Dr. Anton Altrichter wurde am 4.2.1882 in Smilov, einem Dorf nördlich von Iglau, geboren. Er stammte aus einer alten Familie, deren Geschichte reich an Tradition war. Seine Ahnen waren Dorfrichter und ihr Amt vererbte sich vom Vater auf den Sohn. Man findet Angaben bis in das 17. Jahrhundert, wo „im Richterhof zu Smilau ein Martin Altrichter den Richterstab führte“. (Anton Altrichter, des Iglauer Volkstumsforschers Leben und Schaffen. Zu seinem 60. Geburtstage gewidmet von der Heimat, S. 14)
Im Herbst 1902 ging er nach Prag, um an der dortigen Universität Philosophie zu studieren. Nebenbei beschäftigte er sich mit der Geschichte, v.a. mit der Geschichte der Iglauer Sprachinsel und widmete sich ausführlichen Quellenstudien. Nach 2 Semestern wechselte er nach Wien und studierte dort weiter Geschichte, Geografie und Germanistik.
Die deutsche Studentenschaft in Wien war überwiegend national eingestellt. Die igelländischen Studenten schufen sich die Ferialverbindung Iglavia (gegründet 1860), die 1900 zu neuem Leben auf deutschnationaler Grundlage erwachte. (Der Verein war eine Anknüpfung an die deutschakademische Landsmannschaft Iglavia. Es war ein Burschenschaftsverein, der in den Jahren 1866-1869 einer der agilsten an der Wiener Universität war. Später zeichnete er sich durch extremen Nationalismus aus, der in Antisemitismus mündete.) „Aus der Studentenschaft jener Zeit gingen viele Führer im Volkstumskampf hervor.“ (A.A., S. 20)
Am 6. Juli 1906 promovierte Altrichter zum Doktor der Philosophie mit der Dissertationsarbeit Die Besiedlungsgeschichte der Iglauer Sprachinsel.
Sein erster Dienstort war in der Bukowina, und zwar in der Landeshauptstadt Czernowitz, wo er als Gymnasiallehrer wirkte und sich weiter seinen Vorlieben für Geschichte und Geografie widmete. Es gab dort eine deutsche Hochschule, die drei Gymnasien hatte, davon eine Realschule mit deutscher Unterrichtssprache; es erschienen zwei deutsche Tageszeitungen, es gab ein deutsches Haus und Theater. Altrichter ging hier den Spuren des Iglauers Ernst Neubauer nach, der in der Bukowina eine Zeit lang tätig war und in Czernowitz am 5. Mai 1890 gestorben war. Altrichter setzte ihm ein Denkmal (1924).
1908/1909 absolvierte er ein Berufsjahr in Brünn. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Mährisch Ostrau kehrte er nach Iglau zurück, denn „in der Heimat wartete Arbeit im Volkstumskampf und in der Volksforschung“ auf ihn. (A.A., S. 23) Er wurde von den Vertretern der Sprachinsel-Ortsgruppen des Nordmährerbundes zum Obmann des Bezirksverbandes gewählt, der das Deutschtum unterstützte, in dem er deutsche Schulen gründete und zahlreiche heimatkundliche Publikationen herausgab. Altrichter gründete 1910 einen Siedlungsfond, der die finanziellen Mittel zur Erhaltung des deutschen Bodens sichern sollte. Dieser fiel später der Kriegsanleihe zum Opfer.
1912 erreichte Altrichter den Zusammenschluss aller mährischen Schutzvereine, die von nun an die gemeinsame Benennung Bund der Deutschen in Mähren annahmen. 1928 wurde dieser Bund – wie viele andere - aufgelöst, weil seine Pflichten der Deutsche Kulturverband (gegründet am 2.11.1919) übernahm. In Iglau wurde im gleichen Jahr eine einheitliche Schutzarbeitsorganisation für die Sprachinsel geschaffen und Altrichter wurde Gauobmann.
