präpositionen, Artikel und dem Abbau der Verbflexion, zu einem getreuen Spiegel des Ghetto-Lebens. Wir lernen aus den Texten, wie ein Ghetto-Bewohner nach und nach die Fähigkeit einbüßen kann, die Grausamkeiten des Ghetto-Alltags anders als durch strukturlose Satztrümmer zum Ausdruck zu bringen. So erinnert seine Sprache über weite Strecken an einen Aphasiker in fortgeschrittenem Stadium, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass Rosenfeld trotz aller Verfremdungen den referenziellen Bezug zwischen Sprache und Welt und dem phonematischen Wert der einzelnen Laute nicht antastet. Da selbst im Ghetto noch Hoffnung auf Überleben besteht, wird diese letzte Grenze in den Tagebüchern nie überschritten.
Die Sprache der Aufzeichnungen ist das Ergebnis eines von den Umständen diktierten Experiments. Der Akt der sprachlichen Verfremdung ist beabsichtigt. Die unmittelbare Dokumentation des Grauens führt den Leser und wohl auch den Autor selbst aber bis an den Rand des Erträglichen. In letzter Konsequenz würde eine solche Darstellung des Ghetto-Lebens zwangsläufig wohl zum völligen Verlust der Sprache führen. Die festen grammatischen Strukturen, in denen sich unsere Gedanken für gewöhnlich bewegen, halten der permanenten Bedrohung nicht stand. Sie zerbrechen. So darf man vermuten, dass sich auch bei Rosenfeld der Stil seiner Tagebücher zum Ende hin mehr und mehr verselbstständigt hat.
Eine andere Perspektive eröffnet Rosenfeld durch den Versuch der literarischen Gestaltung der Erlebnisse in der Lodzer Ghetto-Chronik. Hier waren seine Absichten nicht allein darauf beschränkt, die Zustände im Ghetto nur abzubilden und den Nachgeborenen zur Mahnung und Erinnerung zur Verfügung zu stellen. Das Schreiben im Ghetto gewinnt für Rosenfeld darüber hinaus jetzt auch die Funktion „Normalität zu konstruieren“, das heißt etwas darzustellen, woran man sich im Ghetto-Alltag halten kann. Durch die Literarisierung der Ereignisse erfüllt die Chronik nicht nur die für die Textsorte typische statistisch-dokumentarische Funktion. Sie dient vor allem auch der (Wieder-)Herstellung einer humanen Gegenwelt. Auch deshalb erscheinen die von Rosenfeld und Oskar Singer geprägten Texte (Rosenfeld hat seine Chronik-Text mit O.R. gekennzeichnet) in einem im ersten Moment kaum fassbaren Gegensatz zu den Tagebuchaufzeichnungen in vollendeter Sprache zu stehen, in einem Deutsch, das in völligem Gegensatz zu der sich auflösenden Ghetto-Welt steht. Die Sprache der Chronik orientiert sich mal am Stilideal der deutschen Klassik, mal an der Shtetl-Literatur und mal am Ton des eleganten Feuilletons. Sie steht, insbesondere in den Rubriken „Ghetto-Humor“, „Man hört, man spricht“ oder „Kleiner Ghetto-Spiegel“, im krassen Gegensatz zur äußeren Lage im Ghetto und auch zu der Sprache, die die Nationalsozialisten in ihren Befehlen und Bekanntmachungen im Ghetto verwendeten. So wird sie zu einer Sondersprache in einer völlig aus den Fugen geratenen Welt. (Eine Edition der Lodzer Ghetto-Chronik ist in Vorbereitung).
Im August 1944 musste nicht nur die statistische Abteilung ihre Arbeit einstellen: Das Ghetto wurde vollständig liquidiert und die Bewohner wurden nach Auschwitz deportiert. Unter ihnen war auch Rosenfeld. Auf der Rampe in Auschwitz-Birkenau verliert sich seine Spur für immer. (Jörg Riecke, Gießen)
Von Rosenfeld sind ungefähr 650 Artikel, Aufsätze und Rezensionen zu den unterschiedlichsten kulturellen und politischen Problemen bekannt. Die meisten finden sich in der Wiener Morgenzeitung und in Die Neue Welt.
Rosenfelds Nachlass ist nicht erhalten. Zahlreiche Informationen hält allerdings das Archiv Bibliographia Judaica, Frankfurt a.M. bereit.