Emil Hadina war Erzähler, Lyriker, Essayist und Feuilletonist aus Troppau, dessen Stammverlag L. Staackmann aus Leipzig sein Werk gut bewerben und im deutschsprachigen Teil der Tschechoslowakei populär machen konnte. Hadinas konservativer Stil und sein Fritz Lienhard verpflichtetes Konzept der Höhenliteratur bescheren ihm heute kaum mehr neue Leser. Vom Standpunkt der Sozialgeschichte der Literatur aus ist jedoch sein Werk durchaus bemerkenswert, weil sich daran das damalige literarische Leben im Spannungsfeld zwischen Wien und Breslau, Prag und Troppau, zwischen den Kommunikationskreisen der traditionellen bzw. der modernen und der Heimatliteratur untersuchen lässt.
Der Sohn des Direktors des Troppauer Mädchenlyzeums besuchte 1895-1903 das Deutsche Staatsgymnasium in Troppau und studierte in den Jahren 1903-1906 Germanistik und klassische Philologie an der Grazer Karl Franzens Universität. Das Studium schloss er mit der Dissertation Die deutschen Lieder des Seckauer Breviers 1907 in Graz ab. Nach einem Semester bei Erich Schmidt in Berlin wurde er im September 1908 Supplent am Staatsgymnasium in Bielitz, vom Herbst 1911 bis 1913 war er Professor am Staatsgymnasium in Iglau, danach am Realgymnasium im II. Wiener Gemeindebezirk. Im Oktober 1918 wurde er dem staatlichen Schulbücherverlag in Wien zugewiesen, verlor aber nach dem Umsturz diese Stelle, ohne von tschechoslowakischen Schulbehörden übernommen zu werden. Er war gezwungen vorübergehend nur von seinen Einnahmen als freier Schriftsteller zu leben. Erst nach der Pensionierung seines Vaters (1923) wurde er bis zum 31.01.1926 Leiter der Deutschen Familien- und gewerblichen Fortbildungsschule und des angeschlossenen Mädchen-Reform-Realgymnasiums in Troppau. Bis Herbst 1931 war er wieder freischaffend, danach – bis Juni 1938 – Professor an der deutschen staatlichen Handelsschule in Troppau, war aber häufig im Krankenstand.
Seit Dezember 1924 war er wirkliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in der Tschechoslowakischen Republik, Prag. Politisch sympathisierte er mit der Deutschnationalen Partei, mit der er allerdings den Zusammenschluss zur Sudetendeutschen Heimatfront bzw. Partei nicht mehr mitmachte. Erst am 03.05.1938 wurde er laut Fragebogen für seine (nie gewährte) Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer (vom 28.05.1939) Mitglied der Sudetendeutschen Partei. Nach der Mitteilung der Tochter war er nach 1945 in Wien SPÖ-Mitglied.
Emil Hadina konvertierte unter dem Einfluss der Los-von-Rom-Bewegung zur Evangelischen Kirche. Er war zweimal verheiratet: von Juli 1925 bis Juli 1932 mit Hedwig Hadina, geb. Netolitzky (aus dieser Ehe stammten sein Sohn Horst Harald, der auch nach der Scheidung bei ihm lebte, und Ingrid Hannelore, die bei der Mutter blieb) und danach mit der Rheinländerin Wally Bernhard, geb. Groyen (vom April 1934 bis September 1936; die Ehe blieb kinderlos), von der Ingrid Hannelore Hadina behauptet, sie sei eine Halbjüdin gewesen; dem Trauungsbuch ist es allerdings nicht zu entnehmen, weil dort nur das Glaubensbekenntnis (evangelisch), nicht aber die Abstammung verzeichnet ist. Sein Sohn fiel als Wehrmacht-Freiwilliger im Jahre 1944. Während der Evakuation Troppaus im Frühjahr 1945 kam Hadina zu seinen zwei jüngeren Schwestern nach Mährisch-Schönberg und von dort nach Wien, wo er bis zu seinem Tode wohnte. Seine Schwestern lebten in Ingolstadt und bei ihnen ist er auch verstorben und auf dem Ingolstädter Westfriedhof begraben.
