Johann Carl Ratzer wurde am 10.12.1802 in Bystritz am Hostein als Sohn des Wirtschaftsdirektors Franz Ratzer und seiner Frau Susanna (Tochter des Leipniker Stadtprimators Johann Pfrong) geboren. Ersten Unterricht erhielt er zu Hause, 1816 fing er an, das Piaristengymnasium in Leipnik zu besuchen. Von 1819 bis 1820 studierte er am Gymnasium in Kremsier in der Humanitätsklasse. Von Kindheit an hatte er „theatralische Vorstellungen“. Ab 1821 studierte er an der Olmützer Universität Philosophie (hier beeinflusste ihn sein Philosophie- und Ästhetikprofessor Dr. Franz Fiker) und von 1824 bis 1827 Jura. Er wurde Mitglied des Olmützer Dichterkreises. 1826 starb sein Vater und hinterließ kein Vermögen.
Am 5.10.1827 trat Ratzer beim Magistrat in Olmütz als Zivil- und Kriminalpraktikant in Dienst, zwei Jahre später siedelte er nach Kloster Hradisch über. 1830 kam er nach Gaya in Mähren, wo er als Registrator, Grundbuchführer und Sekretär am dortigen Magistrat bis Dezember 1837 wirkte. In demselben Jahr wurde er Amtmann der königlichen Stadt Gayaer Landgüter. In diesem Jahr (er war 35 Jahre alt) erschien seine erste Gedichtsammlung, Poetische Versuche, in der noch ziemlich ungeschickt und pathetisch Liebe, Freundschaft und Natur verherrlicht werden. Die nächsten Jahre, die er in Gaya verbracht hat, waren sehr fruchtbar, was sein dichterisches Schaffen angeht. Gleich in den nächsten zwei Jahren erschienen folgende weitere Titel: Balladen und Lieder (1839), Das Lied vom Vaterlande (1839), Genie. Romantisches Gedicht (1839) und Raphael. Trauerspiel (1839). Hierbei handelt es sich um drei schmale Bände mit von der Romantik stark beeinflussten Gedichten und um ein romantisches Drama. 1844 erschienen in Brünn die Liederträume - zwei Bändchen mit musikalischen Gedichten, und 1846 der Sammelband Gedichte. In demselben Jahr erschien in Wien sein Gedichtband Das eroberte Granada, in dem seine Bewunderung für das Spanien des Mittelalters deutlich wird. Im Jahr 1849 siedelte Ratzer nach Mistek in Nordmähren über und wirkte dort als Bezirkshauptmann, schon 1850 wurde er nach Wien berufen, um dort als Berater am Justizministerium zu arbeiten. 1851 erschien in Neutitschein seine Sammlung Lieder des Einsamen. Die Musikalität dieser Sammlung erinnert an die der Liederträume. Ein Jahr später erschien der Band Ost- und West-Rosen. 1853 führte Ratzer fünf Monate lang die provisorische Leitung der Bezirkshauptmannschaft in Mährisch Trübau, 1855 wurde er zum ständigen Mitglied und Referent der k. k. Mährischen Grundlastenablösungs- und Regulierungslandeskommission in Brünn mit dem Charakter eines Stadthaltereirates ernannt, gleichzeitig wirkte er in Brünn als Abgeordneter des Landtages. Im gleichen Jahr erschien seine Sammlung Sonette. Ein Halbhundert, in der er den Schmerz über den Verlust seiner Nächsten reflektiert und die humanistische Mission des Dichters und der Kunst überhaupt betont.
1860 erschien sein Gedicht Die eigene Welt. Ein Gedicht, was eigentlich eine Geschichte in Versen über die Macht der Poesie ist. Es ist eine märchenhafte Sage, in der noch die Nachklänge der Romantik (Bewunderung für Mittelalter und Orient, Mythos, Phantasie, Vergangenheit, ...) und vor allem der Einfluss von Novalis` Heinrich von Ofterdingen bemerkbar sind. Die Form erinnert stark an mittelalterliche Dichtung, das Gedicht ist rhythmisch und daher anscheinend zum Singen gedacht. Die Figuren sind stark idealisiert und tragen archetypische Züge, jede spielt die ihr bestimmte Rolle und keine von ihnen unterliegt dem Einfluss der Zeit, die Natur wird als eine sich ewig wandelnde Gewalt dargestellt. Am Ende des Gedichts tritt der Erzähler auf, um dem Leser seine Schlussfolgerung zu vermitteln: Die Sänger (= die Dichter) sind Propheten.
1861 erschien Romanzen, das sieben, im Geist der spanischen Romanzen geschriebene Gedichte beinhaltet. In der Sammlung kommen wieder des Dichters Bewunderung des Mittelalters und seine Ethik zum Ausdruck. Die Ritter werden immer als Träger der Ehre, Treue und Liebe dargestellt. Es tauchen hier wieder die gleichen Motive wie in der Sammlung Die eigene Welt auf, z. B. die Natur als unbeherrschbare Gewalt, und es kommen andere Motive dazu: die Liebe, die ewig ist und allen Hass überwindet, die Schönheit des Lebens, die man genießen soll. In dem Gedicht Verlorene Schlacht beschreibt der Dichter sich selbst als einen in der Schlacht mit den Kreuzrittern besiegten Heiden, womit ein Bild des Dichters als solches in der Gesellschaft dargestellt werden soll. In einem anderen Gedicht bewundert der Dichter die treue Liebe einer Heldenwitwe. Im Allgemeinen kommt in den Gedichten die Bewunderung des Dichters für ein stark idealisiertes mittelalterliches Spanien zum Ausdruck.
1863 erschien Ratzers letzte Sammlung, Balladen. Ratzer starb am 11.11.1863 in Brünn. In seinem Nachlass finden sich noch weitere unpublizierte Werke.
(Vlasta Jiranová, Olmütz)