Härtlings Großeltern väterlicherseits und sein Vater stammten aus Brünn. Der Vater ließ sich zunächst in Sachsen nieder, 1941 siedelte er mit Frau und Kindern nach Olmütz über, um dem Zugriff der Nazis zu entgehen, und übernahm eine Advokatenkanzlei. Die Familie verblieb in der Stadt auch nachdem der Vater eingerückt und abkommandiert worden war. Die Flucht vor der nahenden Front im Frühjahr 1945 bedeutete für den damals elfjährigen Jungen den Abschied von Mähren und von der Kindheit. Auf Umwegen, über Österreich, kam Peter Härtling mit Familie nach Nürtingen, der Vater ist im Juni 1945 in einem russischen Gefangenenlager in Österreich gestorben. Im Oktober 1946 nahm sich die Mutter das Leben. Härtling besuchte in Nürtingen das Gymnasium, das er im Winter 1951 verließ und besuchte darauf die sog. Bernstein-Schule. Seit 1952 war er als Journalist in Lokalblättern (Nürtinger Zeitung, 1952-1954; Heidenheimer Zeitung, 1954-1955), 1956-1962 als Feuilleton-Redakteur der Deutschen Zeitung und von 1962 bis 1970 bei der Zeitschrift Der Monat tätig. 1959 heiratete er die Psychologin Mechthild Maier. 1964 wurde er zur Lesung der Gruppe 47 eingeladen. Ab 1967 arbeitete er im S. Fischer Verlag als Cheflektor und später als Sprecher der Geschäftsleitung, ab 1974 lebt er als freier Schriftsteller, mit vielen Literaturpreisen und Ehrungen (1977 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim; 1995 Stadtschreiber von Mainz) ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Seit 1966 ist Härtling Mitglied des PEN-Zentrums der BRD und der Akademie der Künste in Berlin, 1994 wurde ihm der Titel eines Professors, 1995 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen, 1998 wurde er zum Präsidenten der Hölderlin-Gesellschaft gewählt. Im Wintersemester 1983/84 war er Gastdozent für Poetik an der Universität Frankfurt am Main, im Frühjahr 1994 an der Hochschule für Musik und Gestaltung „Mozarteum“ in Salzburg, 1994/95 hielt er Vorlesungen an der Musikhochschule Karlsruhe.
In die Literatur trat Peter Härtling zunächst als Lyriker ein. Seine ersten Gedichtbände – poems und songs (1953), Yamins Stationen (1955), Unter den Brunnen (1958), Spielgeist, Spiegelgeist (1962) – sind von der abwehrenden Haltung gegenüber der Nachkriegsentwicklung geprägt, er versuchte in der Lyrik mit seinem anderen Ich, dem des Don Quichottes, des „komödianten versteckter schmerzen“, der gelebten Realität entgegenzutreten. In letzterer Sammlung findet sich das Gedicht Olmütz 1942-1945; in einem Kommentar dazu (in: Stuttgarter Ztg, 10.12.1960) sprach er zum ersten Mal über seine eigene Geschichte. Die Gedichtbände der 70er und 80er Jahre (u.a. Neue Gedichte, 1972; Anreden, 1977; Vorwarnung, 1983; Die Mörsinger Pappel, 1987) sind weniger zeitkritisch und mehr von einer subjektiven Auseinandersetzung mit historischen und zeitgenössischen Künstlern und Denkern bestimmt und von ähnlichen Gedanken – Außenseitertum, Nichtanpassung, subjektive Ängste – wie seine Künstlerromane geprägt. Gereifte Einfachheit in Sprache und Duktus, der sich alttestamentarischer Bilder bedient, ist für die späten Verse charakteristisch. Während die Gedichte der frühen und mittleren Etappe von Ausbruch aus der Wirklichkeit sprachen, meint Härtling in der Sammlung Ein Balkon aus Papier (2000) mit dem Aufbruch den Abschied und die letzte Reise. Eindringlich, mit wenigen Worten, „mit Greisenschritten“ bilanziert er sein Leben: „Mit Greisenschritten / gehe ich / in mir herum ...“, nicht immer findet er „den alten Schritt“ und „die Gegenden entfallen“ ihm, jene Gegenden, die er im Roman Herzwand beschworen hat und die sein Leben ausmachen.