Hadinas erstes Buch Religion und Leben - Ein Beitrag zum freien Gottsuchen unserer Tage erschien 1912 im freimaurerischen Verlag Findel in Leipzig, seine erste Gedichtsammlung Alltag und Weihe und die populäre Übersichtsdarstellung Moderne deutsche Frauenlyrik dann 1914 im Verlag Fritz Eckardt in Leipzig. Hadina orientierte sich sowohl als Dichter als auch als Kritiker an den Kriterien, nach denen Carl Busse in den Velhagen & Klasings Monatsheften die Lyrik beurteilte: Als Ausdruck von Sehnsucht und Innerlichkeit soll sie zur Hingabe ans Volkstum erziehen und religiös erbaulich sein, also eine „Höhenkunst“. Trotzdem wirken viele Gedichte der ersten Sammlung – vor allem seine Liebesgedichte voll süßer Schmerzen – recht harmlos und konventionell, seine politischen Gedichte verraten großdeutsche Orientierung (auch ein Gedicht zum 60. Kaiserjubiläum Franz Josephs I. ist eigentlich ein Vorwurf, dass er die deutschen Interessen vernachlässige). Hadinas zweite Sammlung Sturm und Stille - Kriegsdichtungen erschien 1916 im Selbstverlage des Deutschen Schulvereins in Wien und versuchte den jungen Lesern keine negativen Gefühle wie Hass oder Verachtung, sondern Opfermut und Glauben an einen siegreichen Ausgang des Krieges zu vermitteln (z.B. in Die Besten trifft es ...: „ist die Saat so fein / Wie muß die Ernte / ... / sein!“).
Seit dem Lyrikband Nächte und Sterne und dem Novellenband Kinder der Sehnsucht – beide 1917 – erschienen Hadinas Werke (bis auf drei Erbauungsschriften und drei Erzählwerke, auf deren Verleger noch aufmerksam gemacht wird) im Verlag L. Staackmann in Leipzig. Wie schon 1916 wurde die Sammlung Nächte und Sterne mit gelungenen Gedichten zur Frage der Theodizee eröffnet (Ohne Gott, Heimkehr), nicht selten begegnet man darin allerdings auch sentimentalen Bildern, in denen Naturgeschehen als Trost und Anregung zur Überwindung der Trauer angeboten wird, oder die ihre Lesebuchthemen in einen volksliedhaften Ton kleiden (Der Blinde, Witwenlied, Lied einer deutschen Mutter). Diese unerfreuliche Tendenz gewann dann im Lyrikband Heimat und Seele (1918) die Oberhand. In dem ersten Novellenband Kinder der Sehnsucht stehen märchenhaft entrückte, weiche Stimmungsschilderungen ohne Handlung (z. B. Der Jüngling und die jungen Toten) quasi autobiographischen Texten mit der Hauptgestalt eines (ehemaligen) Lehrers bzw. eines Dichters gegenüber, die mit ihrer Rückblendentechnik und der Darstellung der entsagenden Mann-Frau-Beziehung an die Novellistik der zweiten Hälfte des 19. Jh. erinnern.
Hadina widmete sich in dieser Phase intensiv volkserzieherischer Essayistik, wie sie z.B. aus der Stuttgarter evangelischen Rundschauzeitschrift Der Türmer bekannt war. Sie wurde in den Bänden Leben, Sittlichkeit und Religion in und nach dem Kriege (Verlag des Evangelischen Zentralvereins, Wien 1917) Brüder und Heimat (Karl Skrobanek, Troppau 1919) und Von deutscher Art und Seele - Ein Trostbüchlein. (Schulbücherverlag, Wien 1920) gesammelt. Die Gestalt eines suchenden Idealisten, der sich im verweichlichten Wiener Milieu nicht wohlflühlt, liegt der ersten längeren Prosa Hadinas – Suchende Liebe (1919) – zugrunde. Um der Verführung mehrerer Frauen nicht zu unterliegen, den Weg ins Reich des Geistes und in die Ehe mit der Tochter des Weisen zu finden, braucht er einen väterlichen Führer aus Thüringen, der manche Züge Fritz Lienhards trägt. Die erotische Geschichte Das Elflein und der Dichter - Ein kleines Liebesmärchen veröffentlichte Hadina in dem 2. Band der Bücherei Österreichischer Schriftsteller (Liebesmähren) im Verlag Jos. A. Kienreich (Graz, Wien, Leipzig 1919). In dem Novellenband Das andere Reich (1920) überwiegen noch lyrische Stimmungen und rührende Geschichten über leicht verletzbare junge Liebe; Dichternovellen (Gerhard Tersteegens Liebe, Höltys letzter Frühling) sind in der Minderheit.