Am 29.5.1913 wurde er zum Stadtverordneten gewählt und „gehörte zu den ersten Nationalen, die in die Iglauer Rathausstube einzogen“ (A.A., S. 25). 1913 ernannte ihn die Gemeinde Sehrlenz zu ihrem Ehrenbürger und im Januar 1914 wurde er in den Bezirksschulrat der Stadt Iglau berufen.
Der 1. Weltkrieg unterbrach seine Laufbahn. Nach der Musterung 1915 wurde er am 16.8.1915 einberufen. Ende Februar 1916 ging er ins Feld, zuerst an die russische dann an die italienische Front. Wegen seiner Tapferkeit wurde er zum Leutnant befördert und erhielt fünf Kriegsauszeichnungen. Das Falkenhayner Ehrenbuch, ein Soldatenbuch, ist eine bleibende Erinnerung an jene Zeit.
Nach der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik wurde als eine Art Selbstverteidigung der deutschen Bevölkerung im Staat die Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde gegründet, deren Ziel es u.a. war, die deutsche nationale Idee zu stärken. Altrichter entwarf 1919 ihre Satzung und wurde ihr erster Obmann. Seit dem 7.3.1920 gab die Arbeitsgemeinschaft die Blätter für Heimatkunde Die Iglauer Sprachinsel als Monatsbeilage des Mährischen Grenzboten heraus, in denen auch viele Beiträge Altrichters erschienen. Im Verlage der Arbeitsgemeinschaft wurde 1921 das Heimatbuch der Iglauer Sprachinsel herausgegeben, das die Geschichte der Region und seiner Bevölkerung darstellte, und für das Altrichter vom Land Mähren mit dem Literaturpreis geehrt wurde.
Nach einem Gerichtsverfahren, in dem einige Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft wegen Spionage und Landesverrates angeklagt und verurteilt wurden, wurde die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft am 6. September 1925 eingestellt. Im August 1925 erschien Die Iglauer Sprachinsel zum letzten Mal. Vier Monate später ließ sie Altrichter im Igelland als Mitteilungen für Volkskunde wieder aufleben. Außerdem war er lange Zeit der Obmann des Deutschen Volksbildungsvereines, den er mitbegründete. Er stand an der Spitze des deutschen Stadtbildungsausschusses, des Vereins zur Erhaltung des geschichtlichen Berghäuerzuges und anderer Organisationen.
Wie viele andere deutsche Historiker dieser Gegend bemühte sich auch Altrichter, die allererste deutsche Besiedlung von Iglau und damit das historische Recht der deutschen Bevölkerung zu beweisen. Er betrieb deshalb eine beträchtliche Forschung und publizierte geschichtliche Abhandlungen. 1924 gab er im Verlag der Arbeitsgemeinschaft das Dörferbuch der Iglauer Sprachinsel heraus, in dem die Geschichte der einzelnen Siedlungen behandelt wurde. 1920 gab der Iglauer Museumsverein das Buch Sagen aus der Iglauer Sprachinsel heraus (162 Sagen der Heimat); 1931 Aus dem Schatzberg (325 Sagen und Märchen aus der Sprachinsel). Neben Aufsätzen in verschiedenen Zeitungen, Jahrbüchern und Zeitschriften erschienen auch größere Studien. Er beteiligte sich an dem südmährischen Heimatbuch Von den Quellen der Igel und Thaya bis zu den Pollauer Bergen, für das er den Iglauer Teil bearbeitete. Bei all seinen geschichtlichen Studien unterstützten ihn seine Kinder Helmut, Gertrude und Elfriede.