Härtlings Romane und Erzählungen sind ein Produkt des Erinnerns, des Nachdenkens über das Vergangene und dessen Spuren in der Gegenwart, es geht um ein neues Verständnis des allgemein als erkannt und bewältigt Aufgefassten. Das gilt für die Romane, die die geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, besonders die NS-Zeit und die Nachkriegsjahre, reflektieren. Das Erinnern an Selbsterlebtes, Selbsterfahrenes fließt direkt oder indirekt in etliche Prosawerke ein, das Nachdenken, Korrigieren, Neubewerten des Erinnerten ist das Thema der Werke, in denen Autobiographisches, besonders aus den Jugendjahren, überwiegt (Nachgetragene Liebe, Zwettl, Herzwand) sowie jener, in denen biographische Momente aus der Familiengeschichte zur Authentizität des Fiktiven beitragen (Janek, Eine Frau, Božena). Die These „Ich erzähle jetzt das, was gewesen ist, den, der war,“ (in: Die Erinnerung des einzelnen und die Geschichte aller), von Härtling im Zusammenhang mit seinem Lenau-Roman Niembsch oder Der Stillstand geäußert, trifft in gleichem Maße auf die mit Elementen des Autobiographischen ausgestatteten Werke wie auf die Künstlerromane zu. Nicht die große Geschichte wird erzählt, sondern das individuelle, suchende und prüfende Erfahren der Veränderung. Als seine „Meister“ nannte der Autor Fontane, Musil, Stendhal und Hölderlin (in: Dankrede zum Stadtschreiber von Bergen).
Vielschichtig, assoziativ erinnerte sich Härtling an die Ereignisse nach der Flucht der Familie aus Mähren nach Österreich im Frühjahr 1945 in Zwettl - Nachprüfung einer Erinnerung (1973), konfrontierte die Erinnerung des Zwölfjährigen mit verschiedensten Dokumenten und viel später eingeholten privaten Auskünften, um den Leser dem Schluss zuzuführen, dass es einen eindeutig objektiven Bericht über Erlebtes nicht geben kann. Und doch schält sich aus dem subjektiven Erinnern, in das der Leser einbezogen wird, ein Ausschnitt geschichtlicher Realität heraus.
Eine noch wichtigere Rolle spielt die Nachprüfung der prägenden Erlebnisse und Empfindungen der Olmützer Jahre in der Geschichte Nachgetragene Liebe (1980), im Versuch, erinnernd den Kontakt zum toten Vater zu knüpfen, ihm seine „nachgetragene“ Liebe zu bezeugen. Die autobiographische Prosa beruht auf dem Erinnern an kleine, von Ereignissen der Jahre 1941 – 1945 determinierte, mit Augen des Kindes und des Erwachsenen gesehene Geschichten und an Umbruchstage, vor allem aber auf der Rekonstruktion des Vaterbildes viele Jahre nach dessen Tod. Das Kind registrierte vor allem die äußeren Effekte, mit denen die Nazibewegung die Jugend zu gewinnen suchte, der unheilvolle Einfluss der Schule und der Kameraden wirkte stärker als die stummen und dem Jungen unverständlichen Versuche des Vaters, ihm auch für eine andere Wirklichkeit die Augen zu öffnen. Es geht in dieser Prosa aber hauptsächlich um das Reflektieren des Vater-Sohn-Verhältnisses, das erst viele Jahre nach dem Tod des Vaters, also einseitig, mit Einsicht hergestellt wird. Die Suche nach dem Sinn der wenigen Worte des Vaters und besonders des Nicht-Ausgesprochenen lässt den Erzähler die Zwiespältigkeit dieses ihm erst heute nahen Menschen erkennen. Die innere Spannung der nach außen hin schlichten Erzählweise entsteht durch das Oszillieren zwischen den Vorwürfen gegenüber dem Vater, sich nicht klarer und eindringlicher ausgedrückt zu haben, den an den Jungen adressierten Vorwürfen, den Vater nicht begriffen zu haben und damals nicht begreifen zu wollen, und dem meist nicht offen geäußerten Wunsch beider nach gegenseitiger Nähe und Annäherung.