Die reife Schaffensperiode Hadinas setzte mit dem Gedichtband Lebensfeier (1921) ein. Es fehlt darin ein selbständiges Kapitel religiöser Gedichte (andererseits kommen jedoch Anklänge an den Buddhismus vor – Nirwana). Die Klagen über das Schicksal der Sudetendeutschen (und auch ihrer Hunde – sic!) nehmen ein Viertel des Buches ein, warnen aber vor Hass gegen die vom Schicksal gerade Bevorzugten und vor der Gefahr, die Wichtigkeit der materiellen Güter zu überschätzen (Führe uns nicht in Versuchung!). 1922 erschienen zwei Dichterromane, die Hadinas (kurzen) Ruhm begründeten: sein noch nach 1933 kommerziell erfolgreichstes Buch Die graue Stadt – die lichten Frauen über Theodor Storm im Leipziger Stammverlag L. Staackmann und im Verlag Gebrüder Stiepel in Reichenberg der Gottfried-August-Bürger-Roman Dämonen der Tiefe, den Hadina selbst als sein bestes (und zu Unrecht vernachlässigtes) Prosawerk bezeichnete. Der Erfolg ermutigte Hadina, seinen zum großen Teil autobiographischen Roman Advent zu veröffentlichen (1923), ein offenes Bekenntnis dazu, einen eigenen Weg zu suchen.
Zwei weitere Prosawerke (Maria und Myrrha, 1924 und eine Fortsetzung des erfolgreichen Storm-Romans Kampf mit dem Schatten, 1925) bleiben dem Genre Liebesgeschichte bzw. Dichterroman treu. Die Handlung konzentriert sich in den beiden Büchern auf eine Künstlergestalt, die eine minnelose Frauenleere als eine Läuterungsphase braucht, in der sich eine Beziehung zu der Frau seiner endgültigen Wahl anbahnt. Der zweite Storm-Roman, der erst nach der Eroberung Schleswigs durch Preußen im Jahre 1864 beginnt und damit eine für die damaligen sudetendeutschen Leser aktuelle politische Parallele zwischen der dänischen und der tschechischen Herrschaft, wie sie der erste Storm-Roman nahelegte, vermissen lässt, ist außerdem auch von Hinweisen auf einzelne Novellen Storms überfrachtet; deshalb war er weniger erfolgreich als der erste.
Im Jahre 1926 erscheinen drei Bücher Hadinas – die Sonett-Samlung Himmel, Erde und Frauen (u. a. mit Bezug auf Ereignisse in Hadinas neu gegründeter Familie) und der Caroline-Schlegel-Roman Madame Lucifer bei Staackmann, der Charlotte-von-Kalb-Roman Ihr Weg zu den Sternen bei Carl Reißner in Dresden. Die Gabe des zweiten Gesichts bei Frau von Kalb, der hysterischen Gönnerin des jungen Schiller, nimmt thematisch Hadinas nächsten Roman aus der Gegenwart vorweg: Die Seherin (1928). Dieser Roman, der in Troppau, Wien und in der Wachau spielt, artikuliert am Rande, aber im Kontext der Prosa Hadinas doch am deutlichsten die nationalen Spannungen nach der Entstehung der Tschechoslowakei. Die längere Erzählung Götterliebling (1927) ist zum Wilhelm-Hauff-Jubiläum geschrieben und geht von dem romantischen Nimbus des Frühverstorbenen aus. Der historisch belegte Besuch des ebenfalls 1827 verstorbenen Wilhelm Müller ermöglichte Hadina auch, den von Schubert vertonten Zyklus Die schöne Müllerin und den nur um ein Jahr länger lebenden Schubert miteinzubeziehen und ein Kapitel davon im Grazer Heimgarten unter dem Titel Im Schatten Schuberts abzudrucken.