Im Mai 1926 wurde er als Gymnasialdirektor nach Nikolsburg berufen, wo er die Festschrift Tribus saeculis peractis zur 300-Jahr-Feier des Gymnasiums verfasste. Er veröffentlichte dort aus dem Schlossarchiv italienische Briefe des Josef von Calasanzca an den Kardinal Franz von Dietrichstein aus den Jahren 1632 bis 1636 und schrieb Lehrbücher für Geschichte an den deutschen höheren Schulen (6 Bände) und Abhandlungen zu pädagogischen Fragen. Als Belohnung galt ihm ein dreifaches Lob von Paul Strzemcha in der Zeitschrift für die Geschichte Mährens und Schlesiens. In Nikolsburg blieb er bis 1933, denn „einflußreiche Persönlichkeiten [...] wußten eine Versetzung nach Brünn bis zum August 1933 zu verhindern“. (A.A., S. 33)
Er war ein bedeutender Heimatforscher und Volkskundler und hat seine kulturgeschichtlichen Skizzen, Erzählungen und Novellen in vielen heimatkundlichen Zeitungen, wie der Iglauer Sprachinsel oder Igelland publiziert. Die ersten erschienen 1907.
„Seine erzählerischen Texte sind leider nur schwer auffindbar, weil sie nie selbständig herausgegeben wurden, sondern nur in Zeitschriften oder Zeitungen. Manche aber sollen „mit Humor Kleinstadtmenschen in ihrem Behagen und mit ihren Schrullen und Schnacken“ zeigen. Sie haben zumeist das Städtchen Lützelweiler zum Schauplatz und spielen in vergangenen Zeiten oder unter unsern Augen. Es sind „Lützelweiler Geschichten“. In anderen Erzählungen geben sich eigenartige Dorfgestalten ein Stelldichein. Manche davon sind in „Kronawiten“ beheimatet, wo auch Amtsmänner und Bauern der Robotzeit und Leute aus der Sagenwelt lebendig werden". (S. 34)
1927 schrieb er ein Buch über Karl Hans Strobl mit dem Titel Ein Lebens- und Schaffensbild zu Strobls 50. Geburtstag. Aus der Zeit, als er dieses Buch verfasste, gibt es im Iglauer Archiv eine umfangreiche Korrespondenz mit Strobl über seinen Lebensweg. Während seiner Brünner Zeit gab er den Geschichtsatlas im Verlage R.M.Rohrer heraus und unmittelbar darauf Geschichte einer deutschen Drucker- und Verlegerfamilie (1937) zu Ehren R.M.Rohrers.
Für die von der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Prag herausgegebenen Sudetendeutschen Lebensbilder, deren korrespondierendes Mitglied Altrichter war, schrieb er eine Würdigung des Stadtschreibers Johannes von Gelnhausen, des bedeutenden Mannes aus der Hofkanzlei Karls IV. und verfasste die Lebensbeschreibung des Humanisten Johannes Mylius (1934).
1940 wurde er Leiter der Abteilung für Schulwesen und Kultur bei dem Landesschulamt für Mähren in Brünn und bis 1937 Dozent für Geschichte an der deutschen Technischen Hochschule ebenda. Seit 1941 wirkte er als Landesschulinspektor in Mähren für das höhere Schulwesen und 1941 wurde er zum Regierungsrat ernannt und widmete sich dem Ausbau des deutschen Schulwesens. Dieser schnelle dienstliche Aufstieg erfolgte aus tiefer Loyalität zu dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland, unter dem seit 1938 auch die Länder Böhmen und Mähren verwaltet wurden. Altrichter war begeistert vom Deutschen Reich und seinem Führer, durch den seine Jugendwünsche in Erfüllung gegangen waren. 1940 schrieb er in dem neu herausgegebenen Heimatbuch der Iglauer Volksinsel: „Eine neue Zeit hebt an, die Zeit im Zeichen des Hakenkreuzes, die Zeit deutschen Rechtes, die Zeit deutschen Schaffens, deutschen Geistes und deutschen Wesens – die Zeit Adolf Hitlers“. (S. 36) In der Schriftenreihe für Heimat und Volk „Niederdonau, Ahnengau des Führers“ gab das Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP seine Darstellung Der Volkstumskampf in Mähren heraus, „in dem das Völkerringen um den mährischen Raum seit den ältesten Zeiten geschildert wird“. (S. 37)
Anton Altrichter starb am 30.5.1954 in Meitzendorf in Thüringen. 1981 erschienen in Rottenberg seine Memoiren mit dem Titel: Was ich im Kopf hatte, konnten sie mir nicht nehmen.
Petra Knápková