Der Roman Herzwand (1990) bilanziert, wie der Untertitel „Mein Roman“ andeutet, wichtige Einschnitte im Leben des Autors, enthält Authentisches und Fiktives, eingebettet in den Rahmen der Gegenwart – eines lebenswichtigen kardiologischen Eingriffes. In 14 Stationen, an die Leidensgeschichte Christi mahnend und mit dem wichtigsten 13. Tag beginnend, erzählt Peter Härtling die Wendepunkte des eigenen Lebens, des Lebens seiner Zeitgenossen. Was an diesem Tag sein Herz trifft, ist nicht nur der Katheter, sondern die erste, glücklose Nachkriegszeit: die Zwettl-Episode, die Irrfahrt der Vertriebenen durch Deutschland und der Selbstmord der Mutter. In den Bericht über den Sanatoriumsaufenthalt sind Erinnerungen an die Schulzeit in Nürtingen, an die Anfänge in Zeitungen, an einen jetzt erst aufgedeckten Kriminalfall in Heidenheim, an das eigene politische Engagement, an das Schicksal ehemaliger Nazis und neuer Demokraten eingebaut. Beachtenswert ist der Wechsel von selbständigen Episoden, pointierten Geschichten, der Rahmennovelle, des Krimis, des Briefes, der unauffällige, mit dem Prozess des Nachprüfens korrespondierende Übergang des Ich- und Er-Erzählens. Trotz der Vielfalt der Formen sind auch hier Härtlings Erinnerungs- und Nachprüfungsprozesse in seine typische nüchtern-klare, unpathetische und unsentimentale Sprache gefasst.
Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, das Selbsterlebte, das Interesse für Frauenschicksale in diesem hektischen Zeitalter, verknüpft mit der mährischen oder böhmischen Landschaft und Gedankenwelt, werden in mehreren Prosawerken über Frauenschicksale thematisiert, in denen die fiktive Handlung mit Charakteristiken wirklicher Personen verflochten ist (Eine Frau; Božena; Große, kleine Schwester). Mit außerordentlicher Invention reflektiert Härtling auch in anderen Romanen (Janek, Hubert, z. T. sogar in manchen Kinderbüchern) neben Zeitproblemen sein Verhältnis zu Mähren und zum Prag der Protektoratsjahre und zum eigenen Familienmilieu.
Der Roman Eine Frau (1974), von Härtling „die Geschichte einer zögernden Emanzipation“ bezeichnet, erzählt das Schicksal einer Frau, die – wie ihre ganze Generation von sich überstürzenden Ereignissen überrascht – allmählich ihren eigenen Weg in einer für sie völlig veränderten Welt findet: von der wohlbehüteten Kindheit und Jugend über eine salonrevolutionäre Bewegung, ein großbürgerliches Milieu in Prag und Brünn, das durch die Wirtschaftskrise, den Krieg und die Vertreibung endgültig zusammenbricht, zum selbständigen Wirken. Die Charakteristik „ein ernst zu nehmender Unterhaltungsroman“, wie er in einer Rezension genannt wurde, trifft auch für einige andere Frauenromane Härtlings zu, z. B. für den Roman Große, kleine Schwester (1998). Erzählt werden die Schicksale zweier Schwestern aus Brünn, von der nur im Hintergrund vermuteten großen Geschichte – vom 1. Weltkrieg bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg – bestimmt, die nach dem Krieg gemeinsam ihr Leben in Schwaben in Hassliebe verbringen. Mit Einsicht zeichnet Härtling auch hier das ihm vertraute mährische Milieu und die Einstellungen der deutschen und tschechischen Protagonisten, nicht nur das Nebeneinander, sondern auch die – in Wirklichkeit nicht sehr häufigen – Querverbindungen, die Problematisierung und Politisierung dieser Beziehungen, die auch im persönlichen Bereich zerstört werden. Die zweispurige Erzählweise wirkt in der handlungsreichen Linie der Familiengeschichte vom 1. Weltkrieg bis 1953 zeitraffend, in der anderen – der Schilderung des unzertrennlichen gehässigen Zusammenlebens der zwei alten Schwestern – ziemlich eintönig und langatmig.
