Ignaz Göth, am 17.07.1889 in Iglau als uneheliches Kind geboren, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Zuerst kam er in die Photographenlehre zu Johannes Haupt und später wurde er Fachlehrer. Er war „ein begeisterter Volkstumsarbeiter in der Iglauer Sprachinsel“1, schrieb auch viele heimatkundliche Arbeiten und publizierte in regionalen aber auch überregionalen Zeitschriften. Sein Hauptziel war es, „die jungen Lehrer v.a. in den kleineren Dörfern der Sprachinsel für ihren Beruf zu begeistern“2. Göth gehörte vielen Vereinigungen an, wie z.B. dem Deutschen Kulturverband oder der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde, die sich auf das Erhalten des deutschen Volkstums konzentrierten, und war deswegen bei der tschechischen Amtsverwaltung nach dem 1. Weltkrieg unbeliebt. Nach der Errichtung des Protektorats wurde er Bezirksschulinspektor und übte noch weitere mit dem Schulwesen zusammenhängende Funktionen aus. Am 09.05.1945, „in dem totalen Zusammenbruch seiner geliebten Heimat“3, beging er mit seiner ganzen Familie Selbstmord.
Vom 16.09.1906 an verbrachte er 4 Jahre an der Lehrerbildungsanstalt in Brünn, wo er am 30.06.1910 seine Lehrerreifeprüfung ablegte. Noch während seines freiwilligen Wehrdienstes bekam er in Brünn am 14.11.1912 die Lehrerbefähigung für Volksschulen und am 23.09.1913 wurde er in Iglau angestellt. Seitdem unterrichtete er Naturkunde, später dazu noch Religion und an der Lehrerbildungsanstalt in Iglau war er Hilfslehrer für Methodik des Elementarunterrichtes und für Unterrichtslehre. Als 23-Jähriger absolvierte Ignaz Göth in Brünn das einjährige freiwillige Dienstjahr. Zu Beginn des 1. Weltkrieges war Göth 25 Jahre alt und wehrdienstpflichtig. Er wurde am 01.08.1914 an die Karpathenfront berufen, hat sich als „ein vorbildlicher Soldat“ erwiesen, indem er „bei der Erstürmung der Manilowa-Höhe am 12.03.1915, trotz des Verlusts seines rechten Auges durch sein Verhalten den Sieg erringen“4 half. Er hat noch mehrere Verwundungen erlitten und musste deswegen sein ganzes Leben lang Medikamente einnehmen. Er erreichte während des Krieges den Rang eines Zugkommandanten und wurde am 12.03.1915 wegen „schwerer Verwundung“5, „als Invalide aus dem Heeresverband entlassen“6, wobei er aber bis zum 01.10.1915 im Kriegsdienst verblieben ist. Er erhielt die Goldene Tapferkeitsmedaille und wurde noch am 01.05.1915 zum Leutnant befördert.
1922 hat Göth Bertha Nerad geheiratet, die Schwester seines engsten Mitarbeiters und Freundes Hubert Nerad. Aus dieser Ehe stammte ein Kind, ein Mädchen namens Annemarie, das am 26.04.1923 in Iglau geboren wurde. Wegen seiner aktiven Betätigung im Namen vieler Gemeinschaften, die sich überwiegend mit stark deutsch geprägten heimatkundlichen und kulturellen Tätigkeiten befassten, wurde Göth von der tschechischen Seite der Spionagetätigkeit und damit des Landesverrates verdächtigt. Nachdem er von einer Auslandsreise heimkam, wurde er am 01.09.1925 verhaftet. Am 23.09.1925 erschien in der Aussiger Druckschrift „Der Tag“ ein von Dr. Ernst Leibl an den Präsidenten Masaryk gerichteter offener Brief. Der Fall wurde in der deutschen Zeitung als „Affäre Göth“ präsentiert:
[…] Nun erfahren wir durch die tschecho-slowakische [sic!] Presse neuerdings von der Verhaftung des Fachlehrers Ignaz Göth aus Iglau, die nach den Berichten mit Grausamkeiten verbunden war, […], daß Göth selbst unter schärfster Bewachung in einer Haft gehalten wird, wie sie bei einem politischen Untersuchungshäftling durch nichts zu rechtfertigen ist, daß ihm nicht einmal eine Zusammenkunft mit seinem Rechtsanwalt gestattet und keine der möglichen Erleichterungen gewährt wird, daß ihm z.B. ein Mittagessen mit schwarzem Kaffee als Luxus verboten wird. […]7
Am 17. April 1926 wurde durch die Staatsanwaltschaft in Iglau die Anklage gegen Göth als Hauptschuldigen und gegen seine Mitarbeiter eröffnet. Laut Anklage seien sie
in der Zeit vom Jahre 1921 bis September 1925 in Iglau und anderwärts zu verschiedenen geheimen Organisationen, deren Zweck es ist, die Selbständigkeit und die verfassungsmässige Einheitlichkeit des Staates zu untergraben, in Kenntnis des Zweckes solcher Vereinigungen in Beziehungen getreten und haben an ihrer Tätigkeit in wie immer gearteter Weise teilgenommen, sie oder ihre Mitglieder in ihren umstürzlerischen Bestrebungen materiell oder in anderer wie immer gearteter Weise unterstützt [...].8
Die 1921 gegründete Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde der Iglauer Sprachinsel, in der die Angeklagten tätig waren und in deren Namen sie Kontakte zum Ausland pflegten, wurde aufgelöst und Göth zu einem Monat Kerkerhaft verurteilt. Präsident Masaryk begnadigte ihn und Göth wurde nach Znaim versetzt, wo er bis 1937 bleiben musste, aber seine nachfolgende Tätigkeit wurde ständig beobachtet. Der Zweck des Prozesses war, in der Iglauer Sprachinsel die besonders weit verbreiteten deutsch-nationalistischen Aktivitäten zu bremsen. Bis Ende der 20er-Jahre wiederholten sich ähnliche Verfahren mehrmals und im Wesentlichen mit der gleichen Begründung.