Die zwei letzten Bücher Hadinas bei L. Staackmann lockern die z. T. starre, durch Leitmotive künstlich verfestigte Erzählform etwas auf: sowohl in der Titelgeschichte des Erzählbandes Geheimnis um Eva (1929) als auch im Tagebuch aus Sesenheim - Friederieke erzählt ... (1931) wird in der Rahmengeschichte eine Erzählsituation dargestellt, die die kaum mehr ganz erst zu nehmende Binnengeschichte, wie sie für Hadina typisch ist, teilweise in Frage stellt. In Geheimnis um Eva spielt Hadina mit dem zum Ulk neigenden Milieu der Schlaraffen, es ist jedoch schwer abzuschätzen, ob darin auch Selbstironie enthalten ist oder ob in Mayringer, dem vom zugereisten Grazer Schlaraffenkollegen Gefoppten, nur die Neigung der Literatur zu trivialen Handlungsmustern verspottet wird. Der Kontrast zwischen der verlogenen Adaption einer Liebesepisode Goethes für den Bedarf einer Lehár-Operette und dem lauteren Charakter ihrer Troppauer Darstellerin, ebenfalls einer Pfarrerstochter, bildet den Rahmen zur Friederike-Brion-Geschichte.
Das letzte Buch Hadinas Der Gott im Dunkel erschien 1933 in dem kleinen Troppauer Verlag Heinz & Co und enthält drei Novellen: Die Frau hinter dem Vorhang, die Verherrlichung einer „tüchtigen deutschen Hausfrau“, deren Wert der flatterhafte Mann erst schätzen lernt, wenn sie stirbt, die z. T. autobiographische Reise zum Ozean und die für Hadina ungewöhnlich naturalistische Liebesgeschichte Näher zu dir ... Der Verlust der Publikationsmöglichkeiten und des Publikums nach 1933 war der wesentliche Grund seines Verstummens. Nach 1945 erschienen zwar seine drei erfolgreichsten Romane in Nachauflagen (Friederike erzählt ..., Kaiser, Klagenfurt 1950; Die graue Stadt – die lichten Frauen, Kaiser, Klagenfurt 1952; Caroline, die Dame Luzifer - Roman einer Romantikerin. Verlag Das Bergland-Buch, Salzburg 1952), aber kein neues Buch mehr.
Das letzte überlieferte Gedicht des kranken und gebrochenen Hadina heißt Sinkender Sommer (Lebendige Stadt - Literarischer Almanach, Wien 1953) und stellt eine versöhnliche Lebensbilanz eines Mannes dar, den das traurige Schicksal des Vertriebenen in seine ihm jetzt fremd gewordene Geburtsstadt verschlagen hat.
Leise schon schwindet das Licht.
Weder die Jungen noch Alten,
lächelnd gewöhnt an wehen Verzicht,
könne es halten.
Noch verschwendet in Füllen
Mittag den festlichen Gruß.
Doch an den Marken des strahlenden Baus
wachsen die dämmernden Hüllen.
Bald in der prangenden Flur
bluten die Male der schmerzlichen Wende,
glüht in dem sonnendurchbrausten Gelände
tödliche Spur.
Selig zu wissen: hoch über den weiten,
ewig sich wandelnden Erdengebreiten,
blühendem, reifendem, welkendem Land
führt eine Hand.
Hadina war in den Jahren von dem Ersten Weltkrieg bis in die Mitte der 30er Jahre durch zahlreiche Beiträge in folgenden Zeitungen und Zeitschriften bekannt geworden:
Die Bergstadt, Bohemia, Der Bund, Christliche Welt (Marburg i. H.), Daheim, Deutsche Heimat, Deutsche Wehr, Deutsche Woche, Deutsche Zeitung (Olmütz, Troppau), Donauland – österr. Ausgabe des Hochland, Der getreue Eckart, Heimgarten, Höhenfeuer, Jugend, Morgenzeitung und Handelsblatt, Muskete, Prager Tagblatt, Reclams Universum, Schlesisches Jahrbuch, Schulnachrichten der Deutschen Familienschule in Troppau, Staackmanns Almanach, Sudetenalmanach, Jahrbuch deutscher Verleger in der Tschechoslowakei, Sudetenland, Tagesbote, Trostbärnla, Der Türmer, Velhagen & Klasings Monatshefte, Westermanns Monatshefte, Wiener Mittag, Wiener Zeitung.
Zdeněk Mareček