Eine Art „nachgetragene Liebe“ ist die triste, diesmal allerdings größtenteils fiktive Lebensgeschichte der Heldin der Erzählung Božena (1994). Die tschechische Sekretärin des Vaters wird ihr Leben lang von der tschechischen Umgebung als Kollaborateurin geächtet und fristet ihr unerfreuliches Dasein einsam in einem kleinen mährischen Dorf. Ihre einzige Beglückung, die Liebe zum Rechtsanwalt, bricht erst in ihrer Einsamkeit durch und findet Ausdruck in nie abgeschickten Briefen an den längst Verstorbenen, von dessen Tod sie nicht weiß. Mehr als die anderen Frauenschicksale entspricht diese Geschichte dem Geist der gefühlsbetonten Frauenliteratur. Dem Schicksal dieser Frau ging Härtling während seines ersten Besuches in Olmütz im Herbst 1992 nach. Der Ertrag dieser Reise ist auch die Erzählung Eine Reise zurück oder Der Anfang einer Geschichte (1994, ursprünglich unter dem Titel Die Gegend meines Vaters). In ihr wird die Erinnerung an die Stadt, an das Milieu des Jungen geprüft, neue Eindrücke werden verwertet, die Geschichte Boženas wird berührt.
Ein anderes tragisches Frauenschicksal zeichnet Härtling straffer und eindringlicher in der Skizze von Kafkas Schwester Für Ottla (1984). Erzählt wird vor allem von dem Entschluss Ottlas, ihr jüdisches Schicksal auf sich zu nehmen, und von ihrem Ende in Auschwitz, wohin sie die ihr anvertrauten Kinder von Theresienstadt freiwillig begleitete. Die Geschichte, einem jener Richter der Nachkriegszeit erzählt, die nach wie vor leichtfertig die ehemaligen Mörder entlasten, ist als nachdrücklicher Appell an das Gewissen der zeitgenössischen Justizbeamten zu lesen.
Der Roman Hubert oder Die Rückkehr nach Casablanca (1978), zeigt – ähnlich wie die Frauenromane – ein Daseinsmodell, wie ihn die Zeit, in der sich die Handlung abspielt, d. i. 1923 bis Mitte der 60er Jahre, hervorbrachte. Diesmal allerdings, im Gegensatz zu den Schicksalen der meist starken und das Leben bewältigenden Frauen, an einem zerstörten Menschen, der seinen Weg nicht finden konnte. Geschildert wird die Kindheit, Jugend und Reife eines durch die Erziehung des Nazi-Vaters Zerrütteten. Nach traumatisierenden Kindheitserlebnissen folgen die Kriegsjahre, die Hubert als Soldat ohne Waffe in Mähren und in Prag verbringt, dann die Hoffnung und ihr Zusammenbruch im Nachkriegsdeutschland. Eine Ersatz- und Scheinidentität findet Hubert in Idolen der amerikanischen Spielfilme, das führt ihn in den Bereich zwischen Realität und Traum und dadurch in konkrete riskante, quasiriskante, komische und tragikomische Situationen. Das formvollendete Kapitel über Huberts Weg durch das nächtliche Prag am Heiligen Abend des Jahres 1944 gehört zu den Höhepunkten von Härtlings Prosa.
Härtlings spätere Lebenserfahrungen fließen in manche Werke ein. So sein politisches Engagement, z. B. sein Protest gegen den Bau der Startbahn am Frankfurter Flughafen, in die Geschichte eines Aussteigers, der in alternative Kreise findet – Das Windrad (1983), sein Nachdenken über ein deutsch-jüdisches Schicksal in den Roman eines Intellektuellen, Felix Guttmann (1985).
Einen neuen, facettenreichen Einblick in Lebensetappen und vor allem in die inneren Nöte von Literaten und Komponisten vermittelt Härtling in seinen Künstlerromanen. In einem gewissen Sinne gilt auch für sie, die sich im 19. Jahrhundert abspielen, dass Ergänzen und Berichtigen von Hergebrachtem ein neues Verständnis für petrifizierte Werte herstellen. Nicht „das Lebensgefühl von damals“ will und kann Härtling zurückgewinnen, sondern anhand von vielfältigen Dokumenten, und damit durch Fragen und Zweifel, „das Vergangene ... erzählend an dem gegenwärtigen Wissen“ messen (in: Die Erinnerung des einzelnen und die Geschichte aller). Lenau (Niembsch oder Der Stillstand, 1964), Hölderlin (Hölderlin, 1976), Mörike (Die dreifache Maria, 1982), Waiblinger (Waiblingers Augen, 1987), Schubert (Schubert, 1992), Schumann (Schumanns Schatten, 1996), E. T. A. Hoffmann (Hoffmann oder Die vielfältige Liebe, 2001) sind die Protagonisten der Werke, ihr Leben oder einzelne Episoden werden geschildert, Fragmente einer individuell erfahrenen Wirklichkeit. Die Form und der Aufbau der meisten Künstlerromane sind nach dem Vorbild von Musikwerken komponiert, auch die rhythmische, schillernde Sprache ist von der Musik inspiriert.