Als sich die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland veränderte, und als sich Göths Ernennung auf den Posten des Schulinspektors näherte, hörten die tschechischen Organe auf, sich für Göth zu interessieren. Göth fühlte sich immer mit seiner Iglauer Heimat eng verbunden und seit den 20er Jahren verstärkte sich noch sein nationales Bewusstsein. Zu seinen eifrigsten Mitarbeitern in der Sprachinsel gehörten der Schriftsteller und Heimatkundler Hubert Nerad, der Historiker und Gymnasialprofessor Dr. Anton Altrichter oder der langjährige Iglauer Archivar Hans Krzal.
Alle seine Publikationen beziehen sich mehr oder weniger auf Iglau oder die Iglauer Sprachinsel, die Landschaft, deren deutsche Geschichte, Volkstum, Persönlichkeiten, Sitten und Bräuche, und ihr kulturelles Eigentum. Göths ausführliche und unermüdliche Heimatforschung hat mit seiner Ernennung in das Amt des Bezirksschulinspektors etwas nachgelassen. Angaben über seine Publikationstätigkeit werden bis 1944 geführt.
Nicht weniger bedeutend sind auch seine Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätze oder -artikel, die in den meisten regionalen und überregional bekannten Blättern wie Mährischer Grenzbote, Altvaterbote, Igelland etc. erschienen. Im Namen des Deutschen Kulturverbandes und der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde in der Iglauer Sprachinsel, wo er wichtige Funktionen vertrat, hat er Vorlesungen gehalten, nicht selten mit einem national-propagandistischen und antitschechischen Charakter, und zwar nicht nur in der gesamten Iglauer Sprachinsel oder anderen Städten und Dörfern innerhalb der Tschechoslowakischen Republik, sondern auch im Ausland.
Zum Bezirksschulinspektor wurde Göth mit Rechtswirksamkeit vom 01.06.1939 ernannt. In den nachfolgenden Jahren entwickelte sich seine Karierre, bis er den Posten des Landesschulinspektors vertrat. Außerdem war er Hauptschuldirektor in Brünn. Obwohl Dr. Zimprich behauptet, dass „sich Göth von jeder Parteipolitik fernhielt“9, und dies von lebenden Zeitgenossen Göths bestätigt wird10, hatte sich sein Abstand zu den Tschechen, der sich seit seiner ersten Anklage und der nachfolgenden Verfolgung aufgebaut hatte, auch auf der politischen Ebene im Zusammenhang mit seiner Funktion des Schulinspektors gezeigt. Gleich am 24.07.1939, d.h. nicht mal zwei Monate nach seiner Ernennung, schickte er an den Regierungskommissar Dr. Leo Engelmann einen offensichtlich denunziatorischen Brief. Göth weist darauf hin,
dass noch immer der tschechische Förster Lad. Makeš in Weissenstein ist und der Vorarbeiter […] Nenadel A. […] Ich beantrage daher, Nenadel sofort zu kündigen und Makeš, so wie es die Tschechen getan haben, zu zwingen, seine Kinder in die deutsche Schule zu schicken, besser, ihn auf irgend eine Art wegzubringen.
Sein Wunsch war u.a., dass die beiden Genannten mit ihren Kindern weggingen, so würden nämlich nur wenige tschechische Kinder bleiben, „die leicht abzustossen sind.“
Es ist durchaus möglich, dass Göth keiner Partei als deren offizielles Mitglied angehörte, es ist aber nicht beweisbar. Seine Einstellung gegenüber dem Deutschen Reich und seinem Führer werden eigentlich aus folgenden Sätzen klar: „[...] unsere Dankbarkeit dem Führer immer wieder bekunden.“ „Der Freiheit galt das Ringen nach dem Umsturz und – die Freiheit ist uns durch den Führer geworden. Wir sind frei!“11
Petra Knápková
1. Hemmerle, Rudolf: Sudetenland. o.V., o.O. 1984.
2. Im Gespräch mit Franz Wehrmann am 23.11.1999 in Heidenheim an der Brenz.
3. Zimprich, Dr. Richard: Wanderer zwischen beiden Welten. In: Sudetendeutsche Zeitung (11.07.1959).
4. Zimprich, Dr. Richard: Wanderer zwischen beiden Welten. In: Sudetendeutsche Zeitung (11.07.1959).
5. „Anmeldung in den Bund der Tschechoslowakischen Armee“
6. Szegeda, W. (Hg.): Lebens- und Arbeitsbilder sudetendeutscher Lehrer (Bd. 1). o.V., o.O. 1932.
7. Die Anklageschrift gegen den Abgeordneten Hans Krebs vom 04.03.1926. In: Sudetendeutsches Echo (Juni 1926).
8. Diese Organisationen waren: Verein der Deutschen der Iglauer Sprachinsel in Wien, Sudetendeutscher Heimatbund, Wissenschaftliches Institut für Kultur und Geschichte der Sudetendeutschen in Wien, Deutsches Auslandsinstitut in Stuttgart, Deutscher Schutzbund und verschiedene andere Organisationen.
9. Zimprich, Dr. Richard: Wanderer zwischen beiden Welten. In: Sudetendeutsche Zeitung (11.07.1959).
10. Im Gespräch mit Franz Wehrmann am 23.11.1999 in Heidenheim an der Brenz.
11. Geleitwort von Ignaz Göth zu: „Aus Kampftagen.“ (Iglau 1939)