Der „musikalisch inspirierte Belletrist“ widmet sich der Musik auch theoretisch, indem er an Musikhochschulen in Deutschland und in Österreich und auch im Rundfunk Vorlesungen über berühmte Komponisten hält, wobei die romantischen Künstler im Mittelpunkt seines Interesses stehen. Seine Sympathie für Fontane findet auch in musischen Wanderungen Niederschlag.
Zahlreiche Kinderbücher, denen sich Härtling sehr erfolgreich seit den 70er Jahren widmet, bringen als Novum die Auseinandersetzung mit Problemen, die in dieser Art von Literatur meist ausgespart bleiben. Mit dem Ziel, die Kinder unauffällig auf die Verantwortung und Bewältigung von Schwierigkeiten, wie sie das Leben in der großen ebenso wie in der unvollständigen Familie mit sich bringt, vorzubereiten, werden die kleinen Helden mit Behinderung, Krankheit, Alter, Tod konfrontiert. Die Toleranz gegenüber dem Anders-Sein bezieht sich auch auf Personen, die ein „verdrehtes“ Deutsch sprechen – auf die aus der ehemaligen Tschechoslowakei Vertriebenen (z. B. in Alter John).
In einer Reihe von Essays und Aufsätzen, in die Weltanschauliches einfließt, beschäftigt sich Peter Härtling mit literarischen Themen, z. B. auch mit vergessenen Autoren, und mit Problemen des eigenen Schreibens. Seine These, dass die Literatur „nachträgt“ und also nicht im Vorfeld der Revolution stehen kann (Literatur als Revolution und Tradition, 1967), stieß in ihrer Zeit auf heftigen Widerstand. In seinen fünf Frankfurter Poetik-Vorlesungen (1983/84) erläutert er seine Auffassung vom Schreiben als einer Einheit von „Finden und Erfinden“: „Ich erzähle nicht von mir, ich erzähle mich“, sagt Härtling und variiert diese These nicht nur theoretisch, sondern wandelt sie in Versen und vor allem in den autobiographischen und biographischen Romanen vielfach ab, indem er die Personen „in ihrer Wirklichkeit“ erfindet und er selbst „nicht verloren“ geht, solange er sich „erfinden kann“ (Herzwand). In der „Endzeit-Literatur“, die „wir alle schreiben“, ist allerdings diese Einheit beinahe völlig zerstört, sie kommt nicht mehr mit alten Mustern, Formen, mit der traditionellen Sprache aus, es naht vielleicht, befürchtet Härtling, eine „schmutzige Ästhetik“, aufgebaut auf dem „Schmutz der vielsprachigen Sprachlosigkeit“ unserer und der kommenden Zeit. Bevor sie siegt, wird sich die Literatur immer mehr dem Individuum zuwenden, dem „Ich auf dem Rückzug“ in die „ästhetische Assozialität“, dem Ich, das sich „finden“ will, aber nicht mehr „erfinden“ kann (3. Vorlesung: Die schmutzige Ästhetik). Das zunehmende Misstrauen gegenüber den Wörtern und das Bedürfnis nach „wachsendem Schweigen“ ist in den Versen der Sammlung Ein Balkon aus Papier (2000) nachzulesen.
(Lucy Topoľská, Olmütz)
Mitarbeit an Zeitschriften und Zeitungen:
1952 – 1954 Nürtinger Zeitung
1954 – 1955 Heidenheimer Zeitung
1956 – 1962 Deutsche Zeitung
1962 – 1970 Monat (ab 1964 Mitherausgeber)